Wegen Personalmangel werden Flüchtlinge nur noch "abgefertigt"
Überbordende Bürokratie ärgert Gemeinschaftsunterkünfte: Bei der Integration von Flüchtlingen fehlt es an genügend qualifiziertem Personal.

Adelsheim/Osterburken. (ahn) "Man kommt eigentlich nur zur ,Abfertigung‘", meint Claudia Beckert, die als Sozialbetreuung des Caritas-Verbands in der Gemeinschaftsunterkunft in Adelsheim tätig ist. Bereits beim Besuch Ende des vergangenen Jahres zeigte sich das Problem: Beckert und die Unterkunftsleiterin Stefanie Eschenlohr müssen sich neben den rund 120 Flüchtlingen in Adelsheim auch um die 110 Menschen der Gemeinschaftsunterkunft in Osterburken kümmern.

"Wir brauchen mehr Leiter für die Gemeinschaftsunterkünfte und mehr Sozialarbeiter", fordert auch Heide Lochmann, die mit ihrem Helferkreis Asyl die Hauptamtlichen unterstützt. Denn die Integration der Flüchtlinge, die sich aufgrund der relativ kurzen Verweildauer in den Gemeinschaftsunterkünften sowieso als schwierig gestaltet, wird durch die angespannte Personallage nochmals erschwert.
Dass Integration trotz alledem gelingen kann, zeigt etwa das Beispiel von Bazgul. Der 21-Jährige ist aus Afghanistan geflohen und arbeitet inzwischen bei der Firma Schimscha in Erlenbach. "Die Arbeit ist gut", meint er. Das sieht auch der 26-jährige Shir so. Er fährt jeden Tag mit dem Zug nach Heilbronn, wo er in einem Restaurant arbeitet. "Alle suchen Arbeit", berichtet Claudia Beckert. Denn die Arbeitsstelle ist ein gutes Mittel für eine gelungene Integration.
Ebenso wie das Erlernen der deutschen Sprache. Hierbei greift Christel Hilscher den Flüchtlingen unter die Arme. Zweimal pro Woche kommt sie in die Gemeinschaftsunterkunft und gibt dort für eine Stunde Sprachunterricht. "Am Anfang waren wir zu zwölft", berichtet sie. Allerdings waren es immer andere Flüchtlinge, die den Unterricht mehr oder weniger sporadisch besuchten. Deshalb war es der Lehrerin wichtig, erst einmal Struktur reinzubringen, wofür ein Baustein zum Beispiel Pünktlichkeit ist. "Das hat ein halbes Jahr gedauert, aber die Struktur hilft viel."
Inzwischen habe sich ein kleiner, aber stabiler Kreis von fünf bis sieben Flüchtlingen gebildet, die den einsprachigen Unterricht regelmäßig besuchen. "Wir haben untereinander eine gute Beziehung", berichtet Christel Hilscher. Und vor allem "sind schon sprachliche Fortschritte zu erkennen." Dies liege vor allem an den vielen Wiederholungen, die sie geduldig mit ihren Sprachschülern durchgeht. Wichtig sei vor allem, dass die Flüchtlinge "selbst in die Gänge kommen – das gehört dazu".
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Integration lebt auch der Helferkreis Asyl unter der Vorsitzenden Heide Lochmann. "Wir betreuen immer noch alte Flüchtlinge und besuchen sie regelmäßig", erklärt sie. Sie selbst schaut einmal in der Woche bei den drei Familien vorbei, die sie betreut. "Wir wollen, dass sie selbstständig werden." Doch auch beim Helferkreis schwinden die Mitglieder.
Genauso wie bei den Ehrenamtlichen fehlt auch im hauptamtlichen Bereich Personal – wobei die Suche nach qualifizierten Kräften "für den Kreis schwierig ist", weiß Heide Lochmann. Doch mehr Personal ist nötig – besonders auch vor dem Hintergrund der überbordenden Bürokratie. "Die Flüchtlinge verstehen oft nicht, dass sie so lange warten müssen, bis alles bearbeitet ist. Die Ungeduld kann man verstehen", sagt Heide Lochmann, während Claudia Beckert ergänzt: "Wenn alles unbürokratischer laufen würde, wäre es schön."
Doch dieser Wunsch bleibt im Konjunktiv. "Die Arbeit hat so viel Frustrierendes", berichtet Beckert. "Ich habe mir das vorher anders vorgestellt." Ihre Motivation ziehe sie auch nicht aus der Arbeit, sondern aus der guten Zusammenarbeit mit der Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft, Stefanie Eschenlohr. Heide Lochmann fungiere dabei oft als Seelentröster, verrät Beckert. Dennoch mache die Sozialarbeiterin eine gute Arbeit, betont Lochmann, während Christel Hilscher die "freundliche und hoch motivierte" Art von Beckert hervorhebt.
Unterstützung bekommen Claudia Beckert und Stefanie Eschenlohr in der Gemeinschaftsunterkunft im Friedrich-Gerner-Ring von Mitarbeitern der Security-Firma, die Tag und Nacht für die Sicherheit rund um die beiden Container verantwortlich zeichnen. "Eine sichere Unterkunft ist notwendig, damit die Flüchtlinge Stress abbauen können", erklärt Claudia Beckert.
Dies trifft besonders auf die 70 Einzelpersonen zu, die in dem einen der zwei Container untergebracht sind. "14 Quadratmeter für drei Personen, die sich auch nicht vorher kennen – da gibt es nicht viel Spielraum für Bewegung", sagt Heide Lochmann. Um den Geflüchteten die Situation nach ihrer Flucht zu erleichtern, achtet man darauf, dass die Zimmer nach Nationalitäten belegt werden. Dabei gibt es zwei große Parteien: Auf der einen Seite Afghanen und Syrer, auf der anderen Seite Tunesier und Türken.
Im zweiten Container der Gemeinschaftsunterkunft stehen 50 Plätze für Familien zur Verfügung. Diese kommen vor allem aus der Türkei, Nordmazedonien, der Ukraine, und Syrien. "Die Familien haben sich untereinander. Das gibt ihnen Halt", berichtet Claudia Beckert. "Einzelpersonen haben wesentlich mehr Stress." Professionelle Hilfe für Letztere zu organisieren, ist allerdings nicht so einfach, denn eine Therapie müsste erst einmal genehmigt werden.
Überhaupt ist die Gesundheit ein großes Thema: Auch hier gibt es Probleme. Neben der Tatsache, dass es – allgemein – zu wenig Kinderärzte im ländlichen Raum gibt, ist vor allem die Sprache eine Hürde, erklärt Heide Lochmann. "Es geht viel Zeit auf das Übersetzen drauf." Besonders wenn medizinische Fachbegriffe geklärt werden müssen.
Und wie sieht es mit der Anschlussunterbringung aus? "Viele Flüchtlinge bekommen in kleinen Gemeinden oft eine gar nicht schlechte Bleibe", so Lochmann. "Doch die meisten versuchen, in die Städte zu kommen. Das ist ein Problem." Denn "die Leute, die kommen, haben alle an eine Großstadt gedacht", so Claudia Beckert.