Strenger Gegenwind für den Impfkritiker
Die Thesen des Arztes Manfred van Treek rufen heftige Reaktionen bei Medizinern aus der Region hervor

Symbolfoto: dpa
Mosbach. (lu/schat) Das Thema spaltet die Meinungen: Impfungen. Über Sinn, Notwendigkeit oder auch damit verbundene Gefahren diskutieren Experten wie Laien schon seit vielen Jahren. In der RNZ hat sich nun dieser Tage der Viernheimer Arzt Manfred van Treek überaus kritisch über das Impfen geäußert - und damit heftige Reaktionen ausgelöst. Kinderärzte aus der Region wollen die Behauptungen des Mediziners so nicht stehen lassen. Auch dass die RNZ die Thesen aus einem Gespräch des Mediziners mit Verantwortlichen des Naturheilvereins Mosbach derart wiedergegeben hat, wird in diesem Zusammenhang kritisiert.
"Es ist schade, dass ein Allgemeinmediziner mit in seiner Praxis durchgeführten Kinderheilbehandlungen so ausführlich zum Thema Impfungen in der RNZ zu Wort kommt, ohne eine Angabe, wer den Artikel geschrieben hat. So mancher Leser geht dadurch wohl davon aus, dass die genannten Dinge Tatsachen sind", sagt Michael Fath aus Haßmersheim, der in Neckarbischofsheim eine Kinderarztpraxis leitet. In den in der Region geführten Kinderarztpraxen sei der größte Teil der Kinder geimpft, auch ungeimpfte Kinder würden aber regelmäßig behandelt. "Dabei sind entgegen der von van Treek dargestellten Situation die nicht geimpften Kinder nicht gesünder als die geimpften", betont Fath. Es sei weder bei den chronischen noch den akuten Erkrankungen zu beobachten, dass eine Nichtimpfung von Vorteil wäre.
Nicht berücksichtigt werde von van Treek, dass Impfungen nicht nur Individualschutz bedeuten, sondern geimpfte Menschen Krankheiten weit weniger verbreiten und so ihre Mitmenschen schützen, wie z. B. Säuglinge und Menschen, die krankheitsbedingt keinen Impfschutz aufbauen können.
Dem Vorwurf, Impfschäden würden wegdiskutiert, tritt Fath entschieden entgegen: "Impfreaktionen und eventuelle Schäden werden ernst genommen! Wie die meldepflichtigen Erkrankungen sind auch Impfreaktionen meldepflichtig. Eine Aufklärung über mögliche Impfreaktionen gehört dazu, dabei gibt es kein Versprechen, dass Impfungen frei von Nebenwirkungen sind."
Auch die Mosbacher Kinderärztin Dr. Christiane Schubert-Beck findet es "sehr bedauerlich, dass man als wissender Arzt eine derart unverantwortlich gefährliche Meinung nicht nur vertritt, sondern auch noch zahlreiche Möglichkeiten findet, diese in der Öffentlichkeit kund zu tun", wie die Medizinerin gestern auf RNZ-Nachfrage mitteilte. "Wenn man je in seiner Facharztweiterbildung zum Kinder- und Jugendarzt Kinder hat sterben sehen - zum Beispiel an einer vermeidbaren Masernenzephalitis (Gehirnentzündung) oder Meningitis (Hirnhautenzündung) -, dann wird man sicher eine andere Meinung zu diesem Thema haben."
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Dass Impfungen schützen, gelte als gesichert, so die Medizinerin, die darauf verweist, dass es zwar auch bei Geimpften selten einmal zu "Krankheitsdurchbrüchen" komme, diese aber in aller Regel sehr viel harmloser ausfielen als die "Wildinfektion" bei Nichtgeimpften.
Froh ist die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, dass trotz stets vermeintlich "Besserwissenden" inzwischen sehr viele Eltern und Patienten dem Thema Impfungen offen zugewandt seien und Kinderärzten nach beratender Aufklärung vertrauen und ihre Kinder sehr zuverlässig impfen lassen.
Dr. Ursula Marx, Mosbacher Kinderärztin im Ruhestand, hält den von Impfkritiker van Treek erhobenen Einwänden gegen das Impfen Antworten des Robert-Koch- und des Paul-Ehrlich-Instituts entgegen, von denen sie einige exemplarisch aufgreift: "Es gibt keine Studien und keine Beweise, die die Behauptung stützen, Impfungen würden andere schwere Erkrankungen hervorrufen. Gegen den Vorwurf, die Impfpropaganda werde von der Industrie betrieben, spricht, dass die Herstellung der Impfstoffe im Gegensatz zu Arzneimitteln, die lange eingenommen werden müssen, wirtschaftlich unattraktiv ist. Die Einstellung ,Wir Eltern haben diese Infektionskrankheiten auch durchgemacht und haben sie gut überstanden‘ ist ebenfalls fragwürdig: Bei einem von 1000 Kindern, die an Masern erkranken, gibt es eine Hirnentzündung, die zu bleibenden Schäden führt; Röteln bei Schwangeren führen zu schweren Fehlbildungen bei dem Ungeborenen."
Für die Leiterin des Gesundheitsamtes des Neckar-Odenwald-Kreises, Dr. med. Martina Teinert, ist besonders wichtig, dass man die Wirkung einer Impfung versteht: "Was wird eigentlich bei einer Impfung verabreicht, was ist in der Spritze? Eine Impfdosis beinhaltet Krankheitserreger, die beispielsweise durch eine Behandlung abgeschwächt wurden, so dass sie das eigene Immunsystem zur Abwehr anregen, aber nicht so aggressiv sind, dass sich gefährliche Komplikationen der Erkrankung, gegen die die Impfung schützen soll, hervorrufen. Eine Impfung stimuliert das Immunsystem wie eine Infektion auf natürlichem Wege, verhindert aber das Auftreten von schwerwiegenden Komplikationen."
Die Gesundheitsamtsleiterin findet es daher völlig unverständlich, dass behauptet wird, die Infektion mit dem natürlichen Krankheitserreger sei besser als eine Impfung. Auch sie verweist auf die schwerwiegenden Komplikationen, die sich bei Masern entwickeln können. So verlaufe eine Gehirnentzündung bei etwa zehn bis 20 Prozent der Betroffenen tödlich, bei 20 bis 30 Prozent müsse mit Schäden am Zentralen Nervensystem gerechnet werden. "Dieses wissenschaftlich abgesicherte Wissen muss Eltern zur Verfügung stehen. Und genau aus diesen Gründen empfehle ich, Kinder und Erwachsene nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu impfen", so Dr. Teinert.