Tiefe Einschnitte - Weniger Abteilungen in Mosbach und Buchen
Verantwortliche der Neckar-Odenwald-Kliniken stellen Maßnahmen- und Strukturplan vor - Abteilungen soll "konzentriert" werden

Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Dramatisch, katastrophal, erschreckend – wenn es um die finanzielle Entwicklung der Neckar-Odenwald-Kliniken geht, dann waren die Botschaften zuletzt eindeutig. Rund zwölf Millionen Euro werden für das laufende Jahr 2019 als Defizit erwartet. Im Kreistag Anfang Dezember angekündigt, präsentierten nun die Verantwortlichen um den Klinik-Geschäftsführer Frank Hehn und den Aufsichtratsvorsitzenden, Landrat Dr. Achim Brötel, den Struktur- und Maßnahmenplan, der die Kliniken zeitnah wieder "tragbar" machen soll. Erste Erkenntnis: Mit dem Maßnahmenpaket verbunden sind tiefe Einschnitte in das "Angebot" der Kliniken.
Wenn der Kreistag als entscheidendes Organ Ende Januar das Maßnahmenpaket für gut befindet, dann wird es weiter eine umfassende Regel- und Grundversorgung an den Krankenhäusern in Mosbach und Buchen geben. Gleich mehrere Fachbereiche sollen dann aber nur noch an einem Standort für den gesamten Kreis vorgehalten werden. So sieht der Plan vor, dass es an beiden Häusern die Bereiche Innere Medizin, Intensivmedizin, HNO-Heilkunde, Zentrale Notaufnahme und eine Wahlleistungsstation (neu in Mosbach) geben wird. In Mosbach gibt es dann weiter Unfallchirurgie/Orthopädie/Wirbelsäulenchirurgie, Akutgeriatrie, Allgemeinchirurgie (nur ambulante OPs), Teleneurologie und als "spezialisierte Versorgung" Schlaganfall/Stroke-Einheit und eine Geriatrische Rehabilitation. Auch den sogenannten Schockraum (etwa für Verkehrsunfallopfer) wird es dann nur noch in Mosbach geben.
Hintergrund
So soll die Kliniken-Zukunft aussehen
Standort Mosbach
> Innere Medizin
> Unfall-/Wirbelsäulenchirurgie/
So soll die Kliniken-Zukunft aussehen
Standort Mosbach
> Innere Medizin
> Unfall-/Wirbelsäulenchirurgie/ Orthopädie
> Intensivmedizin
> Akutgeriatrie
> Allgemeinchirurgie (nur ambulante Operationen bzw. Sprechstunden)
> Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
> Zentrale Notaufnahme/Schockraum
> Wahlleistungsstation
> Teleneurologie
> Schlaganfall/Stroke-Unit
> Geriatrische Rehabilitation
Standort Buchen
> Innere Medizin
> Allgemeinchirurgie
> Gynäkologie/Geburtshilfe
> Intensivmedizin
> Urologie
> Augenheilkunde
> Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
> Zentrale Notaufnahme
> Wahlleistungsstation
> Telepathologie
> Sprechstunden Unfallchirurgie
> Bauchzentrum
> Palliativeinheit
Nur noch in Buchen angesiedelt ist dem Struktur- und Maßnahmenplan zufolge die Gynäkologie/Geburtshilfe, ebenso die Allgemeinchirurgie (Bauch etc.). Urologie und Augenheilkunde waren ohnehin schon Spezialfelder am Standort Buchen, zu denen dann noch das Bauchzentrum und die Palliativeinheit zählen sollen. Für Unfallchirurgie wird es lediglich Sprechstunden geben, gleiche gilt für Mosbach auf dem Gebiet der Allgemeinchirurgie. Im Plan enthalten ist auch ein Raumkonzept, Leerstände soll es demnach an beiden Standorten trotz Verlagerungen nicht geben.
Ziel dieser Maßnahmen, für die sich im Aufsichtsrat der Kliniken 11 von 13 Mitgliedern ausgesprochen haben, ist eine Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses.
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Der Druck, der aufgrund der jüngsten Entwicklungen mit all ihren Begleiterscheinungen – u. a. Erhöhung der Kreisumlage um drei Prozent zum Defizitausgleich – entstanden war, habe die Klinik-Verantwortlichen zu diesen Einschnitten gezwungen, legte der Ärztliche Direktor Privatdozent Dr. Harald Genzwürker dar. "Unangenehme Schritte" sieht er im Maßnahmenpaket, das man aber Mitarbeitern und Patienten aufgrund der finanziellen Lage "zumuten" müsse.
Gründe für diese Lage führten noch einmal Achim Brötel und Frank Hehn an (die RNZ berichtete bereits), die aktuelle Defizitrechnung für den November weist ein Minus von 1,16 Millionen Euro aus. "Die Kliniken haben uns komplett finanziell ausgezehrt", hielt Brötel im Rahmen der Vorstellung des Maßnahmenplans mit Blick auf die letzten zehn Jahre und einen Verlust von knapp 75 Mio. Euro fest.
Im Maßnahmenplan sieht man wiederum eine "echte Chance", das Schiff Kliniken wieder auf einen besseren, finanzierbaren Kurs zu lenken. Indem man Doppelstrukturen vermeidet, könne man wirtschaftlicher arbeiten. Die Umstrukturierungen sollen zudem dafür sorgen, dass man weniger Leihkräfte teuer bezahlen muss. "Das werden wir 2020 gehörig reduzieren", so Klinik-Controller Harald Löffler, der wie schon im Kreistag auch betriebswirtschaftliche Sofortmaßnahmen wie effizientere Dokumentation/Abrechnung skizzierte.
Erarbeitet wurde der Struktur- und Maßnahmenplan im Übrigen im Rahmen einer zweitägigen Klausurtagung von Geschäftsführung, Chefärzten und Pflegedienstleitung der Neckar-Odenwald-Kliniken. Im Rahmen einer fünfstündigen Sitzung stellte man in dann dem Aufsichtsrat vor, der die Maßnahmen in einer "ersten Bewertung" für zielführend hält.
Betriebsrat und Mitarbeiter waren in der vergangenen Woche über die Pläne in Kenntnis gesetzt worden, mit versammelter Mannschaft – alle Chefärzte, Pflegedienstleiter Kurt Böhrer und Mitglieder des Betriebsrats fanden sich in der Runde – machte man die Überlegungen für eine bessere Zukunft nun öffentlich.
Dass man in der jetzigen Lage nicht mehr um Einschnitte herum komme, verdeutlichten Brötel, Hehn und Genzwürker. Wohlwissend, dass die geplanten Veränderungen, hier vor allem der Wegfall der Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach, auch emotionale Diskussionen auslösen werden. Oberstes Ziel sei gewesen, den Versorgungsauftrag in allen Disziplinen an beiden Standorten zu gewährleisten – und dieses Ziel könne mit dem neuen Plan erreicht werden.
Dass man in der Klausur nicht nur den jeweils eigenen Fachbereich, sondern auch das große Ganze und vor allem die Patienten aus dem ganzen Kreis im Blick gehabt habe, machten die Chefärzte deutlich. Von kontroversen Gesprächen und schweren Entscheidungen war da die Rede, wenngleich man in den nun vorgestellten Vorschlägen gute Lösungen gefunden sieht. Man hofft auf weniger Ressourcenverbrauch, Synergieeffekte, bessere Abläufe dank Konzentration.
Und auf eine bessere Kostendeckung, etwa in der mit fast zwei Millionen Euro enorm defizitären Gynäkologie/Geburtshilfe. Auch wenn nicht alle Geburten aus Mosbach (laut Chefarzt Dr. Munz zuletzt 620) künftig 1:1 nach Buchen (2019: 560 Geburten) gerechnet werden könnten, will man mit 800 bis 1000 Geburten/Jahr wirtschaftlich "tragbar" werden.
Mit Umsetzung des Maßnahmenpakets soll es zu keiner signifikanten Verringerung der Mitarbeiterzahl kommen. Zwar werden in einigen Bereichen "Arbeitsstrukturen verändern", sagt Harald Genzwürker. Gemeinsam mit Mitarbeitern und Personalrat werde man "geeignete Lösungen" finden.
Auch eine "natürliche Fluktuation" rechnen die Verantwortlichen mit in ihre Personalplanungen mit ein. Landrat Brötel sieht derweil die Mitarbeiter auch – mehr denn je – gefordert, die Verbesserungspotenziale "aufzugreifen und zu leben". Dass diese Potenziale von den Beschäftigten durchaus gesehen werden, machte Betriebsratsvorsitzender Simon Schreiweis deutlich. Auch wenn der ein oder andere bei Präsentation der Pläne "erschrocken" sei. Vonseiten des Betriebsrats wolle man den Weg weiter konstruktiv begleiten.
Das erste Etappenziel ist definitiv gesteckt: 2020 darf das Defizit 7,7 Mio. Euro nicht überschreiten, man muss das Ergebnis also um mehr als vier Millionen Euro verbessern. Grünes Licht vom Kreistag vorausgesetzt, will man Mitte 2020 analysieren, ob das "Konzept mit kurzer Bewährungszeit" greift.
Was halten Sie vom Struktur- und Maßnahmenplan? Zu "sachdienlichen Diskussionsbeiträgen" fordern Landrat Brötel und die weiteren Verantwortlichen explizit auf unter E-Mail: zukunft@neckar-odenwald-kliniken.de.