Atomkraftgegner protestieren im Wasser und an Brücke (Update, plus Fotogalerie)
Umweltschützer wollen mit einer Mahnwache in Gundelsheim (Kreis Heilbronn) dagegen protestieren

Obrigheim. (dpa-lsw) Unter starken Sicherheitsvorkehrungen hat ein Spezialschiff drei Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll auf dem Neckar in das Zwischenlager Neckarwestheim transportiert. Mit Störaktionen versuchten Aktivisten am unteren Neckar ein Spezialschiff mit hoch radioaktivem Atommüll zu blockieren.
Aktivisten protestierten entlang der etwa 50 Kilometer langen Strecke vom stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim gegen die aus ihrer Sicht riskante Beförderung auf dem Fluss. In Gundelsheim ketteten sich fünf AKW-Gegner auf einer Brücke mit Fahrradschlössern und Handschellen an ein Geländer, vier weitere schwammen mit einem Transparent im Neckar. Der Polizei zufolge bestand keine Gefahr für den Transport. Der sogenannte Schubverband passierte die Neckar-Brücke später trotz der Aktivisten. Das Schiff mit ausgedienten Brennelementen wird von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet.
Zuvor waren in der Nähe der Brücke bereits vier Aktivisten der Umweltschutzorganisation Robin Wood in den Neckar gestiegen. Sie trugen gelbe Neoprenanzüge und ein Transparent mit der Aufschrift "Stoppt Castor". Die Wasserschutzpolizei beendete die Aktion nach kurzer Zeit. "Proteste sind dringend nötig, um darauf aufmerksam zu machen, wie konzept- und verantwortungslos Konzerne und Politik mit dem lebensgefährlichen Müll umgehen", sagte Julian Smaluhn von Robin Wood. "EnBW lässt die Bevölkerung die Atommüll-Probleme ausbaden."
Trotz nur geringer Auswirkungen auf den Atommüll-Transport haben die AKW-Gegner am Neckar ihre Störaktion gegen das Spezialschiff als Erfolg bezeichnet. "Wir wollten einmal ein anderes Protestzeichen setzen", sagte Herberth Würth vom Aktionsbündnis "Neckar castorfrei" am Mittwoch. Sowohl der Protest von vier schwimmenden Aktivisten im Neckar bei Gundelsheim als auch das Anketten von fünf AKW-Gegnern auf einer nahen Brücke sei "absolut positiv" verlaufen.
Ein Polizeisprecher bezeichnete die Störaktionen in Gundelsheim als "unspektakulär und friedlich". Die Proteste seien gewaltfrei verlaufen und hätten zu keiner Verzögerung des Transports geführt. "Wir haben die Personalien aufgenommen und einen Platzverweis erteilt. Zu erwarten ist ein Bußgeld", sagte er.
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Der umstrittene Schubverband mit drei Castor-Behältern hatte am frühen Mittwochmorgen gegen 5.35 Uhr am stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim abgelegt. Sein Ziel ist das Zwischenlager Neckarwestheim etwa 50 Kilometer entfernt. In zwei Fahrten im Juni und im September waren bereits je drei Castoren mit Brennelementen nach Neckarwestheim gebracht worden. Die Polizei begleitet das Schiff unter anderem mit Booten, einem Hubschrauber und Einsatzkräften am Ufer.
Hintergrund
Container für hoch radioaktiven Atommüll
Castoren sind spezielle Behälter für radioaktive Abfälle und ausgediente Brennstäbe aus Atomkraftwerken. In diesen Containern kann Atommüll gelagert oder transportiert werden. Castor steht für "Cask for storage
Container für hoch radioaktiven Atommüll
Castoren sind spezielle Behälter für radioaktive Abfälle und ausgediente Brennstäbe aus Atomkraftwerken. In diesen Containern kann Atommüll gelagert oder transportiert werden. Castor steht für "Cask for storage and transport of radioactive material" (Behälter für Lagerung und Transport von radioaktivem Material).
Für den Transport auf dem Neckar wird ein bestimmter Castor-Typ verwendet. Die Behälter bestehen aus Kugelgraphitguss und haben dem Energieversorger EnBW zufolge eine Länge von etwa vier Metern und einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Das tonnenschwere Metall und die aufwendige Abdichtung der Behälter sorgt den Angaben zufolge dafür, dass die von den Brennelementen ausgehende Strahlung keine Gefahr für die Umgebung darstellt.
Ein Castor kann maximal 24 Brennstäbe aufnehmen. Ohne diese Brennelemente wiegt er rund 96 Tonnen, voll beladen rund 107 Tonnen. (dpa-lsw)
Die Termine der Transporte teilt der Energieversorger EnBW nicht vorab mit - mit Verweis auf Sicherheitsbestimmungen. Das Unternehmen plant zwei weitere Transporte mit je drei Behältern. Insgesamt sollen so 342 ausgediente Brennelemente nach Neckarwestheim gebracht werden. EnBW umgeht damit den Bau eines Zwischenlagers in Obrigheim.
AKW-Gegner halten die Beförderung des Atommülls per Schiff für höchst riskant. Beim ersten Castor-Transport auf dem Neckar im Juni hatten sich Aktivisten von einer Brücke abgeseilt und den Schubverband eine Stunde lang blockiert. Die Gemeinde Neckarwestheim hatte versucht, die Transporte auf dem Fluss juristisch zu stoppen. Nach einer Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sieht die Kommune jedoch vorerst keine Erfolgschancen mehr für Klagen.
Hintergrund
Schubverband von Obrigheim nach Neckarwestheim
Für den Atommüll-Transport auf dem Neckar kommt ein Schubverband zum Einsatz. Die Castoren sind auf einem Transportschiff untergebracht, das als Schubleichter bezeichnet wird. Bewegt wird das Schiff von
Schubverband von Obrigheim nach Neckarwestheim
Für den Atommüll-Transport auf dem Neckar kommt ein Schubverband zum Einsatz. Die Castoren sind auf einem Transportschiff untergebracht, das als Schubleichter bezeichnet wird. Bewegt wird das Schiff von einem kleineren Schubboot. Die maximale Länge des Verbands beträgt 107,05 Meter. Ein solches Ausmaß erfordert vor allem in engen Schleusenkammern viel Fingerspitzengefühl. Dem Energieversorger EnBW zufolge verfügen Schubleichter und Schubboot über die Zulassung für den Transport von radioaktiven Stoffen. Der Schubleichter "Lastdrager 40" beinhaltet zum Beispiel eine Doppelhülle mit Kammern, die durch Wände - sogenannte Querschotts - getrennt sind.
Aus EnBW-Sicht ist die Manövrierfähigkeit des Schiffsverbands auch bei technischen Problemen gewährleistet. Das Schubboot "Edda" verfügt demnach über zwei vollwertige Antriebe. Der Verband sei auch dann manövrierfähig, wenn ein Antrieb ausfallen sollte. Darüber hinaus steht das gleichartige Schubboot "Ronja" als Ersatz zur Verfügung. Es kann demzufolge innerhalb weniger Minuten angekoppelt werden. (dpa-lsw)
Update: 11. Oktober 2017, 18 Uhr