Hilfe im Notfall geht nicht aus dem Homeoffice
Der 11. Odenwälder First Responder Tag fand als Hybrid-Veranstaltung statt.

Buchen. (pm) Die Hoffnung der Organisatoren war im Sommer groß, dass der OFIRTA – der "Odenwälder First Responder Tag" – in diesem Jahr wieder über 300 Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern für eine Fortbildungsveranstaltung zusammenführen wird. Bald zeichnete sich aber ab, dass aufgrund der pandemischen Entwicklung nur eine Kombination aus begrenzter Teilnehmerzahl vor Ort und einer Liveübertragung, also eine Hybridveranstaltung, die einzig gangbare Option darstellt. "Ausfallen lassen wollten wir unsere Veranstaltung auf keinen Fall, denn Fortbildung für die Einsatzkräfte ist auch in Corona-Zeiten wichtig und unabdingbar", so Priv.-Dozent Dr. Harald Genzwürker, Sprecher der Gruppe Leitender Notärzte und Organisator des OFIRTA. Mit über 340 notfallmedizinisch Interessierten, davon über 250 im Livestream, setzte sich die hohe Akzeptanz der Fortbildungsreihe bei Hilfskräften aus verschiedenen Einsatzorganisationen auch 2021 fort.
Rund um die Uhr sind First Responder, also qualifizierte Ersthelfer oder "Helfer vor Ort" (HvO), in ihren Gemeinden einsatzbereit, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken und so ehrenamtlich teils unmittelbar lebensrettende Hilfe zu leisten. Für diese unentbehrlichen Helfer organisieren die Leitenden Notärzte in Kooperation mit dem Förderverein psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Neckar-Odenwald-Kreis die Fortbildung.
Ziel der Veranstaltung ist es, durch gemeinsames Lernen und den Austausch zwischen verschiedenen Fachdiensten die Zusammenarbeit bei der Notfallversorgung immer weiter zu optimieren. Dank der Unterstützung mehrerer Sponsoren kann dieses Angebot seit der ersten Auflage 2011 kostenlos angeboten werden.
Der Schirmherr, Landrat Dr. Achim Brötel, dankte den engagierten Helfern für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei zahlreichen Notfällen, aber auch im Rahmen der Pandemiebewältigung. "Helfen im Notfall geht nicht aus dem Homeoffice!", würdigte er die Einsatzbereitschaft der Helfer. Auch Bürgermeister Roland Burger freute sich über den Stellenwert des Ehrenamts, das in Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt liege und "im Neckar-Odenwald-Kreis noch einmal deutlich höher". Der Präsident des DRK-Kreisverbandes Buchen kennt die Aktivitäten nicht nur im Bereich der Notfallmedizin sehr genau und dankte für das Engagement.
Neue Informationen erhielten die Hilfskräfte im Vortrag von Manfred Beuchert, der als Außenstellenleiter des Weißen Rings im Kreis Hilfsangebote für Opfer von Straftaten und Gewaltdelikten vorstellte. Als Polizeibeamter kennt er die Situationen, in denen es Unterstützungsangebote braucht, um die Folgen von kriminellem Handeln abzumildern. Mit einer anderen Perspektive auf Unfälle und andere Notfallereignisse befasste sich Prof. Harald Karutz: Seinen Vortrag "Zuschauer an Notfallorten – Warum gibt es Gaffer?" nutzte er für eine differenzierte Betrachtungsweise menschlichen Verhaltens in Ausnahmesituationen. Er forderte zu einem möglichst gelassenen Umgang mit Zuschauern auf, die mehrheitlich nicht aktiv Rettungsmaßnahmen behinderten, und forderte zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik auf, die über das reine Stigmatisieren "Neugieriger" hinausgeht.
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Einsatztaktische Überlegungen standen im Mittelpunkt des nächsten Vortragsblocks. Aus seinem großen Erfahrungsschatz schöpfend, gab Michael Wucherer, Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL) im Bereich Esslingen praxisnahe Tipps für das Vorgehen bei größeren Einsatzlagen. Besonders schwierig sei für die ersten Helfer häufig, die vorübergehende Einsatzleitung zu übernehmen, statt sich buchstäblich "um den erstbesten Patienten" zu kümmern.
Die Strukturen des rettungsdienstlichen Führungsdienstes im Kreis stellte Jan Albrecht als Sprecher der Gruppe Organisatorischer Leiter vor. Von einem eher improvisierten System ist nach Schaffung klarer Vorgaben durch den Landesausschuss für den Rettungsdienst der OrgL-Dienst mittlerweile an 24 Stunden täglich mit eigenem Einsatzfahrzeug alarmbereit, sodass bei größeren Einsatzlagen rasch eine qualifizierte Führungskraft verfügbar ist. Gemeinsam mit Dr. Genzwürker äußerte er den Wunsch, dass auch der Dienst der Leitenden Notärzte in entsprechender Weise landesweit geregelt wird.
Im Rahmen einer Großübung trainierten Angehörige verschiedenster Hilfsorganisationen am 23. Oktober auf dem Übungsgelände des "Training Center Retten und Helfen" (TCRH) in der ehemaligen Neckartalkaserne in Mosbach. Kreisbrandmeister Jörg Kirschenlohr und Christoph Raabe vom Bereich Feuerwehrwesen und Bevölkerungsschutz des Neckar-Odenwald-Kreises zeigten einige Eindrücke von der vielseitigen Übung "Petrus 21" und wiesen auf erste Aspekte hin, die in die weitere Ausbildung und Zusammenarbeit einfließen sollen.
Ein Herzensthema behandelte Dr. Christian Gernoth, Sektionsleiter Kinderanästhesie am Klinikum Duisburg: Er stellte die aktuellen Empfehlungen zur Kinderreanimation vor, die gerade im Frühjahr aktualisiert wurden. "Nur Drücken reicht hier nicht!", stellte er einen wichtigen Unterschied zur Wiederbelebung Erwachsener dar, denn bei Kindern ist die rasche Beatmung sehr wichtig, aber für beide Gruppen gelte: "Nichtstun ist in dieser Situation immer falsch". Gerade weil Kindernotfälle glücklicherweise relativ selten seien, sollten Einsatzkräfte regelmäßig trainieren und verfügbare Hilfsmittel wie das Notfall-Lineal nutzen.
Mit der für viele Bereiche großen "Herausforderung Pandemie" befasste sich Dominic Burger-Graseck, Kreisbereitschaftsleiter des DRK Kreisverbandes Buchen. Er stellte die Tätigkeiten, Einsätze und Hilfsangebote in Corona-Zeiten dar, mit denen Rotkreuz-Helfer im medizinischen wie sozialen Bereich unterstützend tätig wurden und auch weiterhin sind. Dr. Genzwürker nutzte die Gelegenheit, sich für die großartige Unterstützung der Neckar-Odenwald-Kliniken zu bedanken, ganz aktuell an den reaktivierten Abstrichstellen.
Abschließend fasste Genzwürker für das Organisationsteam die verschiedenen Aspekte dieses Fortbildungstages nochmals zusammen und ermunterte die ehren- und hauptamtlichen Rettungskräfte, ihr Engagement für die Allgemeinheit fortzusetzen. Wichtige Helfer im Hintergrund waren auch beim Jubiläums-OFIRTA die Mitglieder des Kreisauskunftsbüros unter Federführung des DRK Hettingen, die sicherstellten, dass bereits kurz nach Veranstaltungsende die Teilnahmebescheinigungen versandt werden konnten. "Der Termin für den OFIRTA 2022 steht fest – wir haben für den 19. November die Buchener Stadthalle reserviert", schloss der Notfallmediziner den Fortbildungstag. Ob als reine Präsenz- oder Hybridveranstaltung, das könne voraussichtlich erst im Frühjahr entschieden werden.
Info: Die Vorträge der Veranstaltung wurden aufgezeichnet und können in den nächsten Tagen unter www.ofirta.com/live aufgerufen werden.