AKW-Betonmüll aus Obrigheim

Landrat Brötel verweigert die Deponierung in Buchen

Bedenken der Ärztekammer als Grund genannt - Umweltministerium reagiert mit Unverständnis und pocht auf Entsorgungspflicht

12.07.2017 UPDATE: 13.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden

"Stein des Anstosses" ist dieser freigemessene Betonmüll aus dem früheren Kernkraftwerk Obrigheim. Foto: Heiko Schattauer

Buchen/Obrigheim. (Wd) Es gibt mächtigen Krach zwischen Landrat Dr. Achim Brötel und dem Stuttgarter Umweltministerium über die Einlagerung von rund 3.000 Tonnen freigemessenem Betonmüll aus dem im Rückbau sich befindlichen Kernkraftwerk Obrigheim. Mit "Überraschung und Unverständnis" reagierte das Umweltministerium auf ein bislang unbekanntes Schreiben von Landrat Brötel vom 6. Juni an Umweltminister Franz Untersteller, die Annahme freigemessener Abfälle aus Obrigheim generell zurückzuweisen.

Der Landrat bezieht sich dabei auf eine Entschließung der Landesärztekammer, die vor der Verharmlosung möglicher Strahlenschäden durch die geplante Verteilung von gering radioaktivem AKW-Rest-Müll aus den Kernkraftwerken Neckarwestheim, Obrigheim und Philippsburg sowie den Karlsruher Atomanlagen auf die Mülldeponien der Landkreise Ludwigsburg und Neckar-Odenwald sowie der Stadt Heilbronn ausdrücklich warnt.

Die Ärztekammer fordert die Landesregierung auf, sich für eine Verwahrung auch des gering strahlenden Mülls auf den Kraftwerksgeländen einzusetzen, bis definitive und gesundheitlich zu verantwortende Lösungen der Endlagerung gefunden sind.

Der Amtschef des Stuttgarter Ministeriums, Helmfried Meinel, verweist in der Antwort vom 16. Juni an Landrat Dr. Brötel auf die Verpflichtung der Landkreise, die nach der Freimessung zur Beseitigung freigegebenen Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen. Mit Sansenhecken in Buchen verfüge der Neckar-Odenwald-Kreis über eine geeignete zugelassene Deponie, die auch alle Anforderungen freigegebener Abfälle aus Obrigheim erfülle. Ein generelles Zurückweisen dieser Abfälle sei nach geltendem Recht nicht möglich und wäre als "Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz einzuordnen", so Meinel.

Nachdem die Rechtslage bei der Beseitigung freigemessener Abfälle aus dem Rückbau von Kernkraftwerken eindeutig sei, forderte das Ministerium den Landrat auf, entsprechend zu handeln und sicherzustellen, dass der Neckar-Odenwald-Kreis seiner Entsorgungspflicht nachkomme.

Auch interessant
Bürgerinitiative gegen Müllgeschäfte Obrigheim: "Freigemessenen Müll bunkern statt vergraben"
Buchen: Grünes Licht für die Kompostieranlage auf Sansenhecken
: Deponie Sansenhecken ist für Betonmüll vom AKW Obrigheim "ausreichend geeignet"

"An meiner Position wird sich nichts ändern", erklärte der Landrat gestern Abend auf Nachfrage der RNZ. Das Schreiben aus dem Ministerium beinhalte keine Antwort auf die angeführten Bedenken, sei aber hingegen "von Besserwisserei und Ignoranz geprägt". In seinem Schreiben verweist Brötel auf die von der Landesärztekammer Baden-Württemberg umstrittene Entschließung ihrer Vertreterversammlung vom 26. November 2016, die auf der Basis der gemeinsam mit dem Umweltministerium herausgegebenen Pressemitteilung vom 15. Januar 2017 nur vorübergehend vom Netz genommen worden sei. Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses der Landesärztekammer vom 25. Januar 2017 sei diese Entschließung inzwischen hingegen wieder online gestellt. Man müsse davon ausgehen, "dass das trotz Ihrer Intervention nach wie vor die offizielle Position der Landesärztekammer widerspiegelt".

Vor wenigen Tagen habe sich jetzt auch noch der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg in einer Entschließung mit überwältigender Mehrheit gegen eine Lagerung freigemessener Abfälle auf normalen Mülldeponien ausgesprochen und das unter anderem damit begründet, dass die Bevölkerung dadurch "völlig unnötig und vermeidbar zusätzlichen Strahlenbelastungen ausgesetzt" werde.

"An meiner persönlichen Einschätzung zur objektiven Harmlosigkeit des freigemessenen Rückbaumaterials hat sich dadurch nichts geändert. Die subjektiven Befindlichkeiten in der Bevölkerung haben insofern aber mit Sicherheit erhebliche neue Nahrung erhalten." Offizielle Stellungnahmen der Landesärztekammer und des Deutschen Ärztetags, die das vorgesehene Verfahren ausdrücklich ablehnen und explizit vor der Verharmlosung möglicher dadurch hervorgerufener Strahlenschäden warnen, werden in der öffentlichen Diskussion immer das moralisch "höhere Recht" für sich in Anspruch nehmen können, so der Landrat. Das geltet erst recht, als beide Entschließungen offenbar nicht wirklich kontrovers diskutiert worden , sondern mit jeweils großer Mehrheit zustande gekommen seien.

Diese Entwicklung könne er als politisch vor Ort Verantwortlicher nicht einfach negieren. "Ich muss Sie vor dem geschilderten Hintergrund deshalb um Verständnis dafür bitten, dass ich es derzeit weder für sinnvoll noch für politisch verantwortbar halte, freigemessene Abfälle aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) im Zentrum für Entsorgung und Umwelttechnologie "Sansenhecken" in Buchen einzulagern."

Aber auch das Land könne die Bedenken der Gremien der Ärzteschaft nicht einfach mit einem Federstrich zur Seite wischen. Dr. Brötel hielt es für dringend geboten, unter der Moderation des Umweltministeriums und unter Einbeziehung aller betroffenen Landkreise "jetzt endlich in einen Dialog über alternative Szenarien einzutreten. Mit dem Kopf durch die Wand wird sich dieses Thema nämlich meiner festen Überzeugung nach nicht mehr erledigen lassen. Ich habe deshalb die herzliche Bitte an Sie, dass Sie dazu zeitnah die Initiative ergreifen."

Bis zur Klärung sämtlicher offener Fragen habe er die AWN gebeten, "etwaige Anfragen zur Annahme freigemessener Abfälle aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) generell zurückzuweisen."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.