Hitze allein bringt keine Pflanze um
Leiter des Weinheimer Schau- und Sichtungsgartens Hermannshof erklärt die Folgen von Trockenperioden - Er warnt vor Panikmache

Ende des 19. Jahrhunderts brachte der Sammeleifer der damaligen Waldbesitzer die Mammutbäume nach Weinheim. 140 Jahre später macht ihnen Dürre zu schaffen. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Obwohl sie eigentlich in den Bergen Kaliforniens wachsen, wurden die Mammutbäume im Weinheimer Exotenwald zu Symbolen: für Klimawandel, Trockenheit und durstende Wälder. Feuerwehrkräfte rückten im Sommer 2018 in das Waldstück unweit der Altstadt aus und bauten ein Bewässerungssystem auf. Ein Großteil der rund 240, zum Teil 140 Jahre alten Naturdenkmäler wurde gerettet. Jetzt rollt die nächste Hitzewelle. Droht weiteren Baum- und Pflanzenarten das Aus? Oder brauchen Wälder und Gärten neue Bewohner, die Hitze abkönnen?
Cassian Schmidt leitet den Weinheimer Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof. Dieser ist nur wenige Gehminuten vom Exotenwald entfernt. Ja, "Hitzetage" mit Temperaturen über 30 Grad werden häufiger entlang des Oberrheins. Und ja, einige Pflanzen vertragen Dürreperioden weniger gut als andere. Daraus ließen sich indes keine Pauschalaussagen ableiten - und erst recht keine Panikmache, sagt er.
"Ob eine Pflanze überlebt, hängt weniger von der Art ab, sondern vielmehr vom Standort", so der Landschaftsarchitekt mit Lehrauftrag an der Hochschule Geisenheim. "Wo die Böden flach und durchlässig sind, kann man die Schäden vom letzten Jahr gut beobachten", sagt er - und meint nicht zuletzt die Kiefernwälder im Norden Mannheims oder bei Darmstadt. Auch Fichten und Buchen vertrügen Hitze und Trockenheit schlecht. Gewinner seien dagegen Arten wie Eiche oder Kastanie. "Der Pflanzenbewuchs wird sich wohl an einigen Stellen ändern", so Schmidt. Eine Steppe im Oberrheingraben drohe indessen nicht.
Ein weniger weit in die Zukunft weisendes Argument gegen Panikmache ist der bisherige Verlauf dieses Sommers: "Nach den Regenfällen im Mai und Anfang Juni sind die Böden besser versorgt als 2018, als die Trockenheit fast die ganze Vegetationsperiode umfasste", so Schmidt. Zwar seien die Wasserspeicher bis heute nicht vollständig aufgefüllt; aber immerhin konnten die Bäume 2019 austreiben, ohne zu dursten: "Wenn es erst gegen Ende der Vegetationsperiode trocken wird, ist das einfacher zu verkraften."
Auch interessant
Und: Damit eine Hitzeperiode gefährlich wird, muss sie mehr als zwei Wochen lang anhalten: "Kurze Hitzewellen vertragen Pflanzen gut, da sind sie dem Menschen sogar voraus", so Schmidt. Mittel- bis langfristig aber gelte, dass der Klimawandel auch die sensiblen Frühjahrsmonate heißer macht.
Apropos Klimawandel: Das Problem für die Pflanzenarten dieser Region ist nicht der Wandel an sich: "Darauf reagiert die Natur, indem sich die anpassungsfähigen Exemplare fortpflanzen und ihre Gene weitergeben. Das Tempo der Genetik kann aber nicht mit dem des Klimawandels mithalten." Zudem dieses Prinzip eh nur in naturbelassenen Gebieten greift: "In den meisten Wäldern regelt der Förster, was wächst und gedeiht." In einigen Gebieten werden neue Arten gepflanzt. Das gelte auch für den "Hitzeraum" Stadt, so Schmidt. So testet der Hermannshof Konzepte für heimische Pflanzen, aber auch für Exemplare aus Osteuropa: Dort sind die Sommer trockener.
Sollten sich Gartenbesitzer ein Beispiel nehmen? Schmidt rät dringend dazu, zu differenzieren. "Gärten sind meist nährstoffreich. Stress-tolerante Pflanzen lieben magere Böden." Erst wenn die Pflanzen im Garten dauerhaft "die Flügel hängen lassen", sei es Zeit, zu reagieren. Auch in den Gärten hätten Arten gelitten, deren "Heimat" weit entfernt ist. Beispiele sind Scheinzypresse und Thuja. "Sie leiden an einem Pilz, der nicht behandelbar ist." Allerdings könne man ebenso Hainbuche, Liguster oder Feldahorn pflanzen: "Die bieten genauso Sichtschutz." Auch der Exotenwald und die Mammutbäume werden noch eine Weile stehen. Nur zwei Exemplare sind wohl definitiv verloren. Sie gehen an Wassermangel und Triebsterben zugrunde. Letzteres ist eine Folge von Pilzbefall. Das teilt der Rhein-Neckar-Kreis mit, dem der Wald heute gehört. Der eher feuchte Frühsommer habe den meisten dieser Bäume aber gutgetan.