Für die Igel wird der Winter hart
Futterknappheit, Wassermangel, Parasiten und Mähroboter machen dem stacheligen Wildtier zu schaffen.
Von Sandra Kettenmann
Angelbachtal/Mudau/Sandhausen. Für Igel ist es jetzt an der Zeit, sich die nötigen Winterreserven auf "die Hüften" zu futtern. Denn spätestens im Dezember beginnt für sie die Winterruhe. Falls das Stacheltier bis dahin nicht das nötige Gewicht erreicht hat, wird es den Winter wohl nicht überstehen.
Für die Tiere ist das der gewohnte Lauf der Zeit. Aktuell versorgen die Weibchen noch ihre Jungen. Die Männchen verabschieden sich in der Regel früher in die Winterruhe. Danach folgen die Weibchen und gen Weihnachten dann auch die Jungtiere. Doch der heiße und trockene Sommer fordert seinen Tribut.
Igelstationen in der Region berichten schon seit Wochen von einer "Igel-Schwemme". Anja Weis von der privaten Wildtierhilfe in Angelbachtal zählt 33 Igel, die sie aktuell versorgt. "So viele hatten wir letztes Jahr erst im November."
Das bestätigt auch Ulrike Pachzelt, von der Igel-Insel in Mudau. Im Gespräch mit der RNZ-Redaktion sind für beide Tierschützerinnen die Gründe klar: Der Sommer war zu heiß, was für Futter- und Wasserknappheit sorgte. Die Temperaturen begünstigten die Verbreitung von Parasiten wie Flöhen und Zecken – und dann ist da noch der Mensch.
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"Viele lassen ihre Mähroboter über Nacht ihre Arbeit verrichten. Also genau in dieser Zeit, wenn die Igel auf Futtersuche sind." Beide Frauen berichten von Tieren mit abgetrennten Gliedmaßen und schweren Verletzungen. "Wenn uns die verletzten Igel gebracht werden, können wir sie oftmals nur noch erlösen. Alles andere wäre Tierquälerei", erläutert Pachzelt.
Wichtig sind für Igel die naturnahen Gärten – egal zu welcher Jahreszeit. Im Sommer finden sie dort Nahrung, im Winter einen geeigneten Unterschlupf. Viele stellen deshalb Vogeltränken auf den Boden, damit auch der Igel an sein Wasser kommt. Aber: "Das ist nicht immer gut. Wenn Vögel an die Wasserschalen kommen, breiten sich schnell Kokzidien aus", erläutert die Igelschützerin aus Mudau.
Kokzidien gehören zu den Endoparasiten und sie befallen den Darmtrakt der Wildtiere. Das Immunsystems eines gesunden Igels kann einen solchen Befall verkraften. Das eines geschwächten Igels nicht. "Wir hatten dieses Jahr viele Tiere mit Lungen- und Darmparasiten. Sogar Jungtiere, die noch gesäugt wurden", berichtet Anja Weis. Für sie liegen die Ursachen im heimischen Garten: Schlechtes Wasser, falsches Futter, kein Unterschlupf und der Einsatz von Insektiziden. 2020 setzte der BUND den Igel bereits auf die "Rote Liste" und rief für das stachelige Säugetier die Alarmstufe aus.
Hintergrund
> Notruf-Hotline 0800/723 57 50 (kostenlos)
> Private Wildtierhilfe Angelbachtal, 0163/9136787
> Igelnest Mannheim, 0176/63454636
> Igel-Insel e.V. Mudau, 06284-9295285
> Tierhilfe Forst e.V. in Waghäusel, 07255 / 7689940
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> Notruf-Hotline 0800/723 57 50 (kostenlos)
> Private Wildtierhilfe Angelbachtal, 0163/9136787
> Igelnest Mannheim, 0176/63454636
> Igel-Insel e.V. Mudau, 06284-9295285
> Tierhilfe Forst e.V. in Waghäusel, 07255 / 7689940
> Weitere Informationen, Hilfe und Tipps unter www.pro-igel.de oder www.igelverein.de oder auf Facebook unter Igel-Notnetz e.V.
Eine weitere Hiobsbotschaft aus dem Igel-Helfer-Netzwerk für Weis und Pachzelt: Die private Wildtierhilfe Sandhausen pausiert über den Winter. Jeanette Plehn-Mahler und ihre Familie versorgten in der letzten Saison 85 Igel aus der gesamten Region. "Ich bekomme Anrufe aus Weinheim, Heidelberg, Mannheim und sogar dem Schwarzwald", erzählt Plehn-Mahler im Telefonat mit der RNZ-Redaktion. Zu den Igeln kamen in diesem Jahr noch eine Vielzahl an Greifvögeln, Störchen, Tauben, Singvögeln, Füchsen und 138 Eichhörnchen. "Eichhörnchen aufzupäppeln, gibt mir Kraft. Doch dieses Jahr war einfach zu anstrengend."
Die Tierschützerin aus Sandhausen berichtet von vielen Baby-Eichhörnchen, die eine 24-Stunden-Betreuung benötigen. "Die Mütter waren durch die hohen Temperaturen lange auf Nahrungssuche. Dadurch wurden die Babys im Kobel unruhig. Zappelten, machten auf sich aufmerksam, kletterten hinaus und stürzten ab", schildert sie.
Auf Facebook gab sie die dreimonatige Pause der Wildtierstation in Sandhausen bekannt: "Wir schließen unsere Station von November bis Januar. Die Saison dieses Jahr, hat mit 138 Eichhörnchen und den anderen Pfleglingen, sehr an unseren Kräften gezehrt und darum machen wir, aus gesundheitlichen Gründen drei Monate zu."
Plehn-Mahler verweist aber auch auf weitere Igel-Stationen, helfende Hände, ein funktionierendes Netzwerk und eine Notfallnummer. Auch appellieren die Tierschützerinnen an die Bürgerinnen und Bürger, einen Blick für die Igel in Not zu haben.
Tipps von den Expertinnen:
- Ist ein Igel am Tag auf Wanderschaft, benötigt er Hilfe.
- Entspricht der Körper einer Apfelform, stimmt das Gewicht. Eine Birnenform deutet auf Unterernährung hin.
- Die Steigerung zur Birnenform ist der sogenannte "Hungerknick". Eine große Falte, Kerbe zwischen Kopf und Körper.
- Rollt sich ein Igel bei Gefahr nicht ein, ist er womöglich verletzt oder krank.
- Ein naturnaher Garten bietet Futter und Schutz.
- Wasser und Igelfutter oder Katzentrockenfutter bereitstellen, wenn sich ein Igel im Garten einquartiert hat.
- Mähroboter über Nacht abschalten.