Mobilitätspakt sucht Wege aus dem Chaos
Auch Baden-Württemberg macht mit - Vor großen Lösungen gilt es aber zuerst, "das Schlimmste abzuwenden"

Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. "Wir sollten nicht zu viel erwarten", dämpft Christian Specht bei der Debatte im Planungsausschuss der Metropolregion allzu hohe Erwartungen. Immerhin kann sich der Mobilitätspakt jetzt an die Arbeit machen, nachdem am Donnerstagabend auch das baden-württembergische Verkehrsministerium seine Teilnahme zugesagt hat. Damit sitzen alle drei Bundesländer mit am Tisch. Und wollen der von einem Verkehrschaos gebeutelten Region helfen, "das Schlimmste zu verhindern", wie Specht als Ausschuss-Vorsitzender am gestrigen Freitag sagt.
Hilfreich wären in der aktuellen Situation verlässliche Zahlen zu den aktuellen und erwartbaren Verkehrsströmen. Allerdings braucht das Karlsruher Büro Inovaplan noch rund zwei Jahre, bis es ein voll funktionsfähiges Verkehrsmodell erstellt hat. Bis dahin ist Krisenmanagement angesagt. Die Region bekommt nun die Quittung dafür, dass zu viele Straßen "auf Verschleiß" befahren worden sind, weiß Verbandsdirektor Ralph Schlusche - der sich den Unmut mancher Ausschussmitglieder zuzieht, als er den "Kernraum" entlang der A 6 und A 61 bei Mannheim und Ludwigshafen definiert.

Einig sind sich die die Ausschussmitglieder dagegen darin, dass der Mobilitätspakt nicht nur die Straßen unter die Lupe nimmt, sondern "ganzheitlich" auch andere Verkehrswege wie Schiene, Wasser oder Seilbahnen. Lösungsmöglichkeiten werden in Arbeitsgruppen zusammengetragen. Die Verkehrsverbände überlegen angesichts der dauerhaft dichtgemachten Hochstraße Süd in Ludwigshafen bereits, wie noch mehr Pendler durch verlängerte Straßenbahnen über den Rhein befördert werden können.
Die schnellsten Ergebnisse erwartet Specht von der Gruppe, die unter der Führung der Industrie- und Handelskammer angesichts vollgestopfter oder gesperrter Strecken zwischen der Pfalz und Nordbaden Konzepte zu Jobticket-Modellen, flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten entwirft. Noch in diesem Jahr sollen sich die Staatssekretäre aus den drei Bundesländern auf erste Maßnahmen einigen, die Minister dann Anfang 2020 die Projekte auf den Weg bringen. Die Länder sind wichtig wegen der Finanzierung von Vorhaben, aber auch als Türöffner zum Bund. Berlin, Stuttgart und die Kommunen des öffentlichen Nahverkehrs entscheiden. Der Metropolregion kommt hier lediglich eine koordinierende Funktion zu. Wobei dies aus Sicht von Specht nicht in Stein gemeißelt sein muss. Langfristig sollte der Regionalverband mehr Macht und Befugnisse erhalten.
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Hans-Ulrich Ihlenfeld (CDU) freut sich über den Mobilitätspakt als bisher fehlende regionale Plattform und wirbt in der Debatte für eine dritte Rheinquerung bei Altrip, die Specht für "dringend notwendig" hält und die auch die Freien Wähler geprüft haben wollen. Wilfried Weisbrod erinnert daran, dass die Region diese Idee vor Jahren verworfen und in die Schublade gesteckt hat. "Dieses Fass sollten wir zulassen."
Gottfried Störmer (SPD) bringt weitere Fähren und Wassertaxis ins Spiel. Wobei sich zumindest Christian Specht nicht zu viel davon spricht. So könne etwa die Rheinfähre Altrip täglich nur 1500 Fahrzeuge befördern, und auch nur dann, wenn es kein Niedrigwasser gibt. Neben der dritten Rheinquerung kann sich Hans Zellner (Freie Wähler) weiterhin eine Seilbahn vorstellen. Doch auch bei diesem Vorschlag fehlt Specht "die Fantasie", dass er Wirklichkeit werden könnte. Das Problem bei sämtlichen dieser Ideen ist, dass sie viel Zeit bräuchten. Deshalb legt Specht den Schwerpunkt eher auf kurzfristigere Ansätze. "Wer weiß, vielleicht kann die Hochstraße Süd ja doch schneller saniert werden."
Und man müsse hinterfragen, warum die S-Bahnen in der Region nur zu 60 Prozent ausgelastet seien. Gegen Park-and-Ride-Parkplätze an Haltestellen formiere sich bereits Widerstand in den Kommunen. Wenn das so weitergehe, müsse der Verband darüber nachdenken, Zwang auszuüben und "Vorranggebiete" dafür auszuweisen. Es könne nicht sein, so Specht, dass täglich 40.000 Fahrzeuge durch Mannheim und Ludwigshafen rollten, die beide Großstädte weder als Ziel- noch Abfahrtsort hätten.
Zumindest habe jetzt die Politik in den drei Landeshauptstädten mitbekommen, dass in der Region "Land unter" herrscht.