Wer darf jetzt eigentlich über die Windkraft-Standorte entscheiden?
Der Rhein-Neckar-Kreis hat in Sachen Windkraft erheblichen Nachholbedarf. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam.

Von Harald Berlinghof und Stefan Hagen
Rhein-Neckar. "Was habe ich dafür schon für Lebenszeit geopfert", seufzt Claudia Felden und macht ein Gesicht, dass man fast Mitleid bekommen könnte. Es geht um die Windkraft im Allgemeinen und um Genehmigungen, um Pläne, um Investoren, um Proteste, um Unklarheiten beim Baurecht im Speziellen. Auf dieses Thema angesprochen, reagiert die Vorsitzende der FDP-Fraktion im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises momentan stark genervt bis leicht gereizt.
Bekanntlich gibt es im Rhein-Neckar-Kreis derzeit keine einzige Windkraftanlage, die für saubere Energie sorgt. Das muss, das soll und das wird sich ändern. Doch gerade auf diesem wichtigen Feld schlägt die deutsche Bürokratie gnadenlos und unbarmherzig zu. Felden ist beileibe nicht die einzige Protagonistin, die der Verzweiflung nahe ist.
Exemplarisch für diese komplizierte Gemengelage steht das Kuddelmuddel um den geplanten Windpark "Lammerskopf". Schon bei den Zuständigkeiten rauchen hier die Köpfe: Welche Pläne – die so schöne Namen tragen wie "Teilregionalplan Windenergie zum Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar" – haben rechtsgültigen Charakter? Wer ist überhaupt befugt, welche Entscheidungen zu treffen? Die Stadt Neckargemünd, die Flächen im südlichen Teil des Gebiets Lammerskopf besitzt, der Landesbetrieb Forst BW, der Eigentümer des größten Anteils der Fläche ist oder der Verband Region Rhein-Neckar? Auch die Stadt Heidelberg ist mit einem kleinen Anteil der Flächen mit im Spiel. Und nur für diese Flächen kann auch der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim und sein Flächennutzungsplan eine Rolle spielen, weil sowohl Neckargemünd als auch Schönau im Odenwald nicht mehr zum Nachbarschaftsverband dazu gehören.

Und diese Verwirrung hat sich jetzt Forst BW quasi zunutze gemacht und eine Ausschreibung am Verband Region Rhein-Neckar vorbei auf den Weg gebracht. Man ist auf der Suche nach Investoren für Windanlagen und würde damit vollendete Tatsachen schaffen – zumindest für diejenigen Flächen, die im Besitz des Landes Baden-Württemberg sind. Was wiederum Claudia Felden mächtig auf die Palme bringt.
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"Es gibt aktuell kein Baurecht für Windräder am Lammerskopf, da es dort kein Vorranggebiet gibt." Zuständig sei nach derzeitiger Rechtslage der Verband Region Rhein-Neckar und sonst niemand. "Meiner Meinung nach muss man von Forst BW erwarten können, dass sich die dort zuständigen Personen an die vom Landesgesetzgeber vorgegebene Reihenfolge halten", hatte die Liberale in der RNZ gezürnt.
Bei Forst BW hingegen gibt man sich betont gelassen. Man bewege sich innerhalb des rechtlich möglichen Rahmens, teilt der Landesbetrieb auf RNZ-Anfrage mit. Man sei "im Austausch mit den jeweiligen Regionalverbänden", also auch mit dem Verband Region Rhein-Neckar. Und zum Zeitpunkt der Ausschreibung der Forst BW-Flächen am Lammerskopf habe es seitens des Verbandes Region Rhein-Neckar keine erkennbaren Einwände zu den ausgeschriebenen Flächen gegeben.
Der Kritik der FDP entgegnet man, dass gegenwärtig auf dem Lammerskopf im Außenbereich ein solches Vorhaben baurechtlich zulässig sei. Man gesteht allerdings ein, dass der Verband Region Rhein-Neckar mit seiner laufenden Planung dies verhindern kann. "Allerdings müssen die Pläne rechtlich erst wirksam werden". Man gehe aktuell aber davon aus, dass der für Windkraft prädestinierte Bereich am Lammerskopf in der Regionalplanung enthalten sein werde.
Und an dieser Stelle wird es, wie kann es hierzulande auch anders sein, so richtig kompliziert. Zunächst: Damit der Regionalplan überhaupt wirksam werden kann, müssen 1,8 Prozent der Fläche der Metropolregion für Windkraftanlagen zur Verfügung stehen. Und diese ominöse Zahl könnte zum Problem für potenzielle Investoren werden – beispielsweise bei den Forst BW-Flächen auf dem Lammerskopf. Denn zum jetzigen Zeitpunkt, also zwei Jahre vor dem Datum, ab dem die prozentuale Vorgabe von 1,8 Prozent der Fläche erreicht werden muss, enorme Summen für solche Anlagen in Bereichen ohne Vorrangstatus zu investieren, ist ein finanzielles Risiko, weil man gar nicht wissen kann, ob die Fläche nach 2025 überhaupt noch zur Verfügung steht.
Denn schafft der Verband das 1,8-Prozent-Ziel, dann erhält der Regionalplan Rechtskraft. Und dann sind Windanlagen nur noch auf Flächen zulässig, die dort oder in Bauleitplänen für Windenergie ausgewiesen sind. Deshalb werden mögliche Investoren ganz genau hinschauen, was zumindest im Entwurf der Fortschreibung des Regionalplans Windenergie, der Ende des Jahres vorgelegt werden soll, enthalten ist.
"Investoren brauchen Planungssicherheit, sonst riskieren sie, dass die Anfangsinvestitionen verbrannt sind", sagt dazu Erster Landesbeamter Stefan Hildebrandt. Es bestehe definitiv die Gefahr, dass alle Planungen dann Makulatur seien, ergänzt Kreisrat Stefan Geißler. "Das ist doch der Wahnsinn!", zeigt sich der stellvertretende Fraktionssprecher der Grünen entsetzt. "Das alles hat das Land versemmelt", nennt Ralf Göck den seiner Meinung nach Schuldigen an dem ganzen Schlamassel. "Da wurde von oben runter eine Menge falsch gemacht", sagt der Brühler Bürgermeister und SPD-Fraktionschef im Kreistag.
Ein anderes Problem in Sachen Windkraft nennt John Ehret beim Namen. "Immer weniger Bürgerinnen und Bürger wollen Windkraftanlagen in Waldgebieten akzeptieren", sagt der Kreisrat der Freien Wähler und Bürgermeister von Mauer. Das mache die Planungen auch nicht einfacher. Denn während der Wald der Gemeinde gehöre, seien es in der sogenannten Offenfläche manchmal bis zu 50 Grundstücksbesitzer. "Und die muss man erst einmal unter einen Hut bringen", lächelt Ehret gequält.
"Und was ist mit dem ,überragenden öffentlichen Interesse’ beim beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien?", bringt Frank Werner, Bürgermeister von Angelbachtal und CDU-Fraktionschef, eine weitere Unbekannte ins Spiel. Da könnte so manches noch ganz anders kommen ...