Digitaler Stadtplan für soziale Projekte
Der erste Platz beim Demokratiepreis geht an den freien Radiosender "Bermudafunk". Auch das Engagement gegen Fake News wurde geehrt.

Von Marco Partner
Mannheim. Sie wollen die stillen Träger der Demokratie sicht- und vor allem hörbar machen: Seit einem Jahr erstellt der freie Radiosender Bermudafunk eine digitale Audio-Stadtkarte, um den vielen Facetten zivilgesellschaftlichen Engagements eine Stimme zu geben. Am Montag ist das Projekt "Mannheim Under Construction" mit dem Demokratiepreis ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung im Alevitischen Kulturzentrum rücken auch Rassismus im Alltag, der Umgang mit Fake News und der Austausch zwischen ukrainischen und deutschen Schülern in den Fokus.
Zum dritten Mal wird der von einem Bürgerbündnis aus Kirche, Kultur, Schule und Sport ins Leben gerufene Mannheimer Demokratiepreis am Tag der Deutschen Einheit verliehen. Bei der Premiere 2020 gewann die Alevitische Gemeinde den Sprachpreis für ihre Social-Media-Aktion "Colorful is beautiful!". Passanten konnten bei Straßeninterviews von ihren Rassismus-Erfahrungen erzählen. Nun fungierte die seit 1992 in Neckarau existierende Gemeinde als Ausrichter. "Gerade in diesem Jahr hat der Preis mit den Kriegen in Europa und außerhalb eine noch viel wichtigere Bedeutung für uns. Das Würdigen von Projekten, die sich auch in schweren Zeiten für Demokratie einsetzen, soll und muss fortgesetzt werden", betonte der Vorsitzende Baris Yilmalz.
Offen auf andere zugehen, und nicht nur "über" sie berichten, sondern sie selbst zu Wort kommen lassen: Diese Idee verfolgt die Literaturwissenschaftlerin Christina Gehrlein von Bermudafunk. Herausgekommen ist eine stetig wachsende, sprechende Stadtkarte, in welcher Initiativen wie "Oma gegen Rechts", das Queere Zentrum oder die koloniale Spurensuche erst angeklickt, und dann angehört werden können. "Man findet nicht einfach Adressen, sondern soziale Angebote und Projekte. Der gut gemeinte Rat ‚Tue Gutes und rede darüber‘ wird bei ‚Mannheim Under Construction‘ digital umgesetzt. Das Projekt holt Menschen, die Gutes bewirken aus der urbanen Anonymität und schenkt ihnen Gehör", begründete Lars Treusch vom DGB Nordbaden die Wahl für den ersten Platz des Demokratiepreises.
Den zweiten Preis erhalten ukrainische und deutsche Teenager, die sich mit der Evangelischen Jugend und der Jungen Diakonie auf eine Berlin-Reise begaben, um etwas über deutsche Geschichte zu erfahren, um Antworten auf Fragen zu finden, die um die Vergangenheit eines einst geteilten Lands, aber auch um ukrainische Gegenwart und Zukunft kreisen. "Eine einmalige und sehr prägende Lernerfahrung", betonte Aneliya Doeva-Neumüller, Vorsitzende des Interkulturellen Hauses.
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"Heute machen wir die Erfahrung, wie sehr die Demokratie unter Druck steht. Die Zahl der demokratischen Staaten nimmt zum ersten Mal seit Langem ab statt zu", verdeutlichte Oberbürgermeister Peter Kurz mit Blick auf das weltpolitische Geschehen. Der aktuelle Protest vieler iranischer Frauen zeige aber auch, um welche enormen Werte es geht. "Doch je geringer das historische Bewusstsein über die eigene Vergangenheit ist, desto stärker sind Demokratien gefährdet", fügte der Rathauschef hinzu.
Gegen die Verbreitung von Fehlinformationen macht sich die Initiative "Freizeit- und Musikkultur" stark. Seit 2015 leistet sie Aufklärungsarbeit im Kampf gegen Fake News. Nun wird man ab Dezember mit dem bekannten Fakten-Check-Blog "Die Volksverpetzer" an verschiedenen öffentlichen Orten und Schulen in Mannheim das Ausstellungsprojekt "Fakten gegen Klima-Fake" präsentieren, das mit dem dritten Preis gewürdigt wird. "Unsere Demokratie lebt auch von Informationen, um sich ein eigenes Bild machen zu können, auf der Basis von Fakten. Doch schon die Flüchtlingskrise zeigte, dass Desinformation die Achillesferse unserer Demokratie ist", zeigt Dekan Ralph Hartmann in seiner Laudatio auf.
Die diesjährigen Gewinner des Sprachpreises rückten ebenfalls Rassismus im Alltag in den Mittelpunkt. Das Theaterprojekt "Schwarzweißbunt", das vom Kunstkollektiv "km42", dem Landesverband der Sinti und Roma sowie der Abendakademie realisiert wurde, gibt authentische Erlebnisse von Diskriminierung im Job, bei der Wohnungssuche oder der Fahrzeugkontrolle in Form eines dramaturgischen Stückes wieder.
"Ein soziokulturelles Thema wurde in bühnenreifer Sprache inszeniert und aufgezeigt, welche demokratiegefährdenden Entwicklungen unsere Vielfaltsgesellschaft bedrohen", lobte Heidrun Deborah Kämper vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache. "Wir haben nur das getan, was alle tun sollten: offen aufeinander zugehen, egal woher wir kommen", sagte Initiator Stefan Ricksäcker vom "km42".
Info: Der Demokratiepreis würdigt Projekte, die sich in herausragender Weise mit der Demokratie und ihren vielfältigen Facetten auseinandersetzen. Die vier Preise sind insgesamt mit 6000 Euro dotiert.