AfD-Kandidat darf bei OB-Wahl nicht antreten
Vor dem Termin im September sorgt die OB-Wahl in Ludwigshafen für Aufsehen. Joachim Paul von der AfD – der Partei, die bei der Bundestagswahl in der Stadt stark abschnitt – darf nicht kandidieren.

Von Mona Wenisch, Christian Schultz und Alexander Albrecht
Ludwigshafen. Drei Männer und eine Frau dürfen bei der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen am 21 September kandidieren. Gesucht wird die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Jutta Steinrück, die für eine zweite Amtszeit nicht mehr zur Verfügung steht.
Die ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments war im Sommer 2023 aus der SPD ausgetreten und führt seither parteilos die Rathausgeschäfte. Zuvor soll es mehrere Konflikte zwischen der heute 62-Jährigen und der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion unter anderem um Bauvorhaben und dem Umgang mit Haushaltsschulden gegeben haben. Zudem kritisierte Steinruck immer wieder die aus ihrer Sicht mangelnde finanzielle Unterstützung Ludwigshafens durch die SPD-geführte Landesregierung.
Für die Genossen bewirbt sich nun Jens Peter Gotter. Der 53-jährige IT-Unternehmer aus Speyer ist erst seit etwas mehr als einem Jahr Parteimitglied, die SPD nennt ihn selbst einen "ungewöhnlichen Kandidaten". Dass er Volkswirtschaftslehre studiert hat, ist keine schlechte Voraussetzung in einer Stadt, die rund 1,5 Milliarden Euro Schulden hat.
Mit Rechtsanwalt Martin Wegner (57) wirft ein zweites SPD-Mitglied seinen Hut in den Ring – allerdings nicht als Bewerber seiner Partei, sondern als unabhängiger Aspirant um das höchste Amt der Chemiemetropole. Einer möglichen internen Kampfkandidatur gegen Gotter stellte sich Wegner nicht.
Dritter im Bunde ist Klaus Blettner, der von "seiner" CDU und den Freien Wähler vorgeschlagen wird. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen ist kommunalpolitisch ein mehr oder weniger unbeschriebenes Blatt und gehört erst seit einem Jahr dem Stadtrat an. Der 56-Jährige will im Falle eines Wahlsiegs ein Bündnis auf den Weg bringen, das die Wohnungsnot lindern soll.
Lediglich Außenseiterchancen werden Michaela Schneider-Wettstein (45) von der Partei Volt eingeräumt. Die gebürtige Ludwigshafenerin ist Referentin für Inklusion mit Fokus auf digitale Barrierefreiheit und Chancengleichheit an der Goethe-Universität Frankfurt. Schneider-Wettstein setzt sich für die soziale Teilhabe aller Menschen ein.
Dieses Quartett hat der Wahlausschuss jetzt für den Urnengang zugelassen – im Gegensatz zu Joachim Paul, dessen Kandidatur das Gremium mehrheitlich wegen Bedenken an der Verfassungstreue des AfD-Politikers ablehnte. "Hintergrund sind Zweifel daran, dass der Bewerber die gesetzlich vorgegebenen Anforderungen erfüllt", schrieb eine Sprecherin der Stadt. "Konkret geht es dabei um die Frage, ob der Bewerber die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt."
Vorausgegangen war ein Schreiben aus dem Innenministerium in Mainz, in dem öffentliche Aussagen Pauls zusammengetragen worden waren. Dies habe die Stadt angefragt, sagte ein Ministeriumssprecher. Paul selbst äußerte sich zu der Entscheidung: "Wählen bedeutet Auswählen. Unter verschiedenen Kandidaten." Genau das werde nun verhindert.
"Die Wähler in Ludwigshafen und alle jene, die auf grundsätzlichen Wandel hoffen und ihn mit der Wahl der AfD verbunden haben, sind heute um ihre Stimme betrogen worden." Wer immer am Ende Oberbürgermeister werde, derjenige habe das Amt dann einer undemokratischen Wahl zu verdanken.
Der 55-Jährige ist Lehrer, kommt aus Koblenz und gilt als einer der schärfsten Redner in der AfD-Fraktion im Landtag in Mainz. Paul ist seit 2013 Mitglied der vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuften Partei und 2016 in den Landtag eingezogen. Bei der Landtagswahl 2021 schielte Paul zunächst auf die Spitzenkandidatur der AfD, zog dann aber zugunsten von Michael Frisch zurück.
2019 wollte er Landesvorsitzender der AfD werden. Seinerzeit galt er lange als aussichtsreichster Kandidat, zog dann aber zurück. Zuvor war der Vorwurf laut geworden, er habe vor Jahren einen Beitrag für eine NPD-nahe Zeitschrift verfasst, was er bestreitet.
Ebenfalls 2019 war Paul von den Fraktionen von SPD, CDU, FDP und Grünen als Vorsitzender des Medienausschusses des rheinland-pfälzischen Landtags abgewählt worden. Als Grund nannten die Fraktionen "Hinweise über die Verbindung des Abgeordneten Joachim Paul zu rechtsextremem Gedankengut". Im Februar dieses Jahres war Paul bei den Landratswahlen des Rhein-Pfalz-Kreises angetreten.
Er erreichte im ersten Durchgang 19,5 Prozent der Stimmen und verpasste damit die Stichwahl. Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier, Vizechef der AfD Rheinland-Pfalz, kündigte an, seine Partei werde sich mit allen juristischen Mitteln gegen den Ausschluss Pauls bei der Oberbürgermeisterwahl wehren.
Wahlberechtigt in der zweitgrößten Stadt des Bundeslandes sind nach Rathausangaben insgesamt 122 000 Menschen. Sollte am 21. September kein Kandidat und keine Kandidatin mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten, findet am 12. Oktober eine Stichwahl statt.