Malteser-Team machte mit seinem Wärmebus Station
Menschlichkeit ist ihr Service. Die Zahl der Obdachlosen nimmt immer mehr zu.

Von Stefan Kern
Ketsch. Der Wärmebus der Heidelberger Malteser ist seit Januar in Ketsch unterwegs und hat sich inzwischen für Obdachlose und bedürftige Menschen zu einer unverzichtbaren Institution entwickelt. An den zwei Abenden in der Woche, an denen das Helferfahrzeug auf der Straße ist, werden rund 50 bis 60 Menschen betreut. Tendenz steigend, weiß Malteserin Daniela Pielorz. Immer mehr Personen fielen durch das Raster.
Natürlich habe Corona erheblich zu dieser Entwicklung beigetragen. "Aber es ist nicht nur das Virus", so Pielorz. Die Zahl der Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, steige schon seit längerer Zeit. Aus diesem Grund stehen die Malteser an diesem Samstag auf dem Rewe- und Aldi-Parkplatz in der Hockenheimer Straße. Pielorz’ Kollege ergänzt, man wolle den Bus bekannter machen, "denn wir sind auf Spenden angewiesen".
Wie viele Menschen in Deutschland obdachlos sind, weiß so genau niemand, bis heute gibt es keine verlässlichen Zahlen darüber. Im kommenden Jahr, so hat das Statistische Bundesamt angekündigt, soll sich das ändern und eine jährliche Statistik vorgelegt werden. Eine Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bezifferte die Zahl der Betroffenen im Jahr 2018 auf knapp 680.000.
Erschreckend ist der Zuwachs bei den Familien. Auch hier gibt es keine genauen Zahlen, und Kinder dürften in Deutschland eigentlich gar nicht auf der Straße landen. Doch das ist immer häufiger der Fall. Die Unterbringungsmöglichkeiten halten mit der wachsenden Nachfrage nicht mit. Die Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft trifft das subjektive Gefühl der vier Malteser in Ketsch ziemlich gut.
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Nicht vergessen werden dürfe, so Senf und sein Kollege, Harald Dettenborn, dass hinter jeder Zahl ein Mensch mit seiner individuellen Geschichte stehe. Manchmal sei diese Geschichte "eine Tragödie". Da komme der Mann zu den Helfern, der seinen Minijob verloren hat, die Miete für sein Zimmer nicht mehr bezahlen konnte und sich innerhalb kurzer Zeit auf der Straße wiederfand. Oder der Lkw-Fahrer, der wenige Jahre vor seiner Rente in einen Unfall verwickelt wurde und nun so heftige Abschläge bei der Altersversorgung verkraften muss, dass das Geld unmöglich bis Ende des Monats reichen kann. Oder die Rentnerin, die sich nicht jeden Tag ein warmes Essen leisten kann. Diese Schicksale sind es, die das 25-köpfige Wärmebus-Team motivieren.
Menschen helfen, die wirtschaftlich an den Rand gedrängt wurden, ihnen Nähe und Wärme vermitteln, so fasst Pielorz ihren Auftrag zusammen. Von den Ketschern wird ihr und den anderen Maltesern viel Wertschätzung entgegengebracht. Christine Berlinghof bringt ein paar warme Socken und etwas zu essen vorbei. Sie sagt, dass Obdachlosigkeit nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfe. Gisela Kotterba tut der Anblick von Menschen auf der Straße gerade im Winter weh. "Es tut mir so unendlich leid." Daher ist ihr die Spende eines Schlafsacks ein Herzensanliegen.
Irina Feuerstein betont, dass es wichtig sei, Obdachlose und ökonomisch Schwache im Blick zu haben. Für eine auch nur einigermaßen anständige Gesellschaft sei das zwingend. Der Wärmebus ist nach Angaben Pielorz’ eine Erfolgsgeschichte. Doch lieber wäre es ihr, er wäre es nicht beziehungsweise gar nicht notwendig. Denn der Wärmebus sei eine Notlösung für den Moment. Eigentlich bedürfe es beim Obdachlosen-Problem einer nachhaltigen politisch-gesellschaftlichen Lösung. Immerhin erkläre das Grundgesetz die Würde des Menschen als unantastbar. Von Würde zu sprechen sei bei vielen Betroffenen jedoch nur schwer möglich.
Info: Der Wärmebus ist immer montags und samstags zwischen 18 und 19 Uhr unterwegs. Samstags immer am Heidelberger Hauptbahnhof und montags an wechselnden Standorten. Sowohl Menschen, die sich ehrenamtlich für den Wärmebus engagieren wollen, als auch Geld- und Sachspenden sind willkommen und erwünscht. Kontakt: Malteser Hilfsdienst, Mittermaierstraße 15, Heidelberg. E-Mail: waermebus.heidelberg@malteser.org.