Heidelberg/Suzhou

"Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel waren sehr schnell ausverkauft"

Lara und Joscha Holldorf leben in der chinesischen Metropole Suzhou - Sie berichten, wie das Virus ihren Alltag verändert

28.01.2020 UPDATE: 28.01.2020 14:30 Uhr 2 Minuten, 42 Sekunden
Nur noch mit Atemschutz vor der Tür: Lara (l.) und Joscha Holldorf. Foto: privat

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Suzhou. Das Ehepaar Lara (31) und Joscha (37) Holldorf lebt aus beruflichen Gründen in Suzhou, der 10-Millionen-Einwohner-Stadt westlich von Shanghai. Er seit 21, sie seit 16 Monaten. Die RNZ interviewte die beiden "Auswanderer" aus der Rhein-Neckar-Region per E-Mail.

Zunächst einmal: Wie geht es Ihnen beiden? Fühlen Sie sich aktuell noch wohl und sicher in China?

Uns beiden geht es gut, aber wir beobachten die Lage angespannt. Die Verbreitung des Coronavirus ist deutlich zu spüren in China, aber wir fühlen uns momentan noch sicher hier. Es wurden sehr schnell landesweite Maßnahmen ergriffen, die von allen hier akzeptiert und eingehalten werden.

Gähnende Leere an einer sehr zentralen Metrostation, auf den Straßen und an der Uferpromenade des Jinji-Sees. Fotos: privat/Holldorf

Was hat sich in Ihrem Leben verändert, seit Sie vom Krankheitsausbruch in Wuhan erfahren haben? Welche Vorsorgemaßnahmen mussten Sie treffen?

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Wir treffen alle Vorsichtsmaßnahmen, die wir treffen können. Die Wohnung verlassen wir ausschließlich mit geeignetem Mundschutz und wenn wir zurückkehren, waschen und desinfizieren wir sofort sorgfältig unsere Hände. Händedesinfektionsmittel haben wir auch immer dabei, sodass wir unterwegs regelmäßig auf unsere Handhygiene achten können. Es wird empfohlen, möglichst wenig nach draußen zu gehen und Menschenmengen zu meiden, deswegen gehen wir momentan nur raus, wenn es unbedingt nötig ist, zum Einkaufen beispielsweise.

Wie wurden Sie überhaupt informiert? Aus den chinesischen Medien? Von chinesischen Behörden?

Von dem Virus haben wir zuerst aus WeChat-Gruppenchats, einem chinesischen Messengerdienst, erfahren. Wir selbst können uns leider nicht in den chinesischen Medien informieren, dazu reichen unsere Sprachkenntnisse nicht aus. Über WeChat werden regelmäßig offizielle Informationen verbreitet.

Gähnende Leere an einer sehr zentralen Metrostation, auf den Straßen und an der Uferpromenade des Jinji-Sees. Fotos: privat/Holldorf

Wie hat Ihr Umfeld reagiert? Gab es "Hamsterkäufe" bei Nahrungsmitteln, Atemschutzmasken?

Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel waren sehr schnell ausverkauft. Man merkt, dass die Menschen vorsorgen möchten und mehr Lebensmittel kaufen als sonst, das kann aber auch damit zusammenhängen, dass viele Restaurants momentan geschlossen sind. "Hamsterkäufe" haben wir nicht erlebt, Lebensmittel sind noch überall verfügbar, die werden nachgefüllt.

Auf Fotos aus China sieht man derzeit leere Plätze, leere Bahnen, leere Läden. Ist das öffentliche Leben komplett zum Erliegen gekommen?

Gähnende Leere an einer sehr zentralen Metrostation, auf den Straßen und an der Uferpromenade des Jinji-Sees. Fotos: privat/Holldorf

So sieht es hier momentan auch wirklich aus. Lara musste heute morgen eine Fahrt mit der Metro machen und der Wagen war nahezu leer. Auf den Straßen ist so gut wie nichts mehr los und die Shoppingmalls, die sonst an den Feiertagen sehr gut besucht sind, sind leer. Zu "Chinese New Year" ist es aber üblich, dass auf den Straßen und Plätzen weniger los ist als sonst im Jahr. In Suzhou fahren die öffentlichen Verkehrsmittel, aber alle Freizeiteinrichtungen und viele Restaurants wurden vorübergehend geschlossen. Die Menschen meiden es zur Zeit raus zu gehen und wenn, dann tragen sie Atemschutzmasken.

Gab es bei Ihnen im Umfeld auch soetwas wie "Ausgangssperren"? Können Sie sich frei bewegen?

Ausgangssperren gibt es nicht. In Suzhou gibt es auch keine Quarantäne wie in Städten in der Provinz Hubei. Autobahnen zwischen den Städten sind teilweise gesperrt und es werden Temperaturkontrollen der Fahrzeuginsassen durchgeführt. Es wird empfohlen, daheim zu bleiben, es ist uns aber nicht untersagt, das Haus zu verlassen. Jeder vermeidet es zur Zeit rauszugehen, jeder trägt Atemschutzmasken, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Gähnende Leere an einer sehr zentralen Metrostation, auf den Straßen und an der Uferpromenade des Jinji-Sees. Fotos: privat/Holldorf

Gehen einheimische Chinesen und "Expats", also ausländische Arbeit im Land, eigentlich unterschiedlich mit der Lage um?

Wir sitzen alle im selben Boot, wir teilen alle die selben Sorgen und wir wünschen uns alle, dass sich die Lage möglichst schnell wieder entspannt. Die Feiertage und Schulferien wurden verlängert, damit Reisetätigkeiten vorerst gering gehalten werden können und Menschen daheim bleiben können. Viele Expatfamilien sind über die Feiertage verreist und wir haben von einzelnen Fällen gehört, dass sie vorerst nicht nach China zurückkehren wollen. Sehr viele Chinesen sind noch bei ihren Familien in ihren Heimatstädten und hoffen, dass sie rasch in die Städte kommen können, wo sie leben und arbeiten.

Sie sind ja aus beruflichen Gründen in China: Gibt es Überlegungen, Sie vorerst zurück nach Deutschland zu holen? Wollen Sie das?

Gähnende Leere an einer sehr zentralen Metrostation, auf den Straßen und an der Uferpromenade des Jinji-Sees. Fotos: privat/Holldorf

Für uns persönlich sehen wir es momentan noch als größeres Gesundheitsrisiko an, in einer größeren Menschenmenge am Flughafen oder in einem Flugzeug zu sein, als uns daheim aufzuhalten und uns an die Sicherheitsvorkehrungen zu halten. Deswegen bestehen aktuell noch keine Überlegungen, nach Deutschland zu reisen, wir stehen diesbezüglich aber natürlich in Kontakt mit dem Firmenstandort in Deutschland.