"Mannheim Kohlefrei" gegen Bau der MVV-Heizkraftwerke
Die Klimaschützer kritisieren die Erdgasnutzung. Das Unternehmen verteidigt die Strategie.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Im Zuge des Kohleausstiegs muss Baden-Württembergs größtes Steinkohlekraftwerk – das Großkraftwerk Mannheim (GKM) – spätestens 2034 den Betrieb einstellen. Deshalb hat die MVV Energie AG das Konzept "Grüne Wärme" entwickelt. Trotzdem sind für die Fernwärmeerzeugung zwei neue Heizkraftwerke auf der Friesenheimer Insel und im Stadtteil Rheinau geplant, die Ende 2022 in Betrieb gehen sollen. Sie können mit Heizöl und Erdgas befeuert werden. Die Gesamtkosten liegen bei etwa 100 Millionen Euro. Die Initiative "Mannheim Kohlefrei" kritisiert die Pläne des Energieversorgers. Ein Überblick:
Wie sieht das Konzept "Grüne Wärme" der MVV aus? Das Unternehmen baut laut eigener Aussage parallel zum Kohleausstieg schrittweise eine klimaneutrale Wärmeversorgung auf der Grundlage von erneuerbaren Energien aus. Kernelemente sind dabei neben der bereits erfolgten Anbindung der thermischen Abfallverwertung auf der Friesenheimer Insel an das regionale Fernwärmenetz die Nutzung der vorhandenen Potenziale bei Biomasse, von Erdwärme, Biomethan, Flusswärme sowie industrieller Abwärme. "Spätestens bis Ende der 2020er-Jahre und damit rechtzeitig vor Stilllegung des letzten Blocks im GKM müssen die erforderlichen Anlagen zur klimaneutralen Wärmeerzeugung in Betrieb genommen worden sein", betont ein Unternehmenssprecher.
Warum sind dann fossile Heizkraftwerke nötig? Die beiden neuen Heizkraftwerke dienen vor allem der Sicherung der Fernwärmeversorgung und werden deshalb auch Absicherungsanlagen genannt. Zum einen ergänzen sie die klimaneutrale Wärmeerzeugung in der absoluten Spitzenlast, also an den kältesten Tagen im Winter, mit einem entsprechend hohen Wärmebedarf in Privathaushalten und in der Wirtschaft. Zum anderen stehen die Absicherungsanlagen kurzfristig bei unerwarteten Ausfällen oder Stillständen zur Verfügung und sorgen so dafür, dass die Wärmeversorgung gesichert bleibt.
Was kritisieren die Klimaschützer? "Mannheim Kohlefrei" moniert den Einsatz von Erdgas als Brückentechnologie bis zur völligen CO2-freien Wärmebereitstellung. "Dies wird große Mengen CO2 in Mannheims Süden freisetzen und nicht helfen, rasch Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen", heißt es in der Mitteilung der Initiative. Sie ruft das Unternehmen dazu auf, "als Vorreiter Wege für den Ausstieg aus der lokalen Erdgasnutzung aufzuzeigen und Alternativen zu dem als Fernwärmebesicherung geplanten Heizwerk zu entwickeln." Unter Berücksichtigung der gesamten Lieferkette sei Erdgas ähnlich klimaschädlich wie Kohle. Um das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens – die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken – müsse Deutschland bis 2030 vollständig aus der Wärme- und Stromversorgung mit Kohle und Erdgas ausgestiegen sein. Deshalb fordern die Klimaschützer die MVV und die Stadt auf, die Pläne für die Fernwärmesicherung mit Gas und Öl solange nicht weiter zu verfolgen, bis der Klimaschutzaktionsplan der Stadt vorliegt.
Auch interessant
Was sagt die MVV dazu? "Wir sind auf Kurs Klimaneutralität und orientieren uns dabei an dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens", betont der Unternehmenssprecher. Die Anlagen dienten ausschließlich der Sicherung und der Spitzenlastabdeckung und würden daher, auch aus wirtschaftlichen Gründen, möglichst wenig eingesetzt, was damit verbundenen möglichen CO2-Ausstoß auf ein Minimum reduziere. "Das hat MVV sowohl im Rahmen des Genehmigungsverfahrens des Regierungspräsidiums Karlsruhe als auch in direkten persönlichen Gesprächen mit den regionalen Umweltverbänden erläutert. Versorgungssicherheit ist auch bei der ,Grünen Wärme' ein hohes Gut, das wir stets gewährleisten. Die Menschen und die Betriebe müssen sich darauf jederzeit verlassen können." Die Kritik an den Absicherungsanlagen sei daher unverständlich und nicht nachvollziehbar. Zudem böten die Anlagen die technische Möglichkeit, sie nicht nur mit Erdgas, sondern auch mit klimaneutralem Biomethan zu betreiben, das man "bereits heute in ausreichendem Maße in eigenen Anlagen der Unternehmensgruppe erzeugt und perspektivisch auch in den Anlagen einsetzen möchte."
Info: Um Klimaneutralität geht es auch in der virtuellen Veranstaltung "Wohnen und das Klima schonen: Mehr Erneuerbare – weniger Verbrauch! Wie geht das?" des Umweltforums, die am Donnerstag, 10. Juni, ab 18 Uhr stattfindet. Dabei spricht unter anderem Amany von Oehsen vom BUND Heidelberg über klimafreundliche Fernwärme. Unter www.umweltforum-mannheim.de gibt es die Zugangsdaten.