In den Sommerferien arbeitslos und Angst vor Hartz IV
Lehrer mit befristeten Verträgen, wie Jan Eggers, müssen sich über den Sommer arbeitslos melden. Er fordert: "Das Vergabesystem von Beamtenstellen muss sich ändern."

Von Julia Schulte
Heidelberg. Nicht nur für die Schüler, auch für die Lehrer ist der Beginn der Sommerferien oft der Höhepunkt des Schuljahres – allerdings nicht für alle. Denn statt in den Urlaub verabschieden sich jeden Sommer viele Lehrer in die Arbeitslosigkeit, allein in Baden-Württemberg sind es in diesem Jahr 4000. "Wir werden regelmäßig auf die Straße gesetzt." So drückt es Jan Eggers aus – und er muss es wissen. Denn der Heidelberger Grundschullehrer bekam nach seinem Vorbereitungsdienst keine Beamtenstelle, sondern lediglich eine befristete Anstellung als Krankheitsvertretung. Solche gibt es häufig – und sie enden statt nach zwölf nach zehneinhalb Monaten, beinhalten also nicht die Sommerferien.
"Man muss sich dann erstmal arbeitslos melden und enthält entsprechend weniger Geld", berichtet Eggers. Auch wenn man wie er bereits eine weitere Vertretungsstelle für nach den Ferien in Aussicht hat – in seinem Fall an derselben Schule. Da es für den 27-Jährigen zudem die erste Stelle nach seinem Studium und dem Vorbereitungsdienst war, befürchtet er, sogar in Hartz IV zu rutschen, denn Arbeitslosengeld I erhält man erst, wenn man ein ganzes Jahr lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Eggers hat in Heidelberg Grundschullehramt mit den Fächern Deutsch und Sachkunde mit Schwerpunkt Geschichte studiert. Für ihn stand nach dem Studium fest, dass er weiterhin in Heidelberg wohnen will. "Ich habe hier mein gesamtes soziales Umfeld", sagt Eggers. Für seinen anderthalbjährigen Vorbereitungsdienst ging er zwar nach Laupheim, aber als es dann daran ging, sich auf Stellen zu bewerben, richtete er den Blick wieder mehr Richtung Heidelberg.
Das Bewerbungsverfahren für Beamtenstellen für Lehrkräfte ist kompliziert, es läuft über die Regierungspräsidien. Mit diesem habe es einige Probleme gegeben, erzählt Eggers, zumal Prüfungen coronabedingt verschoben worden waren. Seine Noten seien zudem nicht die allerbesten gewesen, sodass es letztes Jahr seitens des Regierungspräsidiums hieß, dass man ihm keine Beamtenstelle anbieten könne. "Wenn man keine Beamtenstelle bekommt, bleibt nur das befristete Angestelltenverhältnis", sagt Eggers. Er bekam eine Stelle in Wiesloch, konnte also immerhin zurück nach Heidelberg ziehen. "Ich war sehr dankbar, etwas im Raum Heidelberg gefunden zu haben", sagt Eggers. Aber gleichzeitig mache es ihn schon sauer, dass er als ausgebildeter Lehrer jetzt mehrere Hundert Euro netto weniger verdient als seine verbeamteten Kollegen – und eben die Sommerferien nicht wie diese genießen kann.
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Wie Eggers ergeht es vielen. Eine Kollegin von ihm etwa sei jetzt schon das dritte Schuljahr in Folge befristet angestellt, jedes Mal wurde sie vor den Sommerferien entlassen. "Das erschwert die Familienplanung immens, wenn man einfach keine Planungssicherheit hat", so Eggers. "Man weiß ja, dass man im Sommer wieder arbeitslos ist." Für Beamte sei das alles – gerade die Familienplanung oder Auszeiten für die Kinderbetreuung – kein Problem, dabei hätten angestellte Lehrer doch den gleichen Arbeitsaufwand, so Eggers.
Die Situation ist insofern absurd, als dass überall händeringend Lehrkräfte gesucht werden, auch an Grundschulen. "Zum Teil übernehmen auch Absolventen, die Gymnasiallehramt studiert haben und noch nicht einmal ein Referendariat vorweisen können, die Vertretungsstellen an den Grundschulen – und die verdienen dann genauso viel wie wir, haben aber nicht die spezielle pädagogische Ausbildung", berichtet Eggers.
"Die Schulen müssten mehr Mitspracherecht bei der Vergabe der Stellen haben", fordert er. An seinem Fall sehe man ja, dass die Schule mit ihm zufrieden sei und ihn langfristig halten wolle – aber sie hat eben nicht die Möglichkeit, denn jedes Jahr aufs Neue finden wieder die Vergaberichtlinien Anwendung, bei denen vor allem die Noten berücksichtigt werden.
"Wir bekommen als angestellte Lehrkräfte sogar Arbeitsbeurteilungen von der Schule, aber die bringen letztlich gar nichts", so Eggers. Er findet, dass diese Beurteilungen und auch die Wartezeit stärker bei der Vergabe von Beamtenstellen berücksichtigt werden sollten, um "verdienten Leuten ein Sprungbrett" zu bieten. Und Eggers fordert, dass die Vertretungsstellen zumindest auf zwölf statt auf zehneinhalb Monate befristet werden. Wer direkt eine Anschlussstelle bekommt, wäre dann nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen. Und alle, die nicht so viel Glück haben, bekämen wenigstens Arbeitslosengeld I statt Hartz IV.




