Die Medizin, die Köpfe verändert
Professor Jürgen Hoffmann über die faszinierende Tätigkeit der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Um Schönheit geht es gar nicht. Darauf legt Professor Jürgen Hoffmann Wert. Wenn seine Patienten gut oder wieder ganz normal aussehen, nachdem er und sein Team sie operiert haben, liegt das einfach in der Natur der Sache. Dass Hoffmann manchem, dem ein Tumor einen Teil des Gesichts wegfraß, durch seine Arbeit gar die Würde zurückgibt - das ist auch für den Operateur ein eindrucksvolles Erfolgserlebnis. Hoffmann, Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Uniklinikum Heidelberg, ist am Mittwoch, 18. April, Referent bei der Reihe "Medizin am Abend" von Uniklinikum und RNZ. Der Vortrag startet um 19 Uhr im Hörsaal der Kopfklinik.
"Plastische Gesichtschirurgie: Form und Funktion erhalten und wiederherstellen", lautet der sperrige Titel der Veranstaltung - den sich Prof. Hoffmann genau so wünschte. Denn da kommt wohl niemand mehr auf die Idee, er sei so etwas wie ein Schönheitschirurg.
Eine der großen Aufgaben seines Teams ist die Beseitigung von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten, mit denen jedes 500. Baby zur Welt kommt. Schuld ist eine genetische Disposition. Die Mediziner müssen mehrfach operieren, zuerst die Lippe, nach weiteren sechs bis neun Monaten wird der Gaumen geschlossen. "Den braucht man für’s Sprechen", sagt Hoffmann, "nichts ist unangenehmer, als wenn der Gaumen nicht funktioniert." 60 bis 80 Neugeborene werden jedes Jahr in Heidelberg operiert.
Experten sind die Operateure auch für craniofaciale Eingriffe. Heidelberg gilt wohl als das größte Zentrum in Deutschland mit 50 bis 80 Fällen pro Jahr. Hier werden die Schädel der Babys neu modelliert, die wegen frühzeitiger Verknöcherung der Schädelnähte verformte Köpfe haben. Dann hat deren Gehirn wieder Platz zum Wachsen. Und wenn ein Säugling durch Lagerung auf dem Rücken einen flachen Hinterkopf bekommen habe, könne man das durch einen individuellen Helm wieder hinbiegen, sagt Hoffmann.
Gesichtswachstumsstörungen werden auch bei älteren Menschen korrigiert, etwa die genetisch bedingte "Habsburger Lippe", bei der der Unterkiefer zu weit nach vorne ragt. 16 bis 18 Jahre alt sind die Patienten, wenn die Operateure hier Ober- und Unterkiefer verlagern. "Solche Patienten", meint Hoffmann, "brauchen hinterher nicht nur ein neues Passbild, sie ziehen sich oft ganz anders an, haben eine neue Frisur, und das ganze Selbstwertgefühl verändert sich."
Unfallverletzte Patienten sind ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Am schlimmsten findet Hoffmann Fälle von Hundegebiss- und Kettensägenverletzungen. Oder er therapiert Patienten, bei denen nach der Tumoroperation ein Teil des Gesichtes ersetzt werden muss. Solche komplexe Rekonstruktionen am Kopf sind die Spezialität des Ärztlichen Direktors.