Spaziergang durch die Wieblinger Geschichte
Hans-Martin Mumm und Michael Buselmeier führten durch den Stadtteil links vom Neckar.

Von Katharina Kausche
Heidelberg. Nicht-Wieblinger verschlägt es wohl eher selten in den Stadtteil am Neckar. Dabei schlummert in diesem Teil Heidelbergs eine ebenso interessante und abwechslungsreiche Geschichte wie in Neuenheim oder Bergheim. Schriftsteller Michael Buselmeier und Hans-Martin Mumm, ehemaliger Leiter des städtischen Kulturamts und Vorsitzender des Heidelberger Geschichtsvereins, luden am Sonntag zu einer weiteren "Stadtgeschichte im Gehen" ein, die nicht nur Wieblinger anzog.

Es war einmal, da wollten selbst die Wieblinger eine Brücke nach Neuenheim. "Damals, als Brücken noch Reichtum und nicht mehr Verkehr bedeuteten", sagt Mumm. Das ist schon lange her. Wieblingen gibt es allerdings auch schon ein Weilchen. Vor drei Jahren feierte der Ort, der 1920 von Heidelberg eingemeindet wurde, sein 1250. Jubiläum – und ist damit um einiges älter als der Stadtkern Heidelbergs.
Begleitet wird die Tour vom Elizabeth-von-Thadden-Platz über die Alte Mühle und das Wieblinger Schloss zum Rathaus von vielen "Achjas". An einiges können sich die Teilnehmer wohl noch erinnern. Viele von ihnen leben seit Jahrzehnten in Wieblingen, einige beschäftigen sich schon länger mit der Geschichte des früheren Ortes und haben schon die ein oder andere Führung mit Walter Petschan gemacht. Zum Stadtjubiläum dokumentierte Petschan die Erinnerungen, die sieben Alt-Wieblinger am runden Tisch austauschten. Auch am Bildband "Wieblingen einst und jetzt" hat er mitgewirkt.

"Wenn wir unsere Stadtteiltouren machen, versuchen wir immer wieder etwas zu erwähnen, was die Ortshistoriker auf den Stadttouren vielleicht nicht immer erzählen", sagt Buselmeier. Als Schriftsteller müsse er deshalb den Journalisten und Autoren Karl Gutzkow erwähnen, der 1874 ein Jahr im Schloss des Freiherrn von La Roche-Starkenfels in Wieblingen lebte. "Bis es ihm zu laut, zu feucht und zu teuer wurde und er in die Heidelberger Altstadt zog", so Buselmeier. Hans-Martin Mumm kann sogar eine persönliche Anekdote beisteuern. Seine Frau Ildiko Mumm habe in den 70er Jahren als erste Frau von der Kanzel der Kreuzkirche gepredigt, erinnert er sich.
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Für die Stadttouren wälzen Mumm und Buselmeier allerlei alte Melderegister, Stadtpläne und Formulare. Was wohl in Wieblingen kein Geheimnis ist: "Hier heißen doch alle Treiber", sagt Buselmeier. Brigitta Treiber muss da lachen, so hatte sie sich auch gerade vorgestellt – "Treiber, typisch Wieblinger Name". Seit der Grundschulzeit lebt sie in Wieblingen und kann sich noch gut an die Straßenbahn erinnern, die bis in die 70er Jahre durch den Ortskern fuhr: die Linie 4. Andere Veränderungen sind eher verschwommen, sagt sie. "Meistens fällt mir das erst auf, wenn ich die alten Fotos sehe", sagt sie. "Umso besser jetzt die Ortstour zu machen." Ein wenig melancholisch sei sie schon. "Allerdings nur, wenn ich durch Gassen gehe, die noch so aussehen wie früher", sagt sie mit Blick auf die Elisabeth-von-Thadden-Schule.

Die Elizabeth-von-Thadden Schule befindet sich im alten Wieblinger Schloss und das Schulgelände beherbergt gleich mehrere historische Gebäude Wieblingens – unter anderem die alte Kapelle. Für die Öffentlichkeit sind sie deshalb nur eingeschränkt zugänglich. Für die Stadtteiltour durfte die Gruppe ausnahmsweise auch an einem Sonntag auf das Gelände. "Sonst wär’s auch schade drum gewesen", sagt Buselmeier. Die Gebäude sind das "Highlight" der Tour. Neben der alten Kapelle ist auch das Schulgebäude voller Geschichte. Das Privatgymnasium hat Elizabeth von Thadden gegründet – zunächst als Mädchengymnasium. Thadden selbst besaß nicht die nötigen Abschlüsse, um in öffentlichen Schulen als Lehrerin zu arbeiten, wollte aber trotzdem unterrichten. Also gründetet sie 1927 selbst eine Schule. "Das kann man sich wohl auch nur als Tochter eines Gutsherrn erlauben", lacht Mumm.

Elisabeth von Thadden ist wohl eine der interessantesten Persönlichkeiten in der Wieblinger Geschichte. Sie war Teil des Widerstands gegen den Nationalsozialismus und wurde aufgrund ihrer politischen Einstellung 1944 in Berlin enthauptet. Neben ihr erwähnen Mumm und Buselmeier noch eine andere bedeutende Frau für Wieblingen: Hanna Walz. Nichte des langjährigen Oberbürgermeisters von Heidelberg Ernst Walz und selbst 33 Jahre Stadträtin in Heidelberg. An der Elisabeth-von-Thadden Schule war sie fast 40 Jahre als Lehrerin und zeitweise als Geschäftsführerin tätig.
Judith Danziger und Christian Mürner gehören zu den wenigen Nicht-Wieblingern in der Gruppe. Seit der Stadtführung von Mumm und Buselmeier durch Rohrbach im letzten Jahr, sind sie angefixt von der "Stadtgeschichte im Gehen". In diesem Jahr waren sie auch bei den Führungen durch die Altstadt und Kirchheim dabei. "Die beiden sind einfach Lokalmatadoren", sagt Christian Mürner. "Es macht Spaß mit ihnen unterwegs zu sein." Außerdem würden sie mal andere Viertel kennenlernen. "Nach Wieblingen fährt man selten ohne speziellen Grund und einfach nur zum Spazieren und Schauen", sagt auch Judith Danziger. "So wussten wir gar nicht, wie viel Geschichte sich hier versteckt."

"Ich habe schon den Eindruck, dass die Wieblinger sehr an ihrer Geschichte interessiert sind", sagt Uli Richard Liebler, der seit 20 Jahren in Wieblingen wohnt. "Das liegt aber vermutlich auch am Stadtteilverein, der sehr aktiv ist." Auch als Wieblingerin gibt es immer noch etwas Neues über die Ortsgeschichte zu lernen, da ist sich Brigitte Näger sicher. Sie ist nach 40 Jahren im Emmertsgrund an ihren Geburtsort zurückgezogen. "Das war mein großer Wunsch, auch wenn ich mich im Emmertsgrund wohlgefühlt habe", sagt sie. "Und jetzt wollte ich einfach noch ein wenig mehr erfahren." Außerdem habe sie schon immer eine Stadttour mit Mumm und Buselmeier machen wollen.
Seit fast 20 Jahren führen Buselmeier und Mumm schon durch die Geschichte der Heidelberger Stadtteile. Jedes Jahr in ein oder zwei anderen Viertel – nur Emmertsgrund, Boxberg und Pfaffengrund fehlen noch. Für dieses Jahr war Wieblingen aber die letzte Führung. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, wissen die beiden noch nicht.