Sperrzeiten-Streit in Heidelberg

Wieviel Lärm verursachen Kneipen und Besucher nachts in der Altstadt?

Jetzt wird der Lärm gemessen: Ein Gericht ordnet das schalltechnische Gutachten an. Die Ergebnisse werden erst in einem Jahr vorliegen.

24.05.2023 UPDATE: 24.05.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden
Nachdem es während der Corona-Pandemie etwas ruhiger war, war schon im Juni letzten Jahres in der Unteren Straße wieder einiges los. Ein Gutachten muss nun klären, wie laut es nachts in der Altstadt ist. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Der Streit um den nächtlichen Lärm in der Altstadt geht in seine entscheidende Phase. Voraussichtlich noch in diesem Sommer wird der unabhängige Gutachter Roland Jöckel vom Büro "Genest und Partner" aus Ludwigshafen den Schall in Heidelbergs Kneipenviertel messen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat Jöckel im vergangenen März mit der Untersuchung beauftragt. "Es soll die Frage geklärt werden, welchen Geräuschimmissionen die Kläger in den Nachtstunden typischerweise ausgesetzt sind", so ein Gerichtssprecher. Dabei solle auch untersucht werden, wie die Lärmbelastung je nach Jahreszeit und Witterung variiert.

"Genest und Partner" soll die Antwort liefern, ob der Lärm den Kneipen und ihren Besuchern angelastet werden kann und deshalb strengere Sperrzeiten verfügt werden müssen, oder ob die Kneipenöffnungszeiten gar nicht das Problem sind und die Regelung so bleiben kann, wie sie ist.

Die aktuelle Sperrzeitsatzung für die östliche Altstadt wurde am 17. Oktober 2019 mit 22 zu 20 Stimmen vom Gemeinderat verabschiedet. Seitdem dürfen die Kneipen im Geltungsbereich der Satzung werktags nur bis 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag bis 4 Uhr ihre Gäste bewirten. Im restlichen Heidelberg gilt die Landesregelung: Dort müssen die Wirte ihre Gäste werktags erst um 3 Uhr vor die Tür setzen. Am Wochenende darf bis 5 Uhr morgens gefeiert werden.

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Eine Gruppe von rund 30 Anwohnern will durchsetzen, dass in der Altstadt werktags um Mitternacht und am Wochenende um 2.30 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. Sie sehen ihre Nachtruhe und daher auch ihre Gesundheit durch grölende Kneipengänger gefährdet und klagen seit Jahren gegen die Stadt. Bei der letzten Verhandlung im Juli 2020 schlug der Sechste Senat des VGH eine gerichtliche Mediation vor, was die Kläger ablehnten.

Schon damals kündigte die Vorsitzende Richterin Else Kirchhof daher ein neues Lärmgutachten an. Die letzte Untersuchung von "Genest und Partner" aus dem Jahr 2016 sei veraltet. "Damals ging die Ruhestörung vielleicht von Kneipengängern aus, jetzt haben wir aber auch andere Lärmquellen", so Kirchhof. So gibt es inzwischen in der Altstadt auch "Spätis", kleine Supermärkte, die rund um die Uhr Alkohol verkaufen dürfen.

Wann es genau mit den Lärmmessungen losgeht, ist noch unklar. Dem VGH ist es wichtig, dass alle Jahreszeiten abgedeckt sind. Sowohl die klagenden Anwohner als auch die Stadt dürfen pro Quartal jeweils eine Woche benennen. Es wird voraussichtlich drei Messstationen geben. Das Gutachten kann daher erst in einem Jahr fertiggestellt werden. "Danach wird es zu einer erneuten mündlichen Verhandlung kommen", so der VGH-Sprecher. Die Erkenntnisse von "Genest und Partner" sollen bei diesem Termin ausführlich erörtert werden.

Nach den Zahlen des städtischen Ordnungsamtes gab es in der Altstadt im Jahr 2019 76 Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Lärmbeschwerden. Im vergangenen Jahr waren es 65, im laufenden bislang 15. Nach Auskunft eines Sprechers der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt", die ebenfalls Lärmbeschwerden sammelt, handele es sich dabei aber um die Spitze eines Eisberges. Viele Anwohner seien frustriert und würden die Ruhestörungen gar nicht mehr melden.

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