OB-Wahl Heidelberg – Porträt

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Günstiger Wohnraum für alle Menschen ist das Herzensthema von Bernd Zieger. Er ist Oberbürgermeisterkandidat der Partei "Die Linke".

10.09.2022 UPDATE: 11.09.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 51 Sekunden
Auf ein Bier im Fandango: Bernd Zieger, Oberbürgermeisterkandidat der Partei „Die Linke“ kommt gern in das Bistro im Herzen Rohrbachs. Der 54-Jährige wohnt seit 1995 im Stadtteil. Seine Heimatstadt Berlin vermisst er nicht. Foto: Philipp Rothe

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Die Fußgängerampel an der Karlsruher Straße zeigt Rot. Kein Auto weit und breit. Bernd Zieger schaut, zögert erst, kurz bevor die Ampel auf Grün umspringt, wagt er es dann doch – den Schritt auf die Straße.

Es ist 20 Uhr. Seit etwa einer Stunde ist der Stadtrat und Oberbürgermeisterkandidat der Partei "Die Linke" zum Spaziergang unterwegs mit der RNZ quer durch Rohrbach. Zurückhaltend, abwägend, aber nie konformistisch – die kurze Szene an der Ampel zeigt mehr von dem Menschen Bernd Zieger, als dieser an diesem Abend von sich preisgeben möchte.

Als Treffpunkt hat der 54-Jährige die Brücke, die über den S-Bahnhof Rohrbach/Kirchheim führt, gewählt. Es ist nicht das idyllischste Fleckchen des Stadtteils, aber der öffentliche Nahverkehr ist eines der großen politischen Themen des Linken-Stadtrats. "Wir sind ja auch für den kostenlosen ÖPNV", sagt Zieger. "Die Linke" fordert das seit Jahren.

Es wäre ein Leichtes für ihn, darauf zu verweisen und das so stehenzulassen – gerade in Zeiten, in denen über das Neun-Euro-Ticket diskutiert wird. Aber Bernd Zieger ist keiner, der etwas so stehen lässt, nur weil es gerade populär ist.

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Deshalb folgt sofort ein Aber: "Das muss finanziert werden. Man braucht die Beteiligung der Unternehmen. Und das Angebot muss ausgebaut werden." Als Beispiel für einen notwendigen Ausbau in Heidelberg nennt er den seit Jahren diskutierten zusätzlichen S-Bahn-Haltepunkt im Gewerbegebiet Rohrbach-Süd. Der sei wichtig für die Pendler.

Das Drei-Euro-Ticket, findet Zieger, sei trotzdem der richtige Schritt. "Aber die Kosten sind natürlich ganz schön ordentlich." Was ihn sorgt: "Die Hälfte der Leute, die Anspruch auf einen Heidelberg-Pass hätten, haben ihn nicht. Viele wissen einfach nicht, dass sie Anspruch darauf haben." Das sei ihm gerade am Vortag im Gespräch mit Anwohnern vom Emmertsgrund erneut klar geworden. Er will deshalb eine Kampagne starten.

Zieger selbst kommt nicht mit der S-Bahn, sondern schlendert zu Fuß zum Treffen mit der RNZ – in roten Turnschuhen, hellblauem Hemd und mit Jutebeutel. Der 45-Jährige wohnt um die Ecke in einer ruhigen Seitenstraße Rohrbachs. "Da, wo die große Fichte steht", wird er später zeigen.

Viel mehr gibt er über sein Privatleben nicht preis. Ledig, keine Kinder. Ja, er war verreist. Nein, nicht so richtig im Urlaub. Ein Besuch beim Vater in Mecklenburg. Er jogge und schwimme ganz gern, ja.

Hintergrund

Bernd Zieger

> Alter: 54 Jahre

> Parteizugehörigkeit: Die Linke

> Beruf: Betriebsratsvorsitzender

> Wohnort: Rohrbach

> Aufgewachsen in: Berlin

> In Heidelberg seit: 1995

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Bernd Zieger

> Alter: 54 Jahre

> Parteizugehörigkeit: Die Linke

> Beruf: Betriebsratsvorsitzender

> Wohnort: Rohrbach

> Aufgewachsen in: Berlin

> In Heidelberg seit: 1995

> Familienstand: ledig, keine Kinder

> Ausbildung: Diplom-Wirtschaftsinformatiker

> Bisherige Ämter: Von 2009 bis 2014 Bezirksbeirat in Rohrbach und seit 2014 Stadtrat und im Aufsichtsrat der städtischen Wohnungsbaugesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg (GGH). shy

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Auch beim Halbmarathon ist er diesmal gestartet und war schneller als Eckart Würzner. "Das war auch mein Ziel", sagt Zieger verschmitzt. Die Strecke fand er schwer, die Steigung habe er unterschätzt, normalerweise laufe er nur so etwa neun Kilometer in der Ebene Rohrbachs. "Weil Ausdauersport halt einfach gesund ist." Es klingt eher pragmatisch als leidenschaftlich.

Vom S-Bahnhof aus sind es nur ein paar Schritte die Treppe runter zum Höllenstein-Quartier. Ein Vater spielt dort Fangen mit einem Kind. Im Vorbeirennen ruft er: "Ich wähl Dich!" Zieger strahlt. Das GGH-Quartier ist für Zieger ein bisschen ein Heimspiel, obwohl es eigentlich zu Kirchheim gehört, wie er erklärt. Hier gibt es viel günstigen Wohnraum – auch seniorengerechten – und keinen Autoverkehr.

Bei der Teufelsstatue bleibt Zieger stehen. "Ich hab hier gestern mal bei Leuten geklingelt. Weil sich ja einige über den Teufel beschwert haben, auch in der RNZ." Letztlich habe aber niemand wirklich ein Problem mit dem Kunstwerk. Auch sonst seien die Mieter im Quartier hier zufrieden, erklärt Zieger und ist bei dem Thema angekommen, für das er brennt: Günstiger Wohnraum für alle. Das Höllenstein-Quartier sei ein gutes Beispiel. Viel zu wenig gebe es davon und das schon lange.

Schon 1995 verschlug es Zieger von Berlin-Friedrichshain nach Heidelberg. "Der Job." Schnell musste eine Wohnung gefunden werden. Es wurde ein möbliertes Zimmer in der Weststadt für 900 Mark. Erst von dort aus fand Zieger eine bezahlbare Wohnung in Rohrbach. Hier im Stadtteil fühlt er sich bis heute wohl.

Sehnsucht nach Berlin hatte er nie. "In Berlin lernt man nie die ganze Stadt kennen. Heidelberg ist wie ein großes Dorf, man kommt in jeden Stadtteil." Den Job macht Zieger inzwischen nicht mehr. Lange war er Betriebsratsvorsitzender der Heidelberger Lebensversicherung. Aktuell ist er freigestellt für ein Jahr. Und danach? Wenn es mit dem OB-Posten nicht klappt? "Weiß ich noch nicht."

Dass er sich in Heidelberg so wohlfühle, liegt auch daran, dass er rasch interessante Menschen kennengelernt habe, sagt Zieger. Eine Weile habe er sich noch in der PDS engagiert, sei dann aber 2005 in "Die Linke" eingetreten. "Wegen Hartz 4 und der Agenda 2010."

Bevor der 54-Jährige auf das Wohnungsthema zurückkommt, will er am Hallenbad Hasenleiser vorbei. Das ist seit Ende Mai zu – Sommerpause. Zieger ist das zu lange. "Es ist wichtig, dass Schwimmbäder geöffnet haben, sonst sind sie bald ganz zu."

Außerdem, kritisiert er, sei das Köpfelbad in Ziegelhausen den ganzen Sommer über geöffnet, das Hasenleiser-Bad aber für viel mehr Menschen viel besser zu erreichen. "Aber das kommt vielleicht auf den Wohnort des OB an", schießt Zieger eine kleine Spitze gen Würzner ab, der in Ziegelhausen wohnt.

Eine Zeit lang sei das Hasenleiser-Bad auch außerhalb der Sommerpause an Wochenenden geschlossen gewesen. "Das wollte der OB dann nicht mal öffentlich diskutieren", erinnert sich Zieger. Das sei auch so eine Sache, warum er einen Wechsel an der Stadtspitze für dringend nötig hält. "Würzner will viele Sachen nicht diskutieren und schafft oft, das durchzusetzen." So wie die Sache mit dem günstigen Wohnraum.

Auch darüber möchte Zieger öffentlich sprechen. Würzner habe ihm vorgeworfen, er wolle das nur aus Wahlkampfgründen. Dabei ist günstiger Wohnraum seit Jahren Ziegers Dauerthema – auch im Gemeinderat, dem er seit 2014 angehört, kämpft er dafür.

Seiner Meinung nach tut die Stadt viel zu wenig. Auch auf der Konversionsfläche US-Hospital, das nächste Ziel des Rohrbach-Spaziergangs. "Wir sagen, wenn Wohnungen neu gebaut werden, dann zu 50 Prozent sozial. Und die Miete darf nicht mehr als 30 Prozent vom Einkommen kosten. Dasselbe fordern wir auch für das Patrick-Henry-Village." Zieger spricht stets von "wir".

"Ich" sagt er nie. Vielleicht, weil ihm bewusst ist, dass er kaum eine Chance hat, die OB-Wahl zu gewinnen. Ein bisschen mehr "ich" wäre aber nicht unpassend: Schließlich wirbt sein Wahlkampfteam mit dem Slogan "Feel the Bernd" ("Fühl den Bernd") – eine Anspielung auf den Wahlkampfslogan "Feel the Bern" des US-Demokraten Bernie Sanders 2016.

Hintergrund

Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.

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Dass Bernd Zieger kein Ich-Typ ist, der sich gern in den Vordergrund drängelt, wird bei der Einkehr noch deutlicher. "Bernd, 20 Uhr" steht auf dem Reserviert-Schild auf dem Tisch draußen vor dem Bistro Fandango. Inhaber Jimmy begrüßt ihn warmherzig. Der Tisch ist mit einer illustren Gruppe Menschen besetzt – sein Unterstützer-Team. Es bleibt offen, ob Zieger sie eingeladen hat oder ob sie von sich aus kamen.

Dass sie da sind, ist zwar sehr nett, doch tun sie ihm damit nicht unbedingt einen Gefallen: Denn alle haben so viel zu sagen, dass Zieger zunehmend verstummt. Dabei war die Idee des Treffens mit der RNZ, Zieger bei der Einkehr Gelegenheit zu geben, persönlich für sich und seine Ideen die Werbetrommel zu rühren. Vielleicht ist er aber auch ganz froh, dass er nicht der Einzige ist, der reden muss.

Justus Heine vom Linken-Kreisvorstand erinnert zum Beispiel daran, dass seine Partei erfolgreich gegen die Sperrung der Neckarwiese demonstriert habe. Lukas Essig will über Obdachlose sprechen. Er lebt selbst seit zwei Jahren im Wichernheim und findet, dass die Stadt viel zu wenig tue, um wohnungslosen Menschen zu helfen. Das sei Absicht, der OB wolle keine armen Menschen in der Stadt, ist Essig überzeugt.

Zieger widerspricht: "Ich würde nicht so weit gehen, dass das gezielt so gemacht wird, um Arme aus der Stadt zu halten", nimmt er Würzner in Schutz. Weil Bernd Zieger stets sachlich und fair bleibt. Auch im Wahlkampf – und selbst dann, wenn es um sein Herzensthema geht.

 

 

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