Zwischen Polizeiverordnung und Tierschutz
Hundehalter meinen artgerechte Haltung widerspricht geltender Leinenpflicht. Die Neckarwiese sollte morgens für Hunde da sein.

Von Philomena Meyer
Heidelberg. Der Leinenzwang auf der Neckarwiese sollte morgens zwischen 6 und 9 Uhr aufgehoben werden. Das fordern Florian Schlüter und 24 andere Neuenheimer Hundebesitzer in einem Schreiben an Oberbürgermeister Eckart Würzner. Anlass dafür waren die Strafzettel, die vor einigen Wochen an Hundebesitzer auf der Neckarwiese verteilt wurden. Anwohner und Jogger hatten sich bei der Polizei über die leinenlosen Vierbeiner beschwert.
Hundebesitzer Schlüter meint, seinem Vierbeiner keinen artgerechten Auslauf in der Stadt ermöglichen zu können. Das Tierschutzgesetz verlangt ausreichend Auslauf im Freien und regelmäßigen Kontakt zu Artgenossen. Laut Schlüter ist das nur gegeben, wenn sein Hund mindestens einmal täglich "im Rudel frei laufen und spielen darf". Die Polizeiverordnung der Stadt sieht allerdings vor, dass Hunde "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" an der Leine geführt werden. Dazu gehört auch die Neckarwiese.
Doch wo kann man in Heidelberg legal ohne Leine Gassi gehen? Viele Möglichkeiten gibt es nicht, wenn es nach den Neuenheimer Hundebesitzern geht. Im Wald etwa könne man schnell mit dem Jagdrecht in Konflikt kommen, erklärt Schlüter. Auch die umliegenden Felder seien keine Option. Hundebesitzerin Ulrike Marx-Schelper, die zu den Hundebesitzern gehört, die den Antrag unterstützen, hält die Gefahr durch den Verkehr für zu groß. "Und wenn mein Hund über den Feldsalat läuft, ist der Aufschrei der Landwirtschaft groß", so Marx-Schelper. Zwar gebe es extra ausgewiesene Hundewiesen, doch die zwei Gebiete westlich der Ernst-Walz-Brücke oder in Kirchheim seien viel zu klein und für die meisten Halter nicht fußläufig erreichbar, findet Marx-Schelper.
Die Neckarwiese sei für Hund und Halter der beste Ort für den Spaziergang, meint Schlüter. Sie bietet Hunden einen großen Auslauf und ist durch ihre Lage und Länge von vielen Orten in der Stadt gut erreichbar. In Mannheim ist die Neckarwiese darum für Hunde ohne Leinenpflicht zugänglich – hier zählt die Grünfläche nicht zum bebauten Stadtgebiet. Schlüter und die anderen Hundebesitzer wollen das auch in Heidelberg erreichen. Durch das vorgeschlagene Zeitfenster für die Leinenfreiheit bieten sie der Stadt einen Kompromiss an, um den Konflikt zwischen Tierschutz und Polizeiverordnung zu lösen. "Zu der Zeit stört man niemanden. Es sind noch keine Kinder da, und Radfahrer und Jogger haben separate Wege", erklärt Schlüter.
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Bei ihrem Hund merke Marx-Schelper sofort, dass das ständige Tragen einer Leine Auswirkungen auf das Verhalten habe, argumentiert sie. "Das macht meinen Hund aggressiv", so die Halterin. Selbst nach einem langen Spaziergang komme ihr Wheaten-Terrier nicht zur Ruhe und belle zu Hause häufiger. Auch Schlüter sieht es so: "Die Hunde brauchen einfach das Rudelerlebnis" – das heißt auch, sich ohne Leine austoben zu können.
Trotz alledem denkt Schlüter nicht, dass sein Antrag angenommen wird. Seiner Einschätzung nach wird die Stadt nicht eingestehen, dass sie Fehler gemacht hat und sich die derzeitigen Regelungen widersprechen. "Wir Hundebesitzer sind eingezwängt zwischen der Polizeiverordnung und dem Tierschutz", sagt Florian Schlüter. "Deswegen brauchen wir einen Kompromiss."