Vererbt oder erworben?
Prof. Christian Haas über genetische Vorbestimmung von Intelligenz und Sozialverhalten

Prof. Christian Schaaf. Foto: Uniklinik
Von Birgit Sommer
Heidelberg. "Es ist erstaunlich, mit wie vielen genetischen Schäden wir alle noch ganz gut funktionieren." Professor Christian Schaaf, Humangenetiker am Universitätsklinikum, weiß, dass kein Mensch den perfekten genetischen Code besitzt.
Der Ärztliche Direktor des Instituts für Humangenetik hat vor einigen Jahren zusammen mit holländischen Wissenschaftlern in den USA das "Bosch-Boonstra-Schaaf Optikusatrophie-Syndrom" entdeckt. Eine schwere Sehstörung mit zusätzlicher geistiger Behinderungen und meist noch einer Autismus-Spektrum-Störung verbunden. Am Mittwoch, 13. November, 19 Uhr, im Hörsaal der Kopfklinik spricht Schaaf bei "Medizin am Abend" von Uniklinikum und RNZ allerdings nicht von dieser seltenen Krankheit, an der er weiter forscht. Genetisch bedingte Krankheiten heilen – das ist für ihn erst eine Perspektive für die nächsten 20 Jahre. Sein Thema des Abends "Intelligenz und Sozialverhalten – sind wir genetisch vorbestimmt?" geht dafür alle an.
Fast 15.000 der mehr als 20.000 Gene des menschlichen Genoms sind im Gehirn aktiv oder spielen dort im Laufe der Zeit eine Rolle. "Es werden also viele Gene gebraucht, um einen möglichst hohen Intelligenzquotienten zu entwickeln", sagt Prof. Schaaf. Inzwischen gehe die Wissenschaft davon aus, dass Intelligenz zu 50 Prozent erblich sei und zu 50 Prozent von Umweltfaktoren wie Förderung, Ernährung oder Infektionskrankheiten beeinflusst werde. Das führe natürlich sofort zum Thema Chancengleichheit, findet er.
Das ungewöhnliche Sozialverhalten bei Autismus-Spektrum-Störungen verortet Schaaf zu 50 bis 80 Prozent bei den Genen. Hunderte sind bekannt, die das Auftreten solcher Störungen begünstigen, eine Therapie ist meist nicht möglich. Doch das sei alles keine Einbahnstraße, erklärt Schaaf: "Gene beeinflussen das Sozialverhalten, und Umwelteinflüsse wirken auf die Genexpression." Psychiatrische Krankheiten etwa brächen oft erst dann aus, wenn zur entsprechenden genetischen Veranlagung etwa ein emotionales Trauma oder Drogenkonsum kämen.
Humangenetiker können oft herausfinden, welche Mutationen in den Genen der Grund für Krankheiten sind, ob sie neu aufgetreten sind oder von Vater oder Mutter übertragen wurden. Dieses Verständnis erlaubt ihnen zum Beispiel auch eine bessere Beratung von Paaren mit Kinderwunsch. In Heidelberg gibt es die Möglichkeit, schwere genetisch bedingte Erkrankungen von Embryos durch Präimplantationsdiagnostik auszuschließen.