Feuertod eines "Ketzers" vor 600 Jahren in Heidelberg
Am 17. Februar 1425 wurde Johannes von Drändorf, ein Vorkämpfer der Reformation, in Heidelberg hingerichtet. Kurfürst Ludwig III. machte ihm den Prozess.

Von Hans-Martin Mumm
Heidelberg. Der Prozess gegen Johannes von Drändorf war kurz. Anklagepunkt: Ketzerei. Es bedurfte nur weniger Verhandlungen, bis in den Augen der Richter alle Beweise seiner Ketzerei vorlagen: Drändorf bezweifele die besondere Stellung der Priester und glaube nicht an die Unfehlbarkeit der Kirche. Feuertod lautete die Strafe, und am 17. Februar 1425, also vor genau 600 Jahren, wurde der damals etwa 35-jährige Priester in Heidelberg hingerichtet.
Wo genau der Scheiterhaufen damals stand, ist nicht überliefert. Wenn es überhaupt einen Bericht über die Hinrichtung gab, hat er sich nicht erhalten. Zeichnungen des Ereignisses fehlen ebenso wie ein Porträt von Johannes von Drändorf. Das vollständige Protokoll des Prozesses gegen ihn wurde erst 1969 veröffentlicht.
Die Methode der inquisitorischen Befragung bestand darin, jegliche hinhaltende oder ausweichende Antwort auf Spuren der Häresie – also eine von der offiziellen Kirchenmeinung abweichende Lehre – zu untersuchen. Einen Eid auf seine Aussagen zu leisten, verbot Drändorfs Glaubensüberzeugung. Damit stand sein Ketzertum gleich zu Anfang des Prozesses fest. Es bedurfte nur weniger weiterer Verhandlungen.
Am Tag der Hinrichtung wurde Drändorf in die Heiliggeistkirche gebracht. In deren Sakristei wurden ihm in einer Zeremonie die Insignien des Priestertums aberkannt. Dann wurde er der weltlichen Macht, also den Knechten des Kurfürsten, zum Vollzug des Urteils übergeben. Damit endet auch das Prozessprotokoll.
Drändorf gehörte der Bewegung der Hussiten an, ein Vorläufer der Reformation, benannt und gegründet von Jan Hus, der zehn Jahre zuvor, 1415, in Konstanz ebenfalls auf dem Scheiterhaufen endete. Im Feuer soll er Choräle gesungen haben, solange sein Atem dazu ausreichte.
Hauptanliegen der Hussiten war die Freigabe des Kommunionskelchs für Laien. Der Ritus, das Abendmahl "in beiderlei Gestalt", also mit Brot und Wein, zu feiern, gab den Gemeinden die lateinische Bezeichnung "Utraquisten". Im Anschluss an diese Lehre geriet der Machtanspruch der Kirche insgesamt in die Kritik. Drändorf lehnte die Versorgung durch eine Stellung mit Pfründen ab und hatte sich der Armutsfrömmigkeit verpflichtet.
Geboren wurde Drändorf um das Jahr 1390 auf Burg Schlieben, heute eine Ruine im Elbe-Elster-Kreis in Brandenburg. Nach dem Besuch der Kreuzschule in Dresden studierte er in Wittenberg Theologie. Als sein Lehrer Peter von Dresden nach Prag flüchten musste, folgte ihm Drändorf und setzte in Prag seine Studien fort. In seinem Theologiestudium lernte er die Lehren des Kirchenreformers John Wyclif kennen, in Prag wurde er ein Anhänger von Jan Hus und erhielt 1417 dort die Priesterweihe. Eine Reihe von Jahren war er dann in Böhmen tätig.
1424 zog es ihn in den Westen Deutschlands. Längere Zeit hielt er sich in Speyer auf und hatte Kontakt zum dortigen Schulrektor Peter Turnow aus Tolkemit. Gemeinsam mit ihm wandte Drändorf sich in Speyer, Heilbronn und Wimpfen öffentlich gegen die herrschende klerikale Hierarchie. Auch Turnow wurde, wenige Monate nach Drändorf, in Speyer als Ketzer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
In den Südwesten war Drändorf gekommen, um die Stadt Weinsberg in ihrem Bestreben zu unterstützen, freie Reichsstadt zu werden. Gegen sie war die Reichsacht verhängt worden. Heftiger wirkte sich aber das päpstliche Interdikt aus, denn nun durfte keine Messe mehr gelesen und keine Beerdigung mehr vorgenommen werden. In drei Briefen bot Drändorf der Stadt seine Hilfe als Priester an. Im dritten Schreiben heißt es: "Ich will bereit sein zu kommen und mich mit Willen um der Gerechtigkeit und Euretwillen in Unsicherheit des Lebens und der weltlichen Ehre begeben." Doch bevor er Weinsberg erreichte, wurde er im Januar 1425 in Heilbronn festgenommen. Der eigentlich zuständige Bischof von Würzburg gab dem Drängen des Heidelberger Kurfürsten Ludwig III. nach, dem es eine Ehre war, einen bedeutenden Ketzerprozess in seiner Residenzstadt zu führen.
Ludwig III. hatte als oberster Reichsrichter auch Jan Hus 1415 schon auf den Scheiterhaufen gebrachte. 1421 leitete Ludwig einen Kreuzzug in der Oberpfalz gegen hussitische Vorstöße aus Böhmen. Das Ritterheer erwies sich allerdings als wirkungslos gegen die Wagenburgtaktik der Aufständischen. 1425 ging es Ludwig um seine Herrschaft über Weinsberg, viel mehr aber noch um die Aufrechterhaltung der mittelalterlichen Ordnung und um die Lehre der päpstlichen Kirche.
Zuständig für den Ketzerprozess waren die Instanzen der Kirche. Den Vorsitz des Gerichts führte der Bischof von Worms, in dessen Diözese Heidelberg lag. Professoren der theologischen und der juristischen Fakultät waren beteiligt. Ludwig III. trat als Richter gegen Drändorf auf. Das Gericht tagte im Haus des Bischofs von Speyer in der Augustinergasse; dort wurde der Delinquent befragt. Die Verhöre, also die obligatorischen Torturen, fanden dagegen im oberen Schloss bei der heutigen Molkenkur statt – da waren die Schreie der Gefolterten unten in der Stadt nicht zu hören.
Ebenso vor Gericht stand Drändorfs Diener Martin Borchard. Er widerstand der Folter nicht und widerrief die Lehren der Hussiten. So entging er der Verurteilung als Ketzer und überlebte. Drändorf gehört heute zu den bekanntesten deutschen Hussiten, weil Martin Luther und Philipp Melanchthon ihn rund 100 Jahre nach seinem Tod in Heidelberg als Vorläufer der Reformation betrachteten und als Märtyrer der evangelischen Lehre anerkannten.