Vom Gratis-ÖPNV wussten viele Passagiere nichts
Trotz mangelnder Information kam das Angebot bei den Passagieren gut an. Die Aktion wird die nächsten drei Wochen wiederholt.

Von Tim Appel
Heidelberg. Die Premiere kam gut an: Erstmals konnten die Fahrgäste an einem Samstag Busse und Straßenbahnen im Heidelberger Stadtgebiet kostenfrei nutzen. Mit dem Angebot, das auch noch an den kommenden drei Samstagen gilt, will die Stadt den wegen der Pandemie angeschlagenen Einzelhandel unterstützen und die Menschen in der Region zum Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr bewegen. Allerdings schien die Aktion vielen Passagieren gar nicht bekannt gewesen zu sein.
"Ich habe von der Aktion erst von einer Frau in der Bahn erfahren, nachdem ich ein Ticket gekauft und entwertet hatte", berichtete der 39-jährige Heidelberger Sebastian Diehl, der mit seiner Tochter Leah unterwegs war. So erging es auch dem 22-jährigen Vahid Zahirovic, der zwar über Facebook von der Aktion mitbekommen hatte, aber nicht wusste, wann genau sie startet, und deshalb ebenfalls einen Fahrschein erworben hatte.
Dass an den Automaten nichts auf das kostenlose Angebot hinwies, störte auch eine Heidelberger Rentnerin, die über die RNZ auf das Angebot aufmerksam geworden war, jedoch eine "Karte ab 60" besitzt und deshalb nicht davon betroffen war: "Ich habe mehrere Leute gesehen, die sich ein Ticket am Automaten gezogen haben. Man sieht ja auch gar nicht, dass es heute nichts kostet – weder in den Bahnen noch an den Haltestellen."
Anstatt Informationsplakate an den Automaten oder an den Türen der Busse und Bahnen anzubringen, versuchten Minijobber der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), die Passagiere zu informieren: "Wir stehen an den belebtesten Haltestellen und halten die Leute vom Kauf eines Tickets ab", berichtete die Studentin Beatrice Matiuti. Sie war mit drei weiteren Kollegen im Stadtgebiet unterwegs und hatte den Eindruck, dass die meisten jüngeren Menschen nichts von der Aktion mitbekommen hatten.
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Diejenigen, die über das Angebot Bescheid wussten, hatten es meist über die Zeitung, Plakate oder Bekannte erfahren. Aysa Spannagel (33) hatte in der RNZ von den Gratis-Samstagen gelesen und war deshalb auch zusammen mit ihrem Sohn Carlo mit dem ÖPNV in der Stadt unterwegs. Der 50-jährige Bauarbeiter Quincy Wade hatte von dem Angebot hingegen überhaupt nichts mitbekommen. Er lese keine Zeitung und auf Facebook habe er auch nichts gesehen.
Der 22-jährige Azmi Gtayet wusste von der Mutter einer Freundin vom kostenlosen Nahverkehr. Er halte es für eine gute Idee, um die Leute dazu zu bringen, öfter Busse und Bahnen zu benutzen. Ein Student aus Dossenheim dagegen wunderte sich: "Ich war heute sogar auf der Internetseite der RNV und habe dort nichts gesehen." Er frage sich auch, ob das Angebot etwas bringe, da das weniger gut angebundene Umfeld der Stadt nicht mit in das Angebot einbezogen war. Von dort kämen doch die meisten Pendler mit dem Auto in die Stadt.
Trotz mangelnder Information waren die Reaktionen der meisten Passagiere positiv. Die Eppelheimer Cindy (33) und Sven (42) Bitz, die sonst den Nahverkehr nicht nutzen, waren am Samstag mit dem Fahrrad in den Pfaffengrund gefahren, um von dort aus mit der S-Bahn in die Stadt zu fahren. Sie fanden die Aktion gut und hoffen, dass auch die nächsten von der Stadt angekündigten Schritte – kostenloser ÖPNV für unter 18- und über 65-Jährige und schließlich der kostenlose Nahverkehr für alle – umgesetzt werden.
Ob die Busse und Bahnen am vergangenen Samstag mehr genutzt wurden als sonst, lässt sich laut den RNV-Mitarbeitern schlecht sagen. "Es ist viel los heute, aber man kann nicht sagen, welche Rolle das gute Wetter und der Auftakt des ,Heidelberger Frühling’ dabei spielen", sagte einer. Er hatte den Eindruck, dass viele nichts von dem Angebot wussten, und fragte sich, ob die sich im Einsatz befindenden Zählfahrzeuge belastbare Aussagen über die Inanspruchnahme des Angebots erbringen könnten.
Ähnlich äußerte sich auch ein Busfahrer: "Bei dem guten Wetter ist es schwer, zu sagen, ob das Angebot wirkt oder nicht." Vieles weise jedoch darauf hin, dass im Vorfeld und auch am Tag selbst nicht genug für die Aktion geworben worden war. Informationen an den einzelnen Haltestellen und an den Automaten hätten wohl noch mehr Aufmerksamkeit erzeugt.