"Verödung der Innenstadt nicht zu befürchten"
Neben Ketten, Restaurants und Optikern auch Leerstand in der Hauptstraße - Wirtschaftsförderung sieht trotzdem positiven Trend

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Zu viele Handyläden, zu wenige originelle Geschäfte, zu viel Systemgastronomie, zu viel Leerstand und jetzt auch noch Corona. Der Einzelhandel in Heidelberg sorgt auch schon ohne Krise für Diskussionen. Aber wie sind die Geschäfte in der Innenstadt tatsächlich verteilt? Die RNZ hat sich einen Überblick verschafft, wie es in Deutschlands längster Fußgängerzone konkret aussieht: Mehr als 200 Unternehmen säumen die Hauptstraße vom Bismarck- bis einschließlich Marktplatz. Bei rund einem Viertel davon dreht sich alles ums Essen. Klassische Gastronomiebetriebe – vom Restaurant bis zum Imbiss – sorgen dafür, dass auf dem Weg durch die Heidelberger Altstadt niemand verhungert. Dazu kommen acht Eisdielen und Geschäfte, in denen sich ebenfalls alles um Ernährung dreht.
Etwa ein weiteres Viertel sind klassische Bekleidungsgeschäfte. Immerhin elf Optiker buhlen auf 1,8 Kilometern um die Gunst der Kunden, acht Mobilfunkgeschäfte sind aktuell am Start. Elf Gewerbeflächen allein in der Hauptstraße stehen derzeit leer – einige davon seit Jahren, weitere Ladenlokale schließen in Kürze. Droht sich dieser Trend jetzt zu verstärken?
Heidelbergs Wirtschaftsförderung verneint. "Wir stehen im Vergleich zu anderen Städten grundsätzlich gut da", betont Marc Massoth, Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung und Wissenschaft, im Gespräch mit der RNZ. Er liefert auch konkrete Zahlen: Insgesamt gebe es rund 450 Gewerbe in der Heidelberger Innenstadt. Eine Hälfte davon befinde sich in der Hauptstraße, die andere in den Seiten- und Nebenstraßen. Zwei Drittel werden von den Inhabern geführt.
Lediglich in der "A-Lage" – so bezeichnet man den Bereich zwischen Bismarck- und Theaterplatz – seien 70 Prozent aller Gewerbe Filialen größerer Ketten. Das klingt viel, ist aber laut Wirtschaftsförderung eine gute Quote im Vergleich zu anderen Städten. Auch insgesamt sieht Massoth einen positiven Trend: "Es gab Zeiten, da hatten wir Ein-Euro-Läden und Backshops in der Hauptstraße. Die sind zum Glück vorbei."
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Dabei hat die Stadt keinen großen Einfluss darauf, welche Unternehmen sich in der Hauptstraße ansiedeln. "Wir sind keine Center-Manager. Wir können nur beraten, und das tun wir, wo wir können", erklärt Abteilungsleiter Matthias Friedrich die begrenzten Möglichkeiten, Immobilienbesitzern bei der Vermietung ihrer Ladenflächen zur Seite zu stehen und damit zumindest indirekt Einfluss auf das Angebot zu nehmen.
Viele Vermieter würden direkt abwinken, wenn die Wirtschaftsförderung Unterstützung anbiete. "Wenn in der Hauptstraße Leerstand ist, dann liegt das nicht daran, dass da keiner hin will. Das hat oft strategische Gründe", sagt Massoth. Im Klartext heißt das, wer die meiste Miete zahlt, bekommt den Laden und das säßen einige Immobilienbesitzer auch mal eine Weile aus. "Eine Verödung der Innenstadt müssen wir jedenfalls in Heidelberg nicht befürchten", beruhigt Friedrich. Interessenten für Gewerbeflächen gebe es immer.
Unabhängig davon sehen beide die enorme Belastung der Corona-Krise für den Einzelhandel. "Die Leute bummeln nicht, der Mitnahmeeffekt bleibt aus", sagt Friedrich. Die Maskenpflicht sei dabei nur eine Sache, viele gingen bewusst weniger einkaufen, um sich nicht einer Ansteckungsgefahr auszusetzen. Außerdem fehlten die Touristen aus dem Ausland. "Der Handel in Heidelberg lebt nicht allein von Heidelbergern", sagt Massoth.
Seit der Krise hat die Wirtschaftsförderung alle Hände voll zu tun. Am Anfang habe der Shutdown dabei im Zentrum gestanden. "Da gab es bei den Gewerbetreibenden große Unsicherheit und Ängste." In der Zwischenphase galt es dann, gerade kleine Geschäfte dabei zu unterstützen, sie in ihrer digitalen Wahrnehmung zu stärken. "Das ist uns vielfach gelungen", freut sich Massoth.
Jetzt geht es weiter. 1,6 Millionen Euro hat der Gemeinderat zur Verfügung gestellt, um die Einzelhändler aktiv zu fördern. Im Herbst soll eine Online-Plattform stehen, auf der sich inhabergeführte Geschäfte und Gewerbetreibende präsentieren können. Den Bürgerinnen und Bürgern soll dann die Möglichkeit gegeben werden, einen Gutschein für ihr Lieblingsgeschäft zu kaufen. Pro Gutschein legt die Stadt zehn Euro drauf. "Wir müssen jetzt einfach sehen, wie wir den Handel wieder in Schwung bringen", sagt Massoth.