Heidelberg

Studenten kämpfen mit kreativen Ideen gegen Plastikabfälle

Über 89.000 Unterstützer - In Sachen Verpackungsmüll sind die Deutschen alles andere als ein Vorbild

12.08.2018 UPDATE: 13.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Vom vielen Plastikmüll frustriert (v.l.n.r.): Leon Kuhn, Alexandra Rottenkolber, Thomas Gaskin. Foto: privat

Von Kathrin Hoth

Heidelberg. Irgendwann, als sich nach dem Einkauf wieder einmal Berge von Verpackungsmüll in seiner Küche stapelten, reichte es Thomas Gaskin. Der Physik-Student aus Heidelberg gibt sich alle Mühe, ökologisch einzukaufen. Er geht auf den Wochenmarkt statt zum Discounter, greift zu Glasflaschen statt Tetrapacks. Und trotzdem fällt auch bei ihm jede Menge Plastik an. "Ich fand es frustrierend, dass man sich um vier Ecken biegen muss, wenn man verhindern will, dass so viel Müll entsteht", sagt er.

Das wollte der 23-Jährige nicht länger hinnehmen und startete zusammen mit seinen Kommilitonen Leon Kuhn und Alexandra Rottenkolber eine Petition an den Deutschen Bundestag. Das Anliegen der drei: das Verpackungsgesetz so zu verschärfen, dass künftig deutlich weniger Plastikmüll anfällt. Denn in Sachen Verpackungsmüll sind die Deutschen alles andere als ein Vorbild. 220,5 Kilogramm pro Kopf produzierten sie 2016 - weit mehr als der EU-Durchschnitt von 167,3 Kilo pro Kopf.

Hintergrund

Das Grundrecht, eine Petition an die Volksvertretung zu stellen, ist in Artikel 17 des Grundgesetzes verankert. 11.507 Petitionen behandelte der Petitionsausschuss des Bundestages im Jahr 2017. Oft werden die Anliegen über ein Online-Formular eingereicht. Öffentliche

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Das Grundrecht, eine Petition an die Volksvertretung zu stellen, ist in Artikel 17 des Grundgesetzes verankert. 11.507 Petitionen behandelte der Petitionsausschuss des Bundestages im Jahr 2017. Oft werden die Anliegen über ein Online-Formular eingereicht. Öffentliche Petitionen stehen Unterstützern vier Wochen lang zur Unterzeichnung offen. Kommen innerhalb dieser Zeit 50.000 Unterzeichner zusammen, ist das Quorum erfüllt. Der Petent bekommt dann in der Regel die Möglichkeit, sein Anliegen mit dem Petitionsausschuss des Bundestages zu diskutieren.

Außerdem können auch Stellungnahmen zum Beispiel von Ministerien eingeholt werden. Ist die Prüfung der Petition abgeschlossen, wird im Ausschuss über eine Beschlussempfehlung für das Parlament abgestimmt. Diese Empfehlung kann entweder den Abschluss des Verfahrens empfehlen oder eine inhaltliche Empfehlung enthalten. Anschließend stimmt das Parlament darüber ab. Die Regierung muss dem Beschluss des Bundestages allerdings nicht zwingend folgen. kaf

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Die Petition sorgt für Furore. Innerhalb kurzer Zeit erreichte sie das nötige Quorum von 50.000 elektronischen Unterschriften, damit darüber öffentlich diskutiert wird. Über 89.000 Unterstützer sind es derzeit - bei der Vielzahl von Petitionen an den Bundestag keine Selbstverständlichkeit, wie der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Marian Wendt (CDU) sagt.

Im politischen Berlin registriert man bereits die außergewöhnlich hohe Resonanz. "Eine Petition, die eine Woche vor Schluss der Frist schon über 80.000 Unterschriften hat, wird im Bundestag wahrgenommen", sagt etwa die Heidelberger Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner - und lobt das Engagement der jungen Leute.

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Die meiste Mühe machte den drei Studenten die ausgeklügelte Formulierung ihres Anliegens. "Es war schwierig, Forderungen so aufzustellen, dass die Abgeordneten nicht einfach sagen können: ,Das gibt es schon‘ und die Petition für erledigt erklären", sagt Gaskin. Denn tatsächlich tritt 2019 ein neues Verpackungsgesetz in Kraft, das bereits höhere Recyclingquoten vorschreibt und auch Gebühren für Verpackungshersteller, die sich danach richten, wie leicht oder schwer die Verpackung recycelt werden kann. "Das Gesetz ist in vielen Punkten gut, aber es gibt keinen Vermeidungsanreiz für Plastikverpackungen", kritisiert Gaskin. Die Petition enthält deshalb vier konkrete Verbesserungsvorschläge:

Gebühren: Die drei Studenten wollen schrittweise die Abgaben für biologisch nicht abbaubare Verpackungen erhöhen, die Verpackungshersteller entrichten müssen. "Bislang sind sie viel zu niedrig angesetzt", sagt Gaskin. Nach seiner Vorstellung sollen sie am Ende einen "signifikanten Anteil" am Verkaufspreis der Ware haben. Das Ziel: Plastikverpackungen so unattraktiv wie möglich machen. Langfristig, so die Hoffnung, würden die Unternehmen so eher auf Verpackungen verzichten. "Was wir nicht wollen, ist, dass die Kosten nur auf die Verbraucher umgewälzt werden."

Transparenz: Nudging heißt hier das Stichwort, sanfter Druck. Die Petition fordert, Verpackungsgebühren künftig getrennt vom eigentlichen Produktpreis aufzulisten. Auf einem Stück Fleisch soll beispielsweise stehen: 2,99 Euro plus 0,30 Cent Verpackung. Das soll Verbraucher zu verpackungssparendem Einkauf anregen. Das Motto: Recycling ist gut, Vermeidung ist besser. Denn von den jährlich 18,16 Millionen Tonnen Verpackungsmüll in Deutschland werden ohnehin nur 70 Prozent recycelt. Und selbst das, was wiederverwertet wird, verliert an Qualität. So werden aus Plastikflaschen etwa anders als viele meinen meist nicht neue Flaschen, sondern zum Beispiel Abgrenzungspfosten für Baustellen.

Exportverbot: 10,9 Prozent der Verpackungsabfälle werden laut Umweltbundesamt exportiert, teils in die EU, teils ins EU-Ausland, offiziell zum Recycling. Gaskin und seine Mitstreiter wollen jedoch zumindest das Auslagern ins EU-Ausland verbieten. "Diese Länder sind oft überfordert mit der Menge an Müll", sagt Gaskin. Und auch innerhalb der EU soll der Müll nur noch in solche Länder gelangen, in denen Deponien verboten sind.

Fonds: Die Einnahmen aus den Gebühren sollen über einen Fonds Projekten zur Säuberung der Gewässer und Meere von Plastikmüll oder zur Erforschung von alternativen Verpackungen fließen.

Auch das Bundesumweltministerium befasst sich inzwischen mit der viel beachteten Petition - sieht das Anliegen allerdings kritisch. Das Ministerium interpretiert die Forderung nach weniger biologisch nicht abbaubaren Verpackungen so, dass damit gleichzeitig mehr biologisch abbaubare Kunststoffverpackungen gefordert werden. Die wiederum würden trotz des "bio" im Namen andere Recyclingprobleme mit sich bringen, heißt es aus dem Ministerium.

Thomas Gaskin macht sich keine Illusionen: Vermutlich, meint er, werde die Petition wohl nicht 1:1 umgesetzt. "Aber vielleicht wird ja zumindest über das Exportverbot ernsthaft diskutiert." Auch das wäre schon ein Erfolg.

Info: Unter epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2018/_06/_16/Petition_80946.nc.html kann man die Petition noch bis Mittwoch, 15. August, unterzeichnen.