Eine Wohnung muss man sich leisten können
Diskussion bei Woche gegen Armut - Mietervereins-Leiter will Paradigmenwechsel in Wohnungspolitik

Diskutierten zu steigenden Mieten: (v.l.) Frank Harder, Isabel Braun, Christoph Nestor, Gerald Kraus und Carl Zillich. Foto: Philipp Rothe
Von Lena Scheuermann
Heidelberg. In Heidelberg wird dringend mehr Wohnraum benötigt - und zwar bezahlbarer. Doch der Leiter des Mietervereins, Christoph Nestor, hat von der Phrase des "bezahlbaren Wohnraums" offenbar genug, für ihn müssen Wohnungen "leistbar" sein: "Bezahlbar ist der Wohnraum in Heidelberg immer, nur muss man sich den erst einmal leisten können", sagte er am Freitag bei einer Diskussionsrunde zum Thema "Leistbarer Wohnraum" im Rahmen der Woche gegen Armut und Ausgrenzung im Forum am Park.
"Wir zeigen heute Abend ein ganzes Mosaik an Möglichkeiten zur Schaffung von Wohnräumen auf", versprach Nestor. So berichtete etwa Carl Zillich von der Internationalen Bauausstellung (IBA) über die Planungen für das Patrick Henry Village, wo in Zukunft bis zu 10.000 Menschen wohnen sollen. Gerald Kraus von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH informierte über die Entwicklungen im Mark Twain Village und auf dem angrenzenden Hospitalgelände.
Dort sollen neben 450 geförderten Wohnungen mit Mietpreisen von rund 8,50 Euro pro Quadratmeter auch noch einmal die gleiche Anzahl an Eigentumswohnungen, teils gefördert, teils für den freien Markt, entstehen. Wer sich dort trotzdem keine Wohnung leisten kann, könne zudem Mietzuschüsse in Form einer "einkommensgesteuerten Subjektförderung" erhalten. Dabei wird nicht die Wohnung subventioniert, sondern der Bewohner selbst.
Von selbstverwalteten und selbstfinanzierten Eigentumswohnungen berichtete auch Frank Harder, der mit der Baugruppe "Woge" ein gemeinschaftliches Wohnprojekt mit 48 Wohneinheiten auf den Konversionsflächen in der Südstadt auf die Beine stellt.
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Dass auch die junge Generation und besonders Studenten dringend leistbaren Wohnraum brauchen, zeigte Isabel Braun vom Collegium Academicum. Diese ehrenamtliche Projektgruppe will ein selbstverwaltetes Studentenwohnheim für mehr als 200 junge Menschen auf dem Gelände des ehemaligen US-Hospitals in Rohrbach schaffen. Neben dauerhaft günstigen Mieten von rund 300 Euro für ein möbliertes Zimmer - inklusive Nutzung der 600 Quadratmeter umfassenden Gemeinschaftsräume - sollen dort vor allem die soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie das gemeinschaftliche Zusammenleben im Vordergrund stehen. "Außerdem engagieren wir uns gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, sei es aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Hautfarbe", ergänzte Braun.
Besonders an den beiden "Exoten" unter den Bauprojekten - das Studentenwohnheim und das Gemeinschaftsprojekt - war das Publikum sehr interessiert. Es wurde die Frage laut, wieso es nur so wenige solcher Exoten auf dem schwierigen Wohnungsmarkt gäbe und warum es noch keine städtische Strategie zur Unterstützung ähnlicher gemeinnütziger Projekte gibt.
Mietervereins-Leiter Nestor wünschte sich in der Wohnungspolitik "einen Paradigmenwechsel von renditeorientiert auf gemeinwohlorientiert". Eine Zuhörerin merkte an, dass die Heidelberger Stadtspitze zwar eine Idee habe, wie man die Wohnungsmarktsituation angehen könne, darüber hinaus aber auch nach rechts und links schauen sollte, wie die Situation in anderen Städten geregelt werde. "In Zukunft muss man sich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen", fand auch die Zuhörerin Angeliki Papagiannaki-Sönmez. Und weiter: "Es bedarf auf jeden Fall noch vieler weiterer Diskussionen, das Thema ist alles andere als ausdiskutiert."