Heidelberg

Die Ministerin, die das Rampenlicht meidet

Bundesbauministerin Klara Geywitz war zu Gast beim Mieterverein. Sie kündigte an, viel Geld für den Wohnungsbau in die Hand zu nehmen.

16.09.2023 UPDATE: 16.09.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Bundesbauministerin Klara Geywitz sprach mit Lothar Binding, langjähriger Vorsitzender des Mieterverein Heidelberg, über die Wohnungsnot und Mittel dagegen. Foto: Arndt

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Gleich zu Beginn muss Klara Geywitz eines klarstellen: "Es ist nicht notwendig, dass Politiker so bekannt sein müssen wie Hollywood-Stars." Deshalb hat sie selbst auch keinen Instagram-Account. Geywitz will sich stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren, und das heißt in ihrem Fall: Die Wohnungsnot in Deutschland bekämpfen.

Die 47-jährige Bundesbauministerin war am Donnerstagnachmittag auf Einladung des Mieterverein Heidelberg zu Gast in der Südstadt-Chapel. Und wer ihren rund eineinhalbstündigen Auftritt – zunächst allein, dann im Gespräch mit ihrem SPD-Genossen Lothar Binding – verfolgte, der konnte nun wahrlich nicht den Eindruck gewinnen, dass da ein von einer besonders glamourösen Aura umgebener Mensch auf der Bühne steht.

Die Potsdamerin Geywitz referierte nüchtern, antwortete knapp, und blieb zu jeder Zeit sachlich. Ganz so, wie ihrer Meinung nach Politik gemacht werden muss. Denn die Probleme hierzulande rührten auch daher, so Geywitz, dass man in Deutschland manchmal lauter sei als unbedingt nötig.

Wen genau sie damit meinte, ließ die Ministerin offen. Viel wichtiger war es ihr, auf eben diese Probleme zu sprechen zu kommen. Warum Deutschland so akute Wohnungsnot hat? Unter anderem deshalb, weil die Entscheidungsträger in den 90er-Jahren entschieden hätten, dass es kein Bauministerium mehr brauche. "Das", so Geywitz, "war ein großer Irrtum."

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Seit 2021 hingegen gibt es nun erstmals ein "Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen", und die Herausforderung für dessen Leiterin könnten kaum größer sein. Ganze Metropolen müssen sich anpassen an immer extremer werdende Klimabedingungen.

Die Zahl der Wohnungslosen ist hoch, überall fehlt es an bezahlbarem Wohnraum: Statt wie noch vor einigen Jahrzehnten drei Millionen gibt es inzwischen nur noch eine Million Sozialwohnungen in Deutschland. Hinzu kommt, dass viele Menschen nicht in der Wohnung leben, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist – Stichwort Barrierefreiheit, ein Bereich, in dem der Investitionsbedarf laut Geywitz "unendlich" sei.

Ihre Schlussfolgerung: "Wir müssen in den nächsten Jahren viel Geld investieren." Denn eines habe die Bundesregierung erkannt: Der Wohnungsmarkt regele sich im Gegensatz zu anderen Märkten nicht allein über Angebot und Nachfrage.

500 Millionen Euro stellt Geywitz etwa den Ländern zur Verfügung, damit die ihre Wohnheimplätze für Azubis und Studenten aus-, neu- oder umbauen können. Das, sagte Geywitz, soll auch den Heidelberger Studenten zugutekommen. Und auch sonst machte die Ministerin während der Veranstaltung mehrfach klar, scheitere es nicht an Fördermöglichkeiten – egal ob für altersgerechtes Umbauen, für die Finanzierung von Wohneigentum für Familien oder für die Sanierung von Bestandsbauten.

Nur: Investitionen in den Wohnungsbau bräuchten eben ihre Zeit. Das erklärt laut Geywitz auch, warum das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel von bundesweit 400.000 neuen Wohnungen im Jahr – davon 100.000 Sozialwohnungen – bisher nicht erreicht wurde (2022 waren es knapp 300.000 neue Wohnungen). Ob sie die 400.000 so nochmal in den Koalitionsvertrag schreiben würde, wollte Binding wissen. Die Zahl bereite ihr keine schlaflosen Nächte, antwortete Geywitz. Fest stehe: "Wir brauchen einfach mehr Wohnungen."

Und dann gibt es da ja noch Hemmschuhe wie den gelben Koalitionspartner. Ein strengeres Mietrecht mit Verbesserungen für die Mieter hierzulande liegt schon länger auf dem Tisch von FDP-Justizminister Marco Buschmann. Der sei manchmal wohl kurz davor, sie anzuzeigen wegen Stalkings, witzelte Geywitz.

Was aber können Kommunen wie Heidelberg zur Verbesserung der Lage tun? Wohnkonzerne enteignen und vergesellschaften, wie etwa in Berlin geplant? Da ist Geywitz skeptisch. "Die Stadt wäre komplett überfordert, ohne das private Engagement." Statt ganze Konzerne aufzukaufen, sollte man das Geld lieber Genossenschaften zur Verfügung stellen.

Zum Abschluss ihres Heidelberg-Besuchs besichtigte Geywitz dann noch ein Vorhaben, das formal zwar kein genossenschaftliches ist, sich aber als gemeinnützig begreift: Mit seinem Projekt "Parasol" will der Verein "Wohnso" am Paradeplatz in der Südstadt langfristig bezahlbaren Wohnraum schaffen. Doch bevor die Parasol GmbH nach Vorbild des Mietshäuser Syndikat das Haus kaufen kann, fehlen noch Direktkredite von rund einer Million Euro. Von Bundesseite konnte Geywitz zwar vorerst keine Fördermittel versprechen, dafür müsste erst das entsprechende Recht angepasst werden. Doch sie versprach, sich weiter für das Projekt einzusetzen, hinter verschlossenen Türen. Eine Ministerin muss eben nicht immer im Rampenlicht stehen.

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