Die Heidelberger Volkshochschule leidet unter akutem Raummangel
Die Nachfrage nach Deutschkursen ist durch die Migrationsströme stark angestiegen. Der Mangel verlängert die Wartelisten.

VHS-Direktorin Silke Reck. Foto: Hentschel
Von Felix Hackenbruch
Die Jahresbilanz der Heidelberger Volkshochschule liest sich prächtig: Rekordzahlen bei angebotenen Unterrichtsstunden und Abendvorträgen, stabile Teilnehmerzahlen und gestiegene Subventionen von Stadt und Land. Trotzdem gibt sich die Direktorin Silke Reck nicht völlig sorgenfrei. Grund dafür sind die neuen Herausforderungen, welche die steigenden Migrationsströme mit sich bringen.
Gerade für den Kurs "Deutsch als Fremdsprache" gibt es lange Wartelisten, da Gelder und Räumlichkeiten fehlen. Ihr breites Angebot reduzieren möchte Reck jedoch nicht, sondern verweist stolz auf die Ergebnisse ihrer Arbeit: "Das ist ein Stück gelebte Integration."
Hintergrund
Die vhs Heidelberg wurde 1946 als Initiative engagierter Bürger gegründet. Dabei waren der Politologe Dolf Sternberger und der Kunsthistoriker Gustav Hartlaub - beide Verfolgte der nationalsozialistischen Diktatur. Die Tradition der bürgerschaftlichen
Die vhs Heidelberg wurde 1946 als Initiative engagierter Bürger gegründet. Dabei waren der Politologe Dolf Sternberger und der Kunsthistoriker Gustav Hartlaub - beide Verfolgte der nationalsozialistischen Diktatur. Die Tradition der bürgerschaftlichen Trägerschaft besteht bis heute, als eingetragener Verein. Mitglieder können natürliche und juristische Personen werden. Dem Vorstand gehören an: Prof. Hans-Peter Vosberg (Vorsitzender), Uwe Lingnau (Stellvertreter), Prof. Ulrich Brecht (Schatzmeister) Ulrike Gscheidle-Lehn und Christiane Schmidt-Sielaff.
Wie wichtig ist denn eine Volkshochschule in einer Universitätsstadt wie Heidelberg überhaupt?
Enorm wichtig! In Heidelberg, aber auch anderen Universitätsstädten, haben wir die klassischen Schulen, die berufliche Ausbildung und daneben Universität und Hochschulen im akademischen Bereich. Das Programm der Volkshochschule richtet sich an alle Bürgerinnen und Bürger ohne Zugangsvoraussetzungen, das heißt auch an die breite Mitte, die keinen Zugang zu den Angeboten der Hochschulen hat. Wir bieten erwachsenen Menschen die Möglichkeit zur sogenannten non-formalen Fort- und Weiterbildung. Daher lautet auch das Motto der Heidelberger Volkshochschule: "Bildung für alle".
Wird ihr Angebot denn auch von allen angenommen?
Es wird von allen wahrgenommen und unsere Kurse haben auch eine sehr bunte Mischung. Allerdings gibt es in Heidelberg eine Besonderheit, da wir von unseren über 60 000 Unterrichtsstunden mehr als die Hälfte im Sprachenbereich durchführen. Davon wiederum sind etwa 25 000 Unterrichtstunden "Deutsch als Fremdsprache". Die Teilnehmergruppe, die bei uns also am stärksten vertreten ist, sind Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Diese große Gruppe wiederum ist ganz stark gefächert, sowohl, was die Herkunftsländer als auch die Bildungshintergründe angeht. In Heidelberg gibt es durch die Kliniken, die Universität und die Hochschulen einen sehr hohen akademischen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund.
Hat die Nachfrage an Deutschkursen in den letzten Jahren zugenommen?
Ja, ganz signifikant. 2013 hatten wir in Deutsch noch etwa 19 000 Unterrichtsstunden und letztes Jahr bereits 25 000. Die steigenden Teilnehmerzahlen unterstreichen das nochmals und das sind nur die Zahlen der letzten beiden Jahre. Dieses Jahr erwarten wir erneut einen deutlichen Anstieg.
Fühlen Sie sich bei diesen Herausforderungen ausreichend von der Politik unterstützt?
Von der Stadt Heidelberg werden wir sehr gut unterstützt. Im neuen Doppelhaushalt haben wir durch die breite Unterstützung fast aller Fraktionen eine deutliche Zuschusserhöhung erhalten. Dafür sind wir sehr dankbar. Auch die grün-rote Landesregierung hat uns im Zuge des Doppelhaushaltes 2015/16 eine Zuschusserhöhung zugesichert. Das war ebenfalls ein tolles Zeichen, denn das war nicht immer so. Vor ein paar Jahren haben wir noch Kürzungen erlebt.
Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass die Volkshochschulen Geldsorgen haben.
Wir brauchen mehr Unterstützung - gerade vor dem Hintergrund der massiv wachsenden Migrationsströme. Wir sind eine gemeinnützige Einrichtung und wollen keine Gewinne erzielen, aber im Moment ist die Finanzierung noch in einer Schieflage. Wir liegen in Baden-Württemberg immer noch unter dem Bundesdurchschnitt, was die Landesförderung für die allgemeine Weiterbildung angeht. Unser Ziel ist es, den Bundesdurchschnitt zu erreichen, ideal wäre die sogenannte Drittelfinanzierung: ein Drittel aus Teilnehmergebühren, ein Drittel zahlt die Kommune und ein Drittel kommt vom Land. Nur so können wir erreichen, dass auch einkommensschwächere oder weiterbildungsferne Gruppen Zugang zu Bildungsangeboten haben. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich jedenfalls sagen: Es geht schrittweise in die richtige Richtung.
Sie bieten ein breit gefächertes Angebot - von Thailändisch, über Wirbelsäulengymnastik bis zu Keramikworkshops an. Müssten Sie aus ökonomischer Sicht nicht reduzieren?
Wir haben einen ganzheitlichen Bildungsauftrag. Wir gehen also davon aus, dass Bildung nicht ausschließlich im direkten ökonomischen Verwertungszusammenhang gesehen werden kann, sondern dass Menschen der Zugang zu einem umfassenden Bildungsangebot zu bezahlbaren Preisen ermöglicht werden soll. Dazu gehören unbedingt auch kulturelle, politische, geisteswissenschaftliche und gesundheitliche Bildung. Wenn wir uns in diese Einseitigkeit hinein begeben, unterscheidet uns an dieser Stelle nichts mehr von kommerziellen Anbietern.
Neben ökonomischen Überlegungen eröffnen sich aber auch viel praktischere Probleme. Die Wartezeit für die Deutschkurse beträgt oft ein Vierteljahr und Sie müssen viele Interessierte zunächst wieder nach Hause schicken. Warum ist das so?
Räume! Räume sind das große Problem. Wir könnten auf einen Schlag nächste Woche fünf neue Integrationskurse starten, wenn wir die Zusage für fünf weitere Unterrichtsräume hätten. Die müssen an einem geeigneten Standort liegen, gut bespielbar und ausreichend groß sein. Gerade den Standort in der Bergheimer Straße teilen wir uns mit der "Akademie für Ältere" und wir wollen nicht auf deren Kosten wachsen. Aber wir platzen aus allen Nähten. In der 11-Uhr-Pause geht es hier zu wie am Hauptbahnhof. Fehlende Räume sind unser Problem. Über das Thema sind wir jedoch mit der Stadt und dem Oberbürgermeister intensiv im Gespräch.
Dennoch steht schon das breite Programm für das nächste Semester. Können Sie einen Kurs im nächsten Semester empfehlen?
Ein spannender Favorit ist MBSR! Das steht für Mindfulness-Based Stress Reduction, dahinter verbirgt sich eine wirkungsvolle Stressmanagement-Methode, die vielfach von Studien gestützt wird und wirkt. Unser Programmangebot ist insgesamt ungeheuer vielfältig und spannend, es gibt immer Neues zu entdecken. Da fällt es wirklich schwer, sich auf eine einzige Empfehlung zu beschränken.