City of Literature: "Ein Label zum Renommieren"

Heidelberg ist "City of Literature": Was bedeutet das? - Ein Gespräch mit Kulturbürgermeister Joachim Gerner

10.04.2015 UPDATE: 11.04.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden

Seit Dezember letzten Jahres gehört Heidelberg zu den "Cities of Literature". Aus einer Vision soll jetzt Konkretes entstehen. Foto: Joe

Von Ingrid Thoms-Hoffmann

Als am 1. Dezember 2014 Heidelberg in den Kreis der Unesco-Literaturstädte aufgenommen wurde, da war die Freude groß, die Feier bescheiden und die kritischen Stimmen waren nicht zu überhören. Gut vier Monate danach sieht die Welt schon anders aus und die ersten Projekte sind auf der Zielgeraden. Darüber sprachen wir mit Kulturbürgermeister Joachim Gerner.

Hintergrund

Literarischer Stadtplan: Das Kulturamt arbeitet an einem Faltblatt, auf dem die Buchhandlungen und Antiquariate verzeichnet sind. "Wir nehmen mit dem Buchmarkt ganz bewusst die wirtschaftliche Seite der Literaturstadt in den Blick", sagt Amtsleiterin Andrea

[+] Lesen Sie mehr

Literarischer Stadtplan: Das Kulturamt arbeitet an einem Faltblatt, auf dem die Buchhandlungen und Antiquariate verzeichnet sind. "Wir nehmen mit dem Buchmarkt ganz bewusst die wirtschaftliche Seite der Literaturstadt in den Blick", sagt Amtsleiterin Andrea Edel. Das Buchgeschäft gehört zu den wichtigsten Teilmärkten in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Laut jüngster Heidelberg-Studie werden Bücher mehrheitlich im lokalen Handel gekauft. Im Stadtkreis gibt es mehr als 150 Betriebe mit fast 1000 Beschäftigten.

Poetik-Dozentur 2015: Am 9. Juni um 19 Uhr in der Alten Aula der Universität wird das Kooperationsprojekt von Uni und Stadt mit einer Laudatio des Poeten Lutz Seiler eröffnet.

Clemens Brentano-Literaturpreis: Am 30. Juni erhält die Autorin Saskia Henning von Lange für ihren Roman "Zurück zum Feuer" (2014) den Literaturpreis.

Mit Übersetzern auf Tour: Anlässlich des internationalen Übersetzertags am 30. September laden die Heidelberger Literaturübersetzer Kollegen aus einer anderen "Citys of Literature" ein. Bei einer Veranstaltung geht es dann um die Rolle des Übersetzers als literarische Person. Austragungsstätten sollen Orte sein, die die Idee des Übersetzens bereits in sich tragen. Zum Beispiel ein Neckar-Fährschiff, die Bergbahn oder die Alte Brücke.

Weltkarte der Poesie: Das Konzept einer Anthologie, die die Lyrik der Dichter der Unesco-Literaturstädte in einem internationalen Gemeinschaftsprojekt abbildet. Alle Formen der Poesie sollen vertreten sein, um den kulturellen Austausch zu fördern und spartenübergreifend unter anderem Musik, Kunst, Film miteinzubeziehen. Der Poesie-Diskurs soll sich auf einer Internet-Plattform entwickeln. Initiator ist der Verlag "Das Wunderhorn". if

[-] Weniger anzeigen

Herr Gerner, jetzt ist Heidelberg auch noch "City of Literature". Die Kultur boomt in dieser Stadt.

Da haben Sie vollkommen Recht. Und das Schöne ist, dass die Kultur in Heidelberg eine zentrale Rolle spielt. Kritikern, die es natürlich auch gibt, kann ich mit der jüngsten Heidelberg-Studie entgegnen, dass 80 Prozent der Heidelberger die Kultur kennen, schätzen und vor allem auch nutzen. 25 Prozent haben schon einmal etwas von "City of Literature" gehört, das ist doch eine gute Basis, auf der man aufbauen kann.

Der Gemeinderat hat sich ja nicht kleinlich gezeigt, als es Ende März um die Vergabe der Mittel ging.

Dafür bin ich ihm auch außerordentlich dankbar. Jährlich fließen 90 000 Euro in Projekte, dazu kommen 60 000 Euro für Personal. Jetzt haben wir und unsere Partner Klarheit, welche Mittel uns zur Verfügung stehen. Und wir haben viele Ideen, um das Label "Literaturstadt" mit Leben zu füllen.

Im vorletzten Doppelhaushalt stand der Tanz im Mittelpunkt, jetzt die Literatur, was kommt denn als nächstes?

Da sind wir genau bei den Säulen, die für mich wichtig sind und die vor allem eines bedeuten: ein Alleinstellungsmerkmal. Darum geht es ja. Was noch fehlt, ist das Hervorheben der "Outsider Art". Aber da sind wir ja auf dem besten Weg. Und ganz sicher wird der Ausbau für die Prinzhorn-Sammlung ein tolles Projekt.

Aber jetzt ist erst einmal die Literatur dran. Wie sieht es denn da eigentlich mit dem Literaturhaus aus?

Wie Sie wissen, kümmert sich ja der Verein darum, der gerne in den Wormser Hof einziehen möchte. Wir vonseiten der Stadt warten erst einmal ab, wie das läuft, und begrüßen dieses bürgerschaftliche Engagement. Für uns wird das erst konkret, wenn der Verein nicht weiterkommt.

Immer wieder taucht ja mit der Literatur-Stadt auch der Wunsch nach einem "writer in residence" auf. Was halten Sie denn davon?

Im Moment geht es uns nicht primär darum. Es gibt mindestens elf Stadtschreiber, und ich denke, wir brauchen nicht den zwölften. Durch die Preise, die in Heidelberg vergeben werden, betreiben wir auch Autorenförderung und unsere Intention ist ja auch eine andere.

Und die wäre?

Heidelberg soll als politischer Raum und als Tor zur Welt mit den Mitteln der Literatur erfahrbar gemacht werden. Dabei verstehen wir Literatur als Prozess internationaler, nationaler und lokaler Vernetzung.

Das klingt sehr hochtrabend, geht es auch ein bisschen einfacher?

Also es geht primär nicht um ein Veranstaltungsfeuerwerk. Die Kernelemente literarischen Schaffens - das Schreiben, Übersetzen, Vermitteln und Lesen - sollen im Zusammenhang und in ihren Wechselwirkungen gesehen werden. Das wollen wir in Debatten, Produktionen und Projekten thematisieren. Das war ja auch Grundlage unserer Bewerbung.

Braucht das Projekt "City of Literature" ein festes Haus, um Konkretes zu verwirklichen?

In der Startphase sicher nicht. Wir müssen sehen, wie sich das alles weiterentwickelt. Im Moment läuft es sehr gut so, wie es ist. Das Kulturamt mit Andrea Edel an der Spitze ist so eine Art Geschäftsstelle. Hier laufen die Kontakte zusammen. Frau Edel hat aber keineswegs die Intendantenrolle übernommen. Vielmehr moderiert sie und gibt durchaus auch eigene Impulse.

Es wurde ja eine "Literaturversammlung" gegründet. Was muss man sich darunter vorstellen?

Jene Versammlung umfasst die gesamten Akteure, also Autoren, Übersetzer, Verleger, Buchhändler, Antiquare, Veranstalter, Bibliothekare, Uni-Lehrende, Vereine und Initiativen. Jede dieser Gruppen hat einen Sprecher und zweimal im Jahr soll die große Literaturversammlung stattfinden, in der dann gemeinsam das kommende Programm besprochen wird.

Zu den Literaturtagen im Juni haben Sie Vertreter aus aller Welt eingeladen. Wie ist denn der Rücklauf?

Sehr positiv. Was mich sehr freut, ist, dass gestern auch der Vertreter aus Melbourne zugesagt hat.

Und wer bezahlt das?

Den Flug zahlen die Eingeladenen, für die Unterbringung und Verpflegung kommen wir auf. Da haben wir ja die Projektmittel.

Kultur ist teuer. Sponsoren zu finden in diesem Bereich nicht einfach.

Natürlich brauchen wir Geld. Aber ich bin optimistisch. Schon während der Bewerbungsphase stießen wir auf offene Ohren. So hat uns damals unter anderem Manfred Lautenschläger unterstützt. Jetzt denke ich aber auch an das Land, das uns helfen könnte. Denn schließlich ist das Label "City of Literature" ja auch eine Sache, mit der das Land renommieren kann. Wir sind jedenfalls dran.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.