Heidelberg

Astrophysiker Thomas Henning will lieber nach Patagonien als ins All

Henning erforscht in Heidelberg die Entstehung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Nun wurde er mit der renommierten Karl-Schwarzschild-Medaille ausgezeichnet.

15.10.2023 UPDATE: 15.10.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden
„Versuche das, was du machst, extrem gut zu machen“: Thomas Henning ist Professor für Astrophysik und Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie auf dem Königstuhl. Er forscht zur Entstehung von Sternen und Planeten. Foto: Udo Lahm

Von Arndt Krödel

Heidelberg. Sein Arbeitsplatz ist einer der am höchsten gelegenen Heidelbergs. Und einer der Idyllischsten dazu: Thomas Henning, Professor für Astrophysik, ist Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) auf dem Königstuhl und betreibt seine Forschung über das Verständnis der Entstehung von Sternen und Planeten in der himmlischen Ruhe des waldreichen Heidelberger Hausbergs – falls er nicht gerade unterwegs ist.

Seit 2001 arbeitet der in Jena geborene und in Weimar aufgewachsene Wissenschaftler in Heidelberg, der "Stadt der Astronomie" mit ihrer seit Jahrhunderten bestehenden Forschungstradition, die er mit seinem Team fortsetzt. Welche Früchte diese Arbeit trägt, zeigt die kürzlich in Berlin an Henning vergebene Auszeichnung mit der renommierten Karl-Schwarzschild-Medaille (siehe Hintergrund).

Hintergrund

> Die Karl-Schwarzschild-Medaille gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Astronomie in Deutschland. Benannt nach dem berühmten Astronomen Karl Schwarzschild (1873-1916), einem der Pioniere der modernen Astrophysik, ehrt die 1863 in Heidelberg gegründete

[+] Lesen Sie mehr

> Die Karl-Schwarzschild-Medaille gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Astronomie in Deutschland. Benannt nach dem berühmten Astronomen Karl Schwarzschild (1873-1916), einem der Pioniere der modernen Astrophysik, ehrt die 1863 in Heidelberg gegründete Astronomische Gesellschaft damit jedes Jahr hochrangige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland für besondere Forschungsleistungen in der Astronomie und Astrophysik. Prof. Thomas Henning wurde die Auszeichnung für "seine herausragenden Beiträge auf dem Gebiet der Stern- und Planetenentstehung" zuerkannt. ark

[-] Weniger anzeigen

In Heidelberg fühlt sich der noch zu Zeiten der DDR in Jena tätige Astrophysiker – an der dortigen Universität promovierte er und habilitierte sich – sehr wohl. Beide Städte, die früher einmal die gleiche Postleitzahl hatten, nämlich 6900, wie er im Gespräch mit der RNZ schmunzelnd erwähnt, empfindet er als gar nicht so unterschiedlich. Große Städte seien schlecht für die Wissenschaft, zitiert er den Vater der Relativitätstheorie, Albert Einstein.

Heidelberg sei eine Stadt der kurzen Wege und damit der Kommunikation sehr förderlich. Allerdings sieht Henning, was die Stadtkultur betrifft, in Jena mehr das Moment des Aufbruchs verortet als in Heidelberg, wo nach seiner Beobachtung bei allem Neuen erst mal eine Gruppe von Menschen dagegen sei. Dennoch schätzt er die Offenheit der Stadt, die er an Einrichtungen wie dem Deutsch-Amerikanischen Institut immer wieder erlebt hat. Und er liebt die Pfalz und genießt dort gerne mal ein gutes Glas Weißwein.

Auch interessant
Heidelberger Wissenschaftsjournalist: Anil Ananthaswamy beschäftigt sich mit KI
Bammental: Segelschiff wird für 15-Jährige sechs Monate zum "Klassenzimmer"
Heidelberger Sternfreunde: Polarlichter im Südwesten eher unwahrscheinlich
Heidelberg: Clarisse und Shelly programmierten Software zur Schrifterkennung
Heidelberg: Landessternwarte auf Königstuhl wird 125 Jahre alt

Den Begriff "Heimat" verbindet er nicht mit einer bestimmten Stadt oder einer Region, sondern mit der internationalen Community seiner Profession. "Das ist das Tolle am Beruf des Wissenschaftlers, dass man mit so vielen Leuten mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammenkommt und zusammenarbeitet", sagt Henning. An seinem Institut sind über 50 Nationalitäten vertreten.

Im Rückblick auf seine Biografie spricht der Wissenschaftler von dem "großen Glück", in einer liberalen Familie aufgewachsen zu sein. Als eine Maxime fürs Leben gaben ihm die Eltern mit: "Versuche das, was du machst, extrem gut zu machen." Das Interesse für Astronomie war bei Thomas Henning nicht von Anfang an vorhanden – sein Wunschberuf als Kind war es nicht. Im Alter von zwölf Jahren, erzählt er, befand er sich auf "Abenteuertour" wie viele andere Jungs auch, las alle Bücher über Polarexpeditionen und interessierte sich für elektronische Musik.

Mit 15 hatte er ein kleines Chemielabor im Keller – "das Haus steht noch", lacht er –, hätte vielleicht auch Chemie studiert, wenn seine Schwester nicht eben dies getan hätte. Da entschied er sich lieber für Physik, was er nie bereut hat. Der Zugang zu dem Fach war für ihn nicht emotional und kam gänzlich "ohne Amateurfernrohr" aus: "Ich war mehr an den fundamentalen Physikfragen interessiert", betont er.

Ein Schwerpunkt seiner Forschung sind sogenannte Exoplaneten, planetare Himmelskörper außerhalb unseres Sonnensystems. "Wir wollen verstehen, wie die Planetenpopulationen entstehen, die wir beobachten. Das hilft uns ein bisschen zu verstehen, wie das Sonnensystem entstanden ist", erläutert Henning. Knapp 5000 Exoplaneten sind mittlerweile entdeckt. Bisher sind keine erdähnlichen Planeten oder sonnenähnliche Sterne gefunden worden. Das sei einfach extrem schwierig, erklärt der Wissenschaftler. Aber in fünf Jahren, prophezeit er, kennen wir wahrscheinlich solche Objekte.

Eine wichtige Rolle übernimmt dabei das James Webb-Weltraumteleskop, das vor einem Jahr in Betrieb genommen wurde. Henning und sein Team haben eines der Instrumente dieser "Entdeckungsmaschine", wie er schwärmt, gebaut, mit dem "wir etwas über die Entstehung des Universums, über die Entstehung von Galaxien und über die Entstehung von Sternen und Planeten lernen".

Darüber hinaus hat Henning 2014 die "Heidelberger Initiative für die Ursprünge des Lebens" gegründet, die versucht, eine der grundlegendsten Fragen der Menschheit zu verstehen: Wie ist das Leben auf der Erde entstanden und gibt es Leben anderswo im Universum? Ein spannendes Thema, das allerdings keine Disziplin alleine lösen kann.

Henning blickt bei seinen astronomischen Forschungen ständig in ferne Welten. Würde er selbst gerne mal ins All fliegen? Er antwortet entschieden: "Nein, da wird einem wahrscheinlich erst mal ziemlich übel!" Es ist nichts, was ihn besonders interessieren würde. "Wenn ich nach Patagonien in Chile fahren kann, finde ich das viel schöner." Er liebt das südamerikanische Land, das er wegen der dortigen astronomischen Beobachtungsstationen häufig besucht. In seinem Forscherleben hat er eine wesentliche Erkenntnis gewonnen: "Dass wir wirklich nur ein Rädchen in diesem ganzen Universum sind." Und das sollte uns zu einer gewissen Ehrfurcht, aber auch zu mehr Gelassenheit führen.

Info: An diesem Samstag veranstalten das Max-Planck-Institut für Astronomie und das Haus der Astronomie, Königstuhl 17, zwischen 10 und 17 Uhr einen Tag der offenen Tür. In Vorträgen und Mitmachstationen geht es unter anderem um neue astronomische Ergebnisse – von der Entstehung unserer Galaxie und unseres Sonnensystems bis hin zu Planeten um andere Sterne. Für die jüngeren Besucher wird ein astronomisches Kinderprogramm angeboten. Details zur Anfahrt unter: www.mpia.de/tdot2023.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.