Plus "Fauler Pelz"

Heidelberger Ex-Knast für Minister alternativlos (Update)

Sozialminister Manne Lucha ist am Donnerstag im Heidelberger Gemeinderat.

16.05.2022 UPDATE: 02.06.2022 21:08 Uhr 5 Minuten, 35 Sekunden

Das ehemaligen Gefängnis "Faule Pelz" in der Heidelberger Altstadt. Archivfoto: Dagmar Welker

Heidelberg. (hob) Die Lage im baden-württembergischen Maßregelvollzug sei "mehr als brisant", sagte Sozialminister Manne Lucha am Donnerstag im Gemeinderat. Er appellierte er an die "gesamtgesellschaftliche Verantwortung" der Stadträte. Wenn sie ihren Widerstand gegen seine Pläne nicht aufgeben würden, riskierten sie, dass verurteilte Straftäter in Freiheit entlassen werden müssen. Mit diesen Argumenten versuchte er die Heidelberger zu überzeugen.

> Es gibt zu wenig Plätze im Maßregelvollzug. In den letzten Jahren seien die Gerichte immer häufiger dazu übergegangen, Straftäter in eine Entzugsklinik oder in die Psychiatrie einzuweisen. Ende April gab es 1343 Patienten im baden-württembergischen Maßregelvollzug. "Im Vergleich zum Jahresende 2017 ist das eine Zunahme um 28 Prozent", so Lucha. Um den Ansturm zu bewältigen, sei in allen bestehenden Einrichtungen massiv verdichtet worden. Besucher- und Gemeinschaftsräume wurden demnach zu Patientenzimmern umfunktioniert, an den Standorten Calw und Weinsberg wurde neu gebaut, in Reichenau Container aufgestellt. "Es gibt aber immer noch nicht genügend Plätze", so Lucha: "Derzeit warten noch 82 Unterzubringende in der Organisationshaft auf einen Therapieplatz." Können sie nicht rechtzeitig von der Justizvollzugsanstalt in den Maßregelvollzug verlegt werden, können sie ihre Freilassung beantragen. Im vergangenen Jahr wurden laut Lucha 30 suchtkranke oder psychisch kranke Straftäter entlassen, 2022 waren es bereits 17. "Auch Heidelberger Straffällige kommen frei, wenn es im Land nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten gibt."

> "Fauler Pelz" ist alternativlos. Etliche Standorte seien geprüft worden, doch aufgrund des erforderlichen Sicherheitsstandards komme nur das leer stehende Altstadtgefängnis für ein schnell umsetzbares Provisorium infrage. Weitere Neubauten in Wiesloch, Schwäbisch Hall und Winnenden bräuchten noch Zeit.

> Pläne der Universität werden nicht behindert. Bis Geisteswissenschaftler in den Komplex einziehen können, benötige die Uni "ein gerüttelt Maß an Zeit", so Lucha. Zunächst brauche sie einen Architekten, dann gehe es an die Planung und überdies müssten auch die Leistungen noch ausgeschrieben werden, damit das Projekt in den Landeshaushalt aufgenommen werden könne. Laut der zuständigen Behörde "Vermögen und Bau" sei dies keinesfalls vor 2025 beendet. Die Investitionen des Sozialministeriums in Höhe von elf Millionen Euro verhinderten überdies, dass die Gebäude verfallen. W-Lan und Heizung könnten später auch von der Uni genutzt werden. Daher profitiere auch sie von einer Zwischennutzung.

Update: Freitag, 3. Juni 2022, 20.43 Uhr

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Minister bittet Gemeinderat um Maßregelvollzug in Heidelberg

Heidelberg. (dpa/lsw) Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat den Heidelberger Gemeinderat leidenschaftlich um grünes Licht für die Nutzung des Ex-Knasts "Fauler Pelz" für die Behandlung drogenabhängiger und psychiatrisch erkrankter Straftäter gebeten. "Die Notlage macht auch vor Heidelberg nicht Halt", sagte er am Donnerstagabend vor dem Gremium mit Blick auf Überbelegungen in den Kliniken für Psychiatrie. Diese sind zu einem Drittel überbelegt.

>>>Hier lesen Sie den Artikel über die Entscheidung des Gemeinderates am Donnerstagabend<<<

Lucha betonte, das Misstrauen der Stadträte gegen den Maßregelvollzug sei nicht begründet. Sie glauben nicht an die vom Ministerium angekündigte Interimslösung bis Sommer 2025 und wollen das Gebäude für die Universität vorhalten. Dem entgegnete Lucha: "Ich gebe ihnen mein Ehrenwort, dass das nicht passieren wird." Er sei an einer einvernehmlichen Lösung interessiert und wolle die "kalte Schulter" des Gemeinderats aufweichen. Dieser habe auch eine Allgemeinwohlverpflichtung.

Der Gemeinderat sollte am Abend über einen Vorschlag von Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) abstimmen, den Bauantrag des Landes für die Umwandlung des Ex-Knasts ein Jahr zurückzustellen.

Update: Donnerstag, 2. Juni 2022, 21.07 Uhr


Wenn der Minister in den Heidelberger Gemeinderat kommt

Heidelberg. (hob) Kurz vor dem Besuch von Sozialminister Manne Lucha im Heidelberger Gemeinderat an diesem Donnerstag macht die Landesregierung noch einmal deutlich, dass sie an ihren Plänen für den "Faulen Pelz" festhalten will. Das Zentrum für Psychiatrie Calw soll das stillgelegte Gefängnis zu einem Maßregelvollzug umbauen, doch das städtische Baurechtsamt hat die Arbeiten aufgrund der fehlenden Genehmigung per Verfügung eingestellt. Dagegen hat das Sozialministerium inzwischen Widerspruch beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingelegt.

Nach dem aktuellen Zeitplan kann Lucha gegen 19 Uhr im Rathaus sein. Wenn er dann vor dem Gemeinderat um Verständnis werben wird, dass Plätze im Maßregelvollzug dringend gebraucht werden, weil andernfalls gewaltbereite Straftäter in Freiheit entlassen werden müssten, wird Eckart Würzner fehlen. Der Oberbürgermeister ist positiv auf Corona getestet worden. Und so wird es nun die Aufgabe von Bürgermeister Jürgen Odszuck sein, zu erklären, dass sich auch das Sozialministerium an die Vorgaben des Baugesetzbuches halten muss. Für die elf Millionen Euro teuren Umbauten des seit Ende 2015 leer stehenden "Faulen Pelz" seien eben ein Bauantrag und eine Baugenehmigung nötig. Ersteren hat das Ministerium aber erst im April eingereicht.

Im Gemeinderat wird es nun darum gehen, diesen Antrag um ein Jahr zurückzustellen. Er stehe dem aktuellen Bebauungsplan entgegen, heißt es dazu im Beschlussvorschlag der Verwaltung. Das Ministerium will wiederum den Paragrafen 37 im Baugesetzbuch bemühen: Kann bei einer besonderen "öffentlichen Zweckbestimmung" kein Einvernehmen mit der Kommune hergestellt werden, entscheidet demnach das Regierungspräsidium.

Würzner betonte in der Vergangenheit mehrfach, dass Heidelberg in Kooperation mit anderen Kommunen dem Land Alternativen zum "Faulen Pelz" aufgezeigt habe, die besser als das alte Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert für den Maßregelvollzug geeignet seien. "Es ist zutreffend, dass der gemeinnützige Verein St. Thomas 40 Plätze für suchtkranke Straftäter in einer geschlossenen Einrichtung angeboten hat", sagt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage: "Ein Maßregelvollzug, zumal in geschlossenen Einrichtungen, ist aber eine hoheitliche Aufgabe des Landes und kann nicht an Private übertragen werden." Das Gebäude in Leimen sei weder unter Kapazitäts- noch aus Sicherheitsgesichtspunkten als Ersatz für den "Faulen Pelz" geeignet. Das Ministerium sieht auch keine Möglichkeit, die Suchtkranken im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch unterzubringen. Denn die 24 Plätze, die dort aktuell durch Sanierung einer Altbaustation entstehen, werden für psychisch kranke Straftäter gebraucht.

Update: Mittwoch, 1. Juni 2022, 20.30 Uhr


Baurechtsamt lässt die Arbeiten am "Faulen Pelz" einstellen

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Seit Monaten droht die Stadt Heidelberg dem baden-württembergischen Sozialministerium, die Bauarbeiten im "Faulen Pelz" einstellen zu lassen. Nun macht das Baurechtsamt ernst: Die Behörde hat an diesem Montag eine entsprechende Verfügung an das Land übermittelt. Demnach muss die Bautätigkeit an dem ehemaligen Altstadtgefängnis sofort gestoppt werden. Kontrolleure werden das Verbot überwachen, wie eine Stadtsprecherin auf RNZ-Anfrage mitteilte. Sollte sich das Sozialministerium nicht daran halten, werde die Baustelle versiegelt. Wenn das Siegel aufgebrochen werden würde, wäre dies wiederum eine Ordnungswidrigkeit.

Der Streit um den von der Landesregierung geplanten Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter hat damit eine neue Eskalationsstufe erreicht. Doch die Stadt sah sich laut einer Pressemitteilung dazu gezwungen. Kontrolleure hätten nämlich bei einem Ortstermin am 11. Mai "umfangreiche Arbeiten" festgestellt. Konkret spricht die Behörde von demontierten Heizkörpern, herausgerissenen sanitären Anlagen und herausgetrennten Türen, aber auch von neu verlegten Kabeln. All diese Maßnahmen sind nach Auffassung der Stadt genehmigungspflichtig. Doch über den entsprechenden Bauantrag, den das Land erst am 22. April gestellt hat, ist noch lange nicht entschieden.

"Es ist schade, dass dieser Schritt jetzt nötig geworden ist", sagt Baubürgermeister Jürgen Odszuck: "Aber wir haben das Land bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass derartige Arbeiten im ,Faulen Pelz’ nicht erfolgen dürfen, da eine entsprechende Genehmigung nicht vorliegt." Offenbar wolle das Land in seiner eigenen Immobilie Fakten schaffen. Odszuck: "Davor können wir als zuständige Bauaufsichtsbehörde nicht die Augen verschließen."

Seit Monaten schwelt zwischen der Landesregierung und der Stadt Heidelberg ein Streit um den ehemaligen Knast. Das Sozialministerium möchte die beiden Gebäude ab Herbst und befristet bis zum Sommer 2025 für den Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter benutzen. Die Entzugsklinik mit 75 Plätzen soll vom Zentrum für Psychiatrie Calw betrieben werden. Die Stadtspitze und der Gemeinderat fürchten jedoch, dass die Einrichtung auch noch länger benötigt werden könnte. Überdies sei der Standort inmitten der dicht besiedelten Altstadt ungeeignet, um gefährliche Kriminelle unterzubringen. Der Gemeinderat machte im Dezember daher von seiner Planungshoheit Gebrauch und stellte für das Gelände einen Bebauungsplan auf. Demnach ist im "Faulen Pelz" nur eine universitäre Nutzung möglich. Aktuell wird in den Ausschüssen darüber diskutiert, den Bauantrag des Sozialministeriums aus diesem Grund um ein Jahr zurückzustellen. Der Stadtentwicklungs- und Bauausschuss vertagte in der vergangenen Woche aber diese Entscheidung.

"Das Land wird gegen die Einstellungsverfügung Widerspruch einlegen", sagte unterdessen ein Sprecher des Sozialministeriums auf RNZ-Anfrage: "Wir sind mehr als irritiert über den Konfrontationskurs der Stadt. Oberbürgermeister Würzner hat offensichtlich die Notlage nicht erkannt – das Land ist dringend auf Liegenschaften angewiesen, in denen interimsmäßig, bis die bereits begonnenen Neubauten an den anderen Standorten fertiggestellt sind, suchtkranke Straftäter untergebracht werden können, da sonst die Gefahr droht, dass diese auf freien Fuß gesetzt werden müssen." Es sei enttäuschend, dass die Stadt in dieser Sache Tatsachen schaffen wolle, bevor der Gemeinderat am 2. Juni über den Faulen Pelz berät. An dieser Sitzung nimmt auf Einladung der Stadt Sozialminister Manne Lucha (Grüne) teil.

Update: Montag, 16. Mai 2022, 20.14 Uhr

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