Ist das Radnetz in Heidelberg ein "toller Plan" oder "Blödsinn"?
Wenn Verkehrspolitik zum Kulturkampf wird: So fallen die Reaktionen auf den geplanten Ausbau in der RNZ-Community aus.

Heidelberg. (make) Die Stadt Heidelberg hat eine "Radstrategie 2030" erarbeitet und diese mehrheitlich im Gemeinderat beschlossen. Konkret hat diese zum Ziel, das Fahrradnetz in der Stadt am Neckar auszubauen: mit breiteren Strecken und neuen Verbindungen. Das über 100 Projekte umfassende Vorhaben ruft auf den RNZ-Kanälen bei Social Media und in den Kommentaren auf www.rnz.de zahlreiche Reaktionen hervor. Wir haben einige davon in Auszügen thematisch zusammengestellt.
Umsetzung
Bevor die Projekte umgesetzt werden können, müssen die Maßnahmen im Haushalt eingeplant werden. Einige RNZ-Lesende sind noch skeptisch, was die konkrete Umsetzung anbelangt, wie dieser Kommentar auf RNZ.de offenbart: "Ich lese das seit 20 Jahren. Konzepte, Planungen Strategien. Ich glaube an die Radwege erst, wenn ich darüber rolle".
Ein anderer User auf Facebook schreibt zum Plan für das neue Radnetz: "Sehr gute Idee. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Ein gutes Beispiel sind die Radwege am Kirchheimer Bahnhof". Ein anderer User gibt zu bedenken: "Toller Plan, wo soll im Talkessel der Platz herkommen?".
Einige User haben sich auch schon näher mir den breiteren Fahrradwegen auseinandergesetzt, wie dieser Kommentator auf Instagram zeigt: "Finde ich prinzipiell gut, frage mich nur, wie in der Brückenstraße rechts und links mindestens 2,30 Meter breite Radwege entstehen sollen."
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Finanzierung
Für 2025/26 schlägt die Heidelberger Verwaltung etwa 1,7 Millionen Euro für die Umsetzung erster Schritte vor. Aufwendigere Projekte werden langfristig auf mehrere Millionen Euro beziffert. Ein Kommentator auf RNZ.de schreibt dazu: "Wofür wollen wir Bürger als erstes Geld ausgeben? Bildung? Infrastruktur? ÖPNV? Danach werden die Gelder zugeteilt. Wenn die Rezession vorbei ist, die Einnahmen steigen, dann kann man wieder mehr Wünsche haben".
Das Thema Finanzierung treibt auch eine Kommentatorin auf Facebook um: "Wer zahlt das? Die Stadt hat doch angeblich kein Geld mehr". Ähnliche Kommentare wie "Wird nicht passieren. Ist eh kein Geld da", reihen sie daran an. Eine Facebook-Nutzerin lehnt die Investition generell ab und schreibt: "Angeblich kein Geld da. Aber für diesen Blödsinn bei den ohnehin engen Straßen wohl schon….".
Bei der Frage, welche Steuereinnahmen für das Projekt verwendet werden könnten, plädiert etwa ein User für die KfZ-Steuer: "Mit der KFZ Steuer zahlt auch kein Autofahrer in Gänze die Straße, da sie nicht zweckgebunden ist. Ich persönlich begrüße solche Vorhaben, Radwege auszubauen. Und ja, ich bin mit dem Auto auch oft unterwegs."
Mit dem Fahrrad, Auto oder anders?
Unser Redakteur schreibt im RNZ-Artikel: "Das Fahrrad ist bereits das wichtigste innerstädtische Verkehrsmittel in Heidelberg. Doch seine Rolle soll deutlich wachsen". Er nennt die Beweggründe: das Erreichen der Klimaziele und der Forderungen der Bürgerinnen und Bürger nachzukommen. In den Kommentarspalten auf RNZ.de, Facebook und Instagram wird dabei einmal mehr die Polarisierung zwischen überzeugten Fahrradfahrenden und Autofahrenden deutlich.
Ein Kommentator auf Facebook schreibt dazu: "Warum nur wird über die RadfahrerInnen immer dieser Hass ausgegossen? Wenn alle Heidelberger RadfahrerInnen mit dem Auto kommen, ist wahrscheinlich kein Durchkommen mehr in der Stadt". Exemplarisch erwidert eine Kommentatorin darauf: "Die Radfahrer fühlen sich wohl als Herrscher der Straße". Eine andere Kommentatorin wirft ein: "Und wer schützt die Fußgänger? Interessant, dass Radfahrer als Alternative nichts zu kennen scheinen als das Auto. Es gibt tatsächlich auch die Möglichkeit, zu Fuß zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen".
Auf RNZ.de streiten sich User aufgrund dieses Kommentars: "Ein fast drei Millionen Euro teures Projekt, nur damit eine Handvoll Radfahrer sich "überholen" oder "nebeneinander fahren" können - und alles auf Kosten des Autoverkehrs (und natürlich des Steuerzahlers)." Eine Replik darauf lautet zum Beispiel: "...es gibt tatsächlich SEHR VIELE Menschen in Heidelberg, die GENAU DAS möchten - und keine sinnlosen Investitionen in eine rückständige, autozentrierte und menschenfeindliche Verkehrspolitik wie aus den 60er und 70er Jahren."
Verkehrspolitik als Kulturkampf
Die emotional geführte Diskussion hebt ein User auf RNZ.de in einem längeren Kommentar hervor. Die Reaktionen, finde er, seien bei einem sachlichen Thema wie dem Ausbau von Radwegen bezeichnend für eine gesellschaftliche Stimmung, die weit über die Mobilitätsfrage hinausgehe. Dazu meint der Kommentator: "Es geht nicht um Radwege. Es geht um gefühlte Bedrohung, um Besitzansprüche, um das Festhalten an einem Lebensstil, der als einzig gültige Normalität empfunden wird. Die Radstrategie wird dann nicht als Angebot verstanden – sondern als Angriff. Ein geplanter Radweg wird zur Kampfansage, das Fahrrad zur kulturellen Provokation". Es gehe nicht mehr um Lösungen, sondern ums Rechthaben. Nicht um Verkehrspolitik, sondern um Kulturkampf, schreibt der Nutzer.
Im RNZ-Artikel schreibt unser Redakteur über die Hintergründe zum Radkonzept: "Die Grundidee ist es, in Heidelberg ein Fahrradnetz nach Kopenhagener Vorbild zu errichten". Eine Kultur der Rücksicht – auf beiden Seiten – wünschen sich auf RNZ-Lesende. Ein Kommentator auf Facebook schreibt dazu: "Dann sollen sich mal auch alle deutschen Radfahrer die Disziplin der Kopenhagener anschauen, dann bin ich sofort dabei". Damit meine er etwa: Anhalten nur auf dem Radweg mit erhobener Hand oder immer die richtige Fahrtrichtung und Fahrbahnseite.
Als Ansatz für ein Aufeinanderzugehen heißt es im Kulturkampf-Kommentar: Gute Radinfrastruktur nehme niemandem etwas weg – sie schaffe Optionen, die vorher nicht da waren. Wer nicht Rad fahren kann oder will, dürfe weiter Auto fahren. Nicht mehr zeitgemäß sei es, aus der eigenen Gewohnheit ein gesellschaftliches Dogma zu machen. Der Kommentar schließt persönlich: "Was wir brauchen, ist ein Miteinander: Menschen, die bereit sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen – im Verkehr wie in der Debatte".