Brustkrebs-Bluttest

Heidelberger Uniklinik befeuerte PR-Kampagne (Update)

Der Test taugt weniger als behauptet - Dennoch forcierte der Vorstand die übertriebene Darstellung - Insider packen aus

05.04.2019 UPDATE: 06.04.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 38 Sekunden

Im Zentrum der Brustkrebstest-Affäre: die Frauenklinik des Universitätsklinikums. Foto: Alex

Von Sebastian Riemer und Klaus Welzel

Heidelberg. Seit sechs Wochen herrscht Verunsicherung am Heidelberger Universitätsklinikum. Denn die "Weltsensation" ("Bild"-Zeitung) vom Bluttest, der bei Frauen schon in einem sehr frühen Stadium Tumormarker für Brustkrebs nachweisen kann, entpuppte sich als Luftnummer. Nicht, weil der Test komplett unzuverlässig wäre - im Gegenteil: erste Auswertungen waren durchaus erfolgversprechend -, sondern weil er mit einer maßlos übertriebenen PR-Kampagne viel zu früh bekannt gemacht wurde.

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Und daran waren der Vorstand und die Pressestelle des Universitätsklinikums womöglich sehr viel mehr beteiligt, als bisher bekannt. Schon im Januar und Februar 2019 wurde nach RNZ-Informationen alles bis ins Detail geplant. So hielt der stellvertretende Kaufmännische Direktor am Uniklinikum, Markus Jones, in einer Mail vom 30. Januar fest, dass Professor Christof Sohn "die Zwischenergebnisse" drei Wochen später auf einem Gynäkologenkongress in Düsseldorf vorstellen werde. Auch die Pressekonferenz im Anschluss stand bereits fest. Ebenfalls in großer Runde abgesprochen: das "Bild"-Interview.

Flankiert wurde der PR-Coup vom 21. Februar von einer Pressemitteilung, über deren Inhalt nach Auskunft des Klinikvorstandes intensiv diskutiert wurde. Nach RNZ-Informationen war auch Kai Diekmann, ehemaliger "Bild"-Chefredakteur, mit im Boot - das letzte Wort lag beim Klinikvorstand. Der Text der Pressemitteilung, so ein Insider, "ging hin und her über mehrere Tage". So relativierte die Pressesprecherin des Uniklinikums, Doris Rübsam-Brodkorb, in einem Entwurf, den Sie unter anderem Kai Diekmann zuschickte, zunächst den wissenschaftlichen "Durchbruch" zu einem "möglichen Durchbruch". Doch die veröffentlichte Fassung steigt mit dem Wort "Meilenstein" ein. Eine kaum zu vertretende Übertreibung. Sie soll auf den "Wunsch" des Klinikvorstandes zurückgehen. (*Anmerkung der Redaktion am Ende des Artikels)

Auch das Interview fand bereits vor der Veröffentlichung viele Leser am Klinikum - und viel Lob. Nicht nur dass die Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, den Text zur Korrektur vorgelegt bekommen hatte. Auch der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, pries das Interview bereits am 16. Februar als "prima, leicht verständlich und dennoch wissenschaftlich". Und Pressesprecherin Rübsam-Brodkorb hob drei Tage zuvor gegenüber der "Bild"-Redaktion die "Idee mit den Infokästen" hervor. Die gute Aufbereitung sei auch notwendig, "denn wir sprechen hier von einem sehr komplexen Thema und lösen viele Emotionen aus".

Bisher hatte der Klinikumsvorstand stets behauptet, die PR-Kampagne und das "Bild"-Interview seien quasi ohne ihr Zutun entstanden. Von einer so engen Begleitung der Texte war keine Rede gewesen.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es, Kai Diekmann selbst habe den Entwurf der Pressemitteilung versandt. Tatsächlich war Diekmann einer der Empfänger der E-Mail mit dem Entwurf der Pressemitteilung. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen (7. April 2019, 15.50 Uhr)