Brach das Uniklinikum Heidelberg das Gesetz?
Bluttest-Erfindern steht ein Teil der Gewinne zu - Doch davon wurde ihnen offenbar nichts gesagt - Ministerin Bauer hakt bei Details nach

Im Zentrum der Brustkrebstest-Affäre: die Frauenklinik des Universitätsklinikums. Foto: Alex
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Das Universitätsklinikum Heidelberg ist auf Tauchstation. Anfragen zu den fragwürdigen Vorgängen rund um den Brustkrebs-Bluttest werden gar nicht oder nur knapp beantwortet. Eine unabhängige Kommission werde alles aufklären, heißt es immer wieder, bis dahin bitte man um Geduld. Nur: Eine Woche nachdem die RNZ die massiven Vorwürfe gegen das Uniklinikum veröffentlicht hat, hat die Kommission noch immer nicht ihre Arbeit aufgenommen. Nicht einmal die Mitglieder stehen fest. Und auch ihr Leiter Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, muss die Medien vertrösten: Leider könne er "noch gar nicht sagen, wann es Besprechenswertes geben" werde.
Hintergrund
Was dem Uniklinikum vorgeworfen wird
> Das
Was dem Uniklinikum vorgeworfen wird
> Das PR-Desaster: Mit einer Pressemitteilung fing alles an: Am 21. Februar 2019 gab das Uniklinikum eine Meldung an die Medien, in der von einem "revolutionären" Bluttest zur Entdeckung von Brustkrebs die Rede war. Und der sei auch schon "marktfähig". Sieben Fachverbände und zahlreiche Wissenschaftler liefen Sturm: Sie kritisierten die PR als unverantwortlich, der Test sei definitiv nicht marktfähig. Und ob er die vollmundigen Versprechungen halten werde, sei mehr als fraglich. Schließlich könne die Details niemand überprüfen - denn eine wissenschaftliche Veröffentlichung gibt es noch nicht, die zugrunde liegende Studie ist noch nicht einmal abgeschlossen.
> Das verschwiegene China-Geschäft: Eine Ausgründung des Universitätsklinikums soll den Bluttest vermarkten, die Heiscreen GmbH. So viel machte das Uniklinikum auch öffentlich. Dabei verschwieg es aber, dass eine zweite Firma, die Heiscreen NKY GmbH, den Bluttest in China vermarkten soll. Bei beiden Heiscreen-Firmen ist die Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTHD), eine 90-prozentige Tochter der Uniklinik, jeweils größter Anteilseigner. Die TTHD ist für Ausgründungen von Erfindungen am Uniklinikum zuständig. Seit anderthalb Jahren fliegen die angeblichen Bluttest-Erfinder, Frauenklinik-Chef Christof Sohn und Projektleiterin Sarah Schott, regelmäßig nach China zur Partnerfirma NKY Medical Holdings. Auch ein weiteres Detail verschwieg das Uniklinikum: Der Hockenheimer Unternehmer Jürgen Harder, der Sohn seit Jahren gut kennt, ist mit 39,2 Prozent an der Heiscreen GmbH beteiligt.
> Der Umgang mit Mitarbeitern: Jahrelang forschte ein Team um die Molekularbiologin Rongxi Yang an der Uniklinik an dem Brustkrebs-Bluttest - mit überragendem Erfolg: Yang räumte viele Preise ab und warb das renommierte Exist-Stipendium vom Bundeswirtschaftsministerium zur Gründung eines Start-ups ein. Alles lief perfekt, Yang stellte auch den Kontakt zu der chinesischen Firma NKY Medical Holdings her, arbeitete eng mit TTHD zusammen. Doch in einer denkwürdigen Sitzung im März 2017 verließen die TTHD-Geschäftsführer unter fadenscheinigen Gründen den Saal und ließen die Zusammenarbeit platzen. Wenig später wurde Yang die Leitung des Projekts entzogen - zugunsten Sarah Schotts. Yang und ihr Team verließen daraufhin die Uniklinik.
Unterdessen wandten sich ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Uniklinik an die RNZ: Sie fürchten, dass wichtige Unterlagen verschwinden könnten. Über den Vorstand des Universitätsklinikums und insbesondere die Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTHD) sagen sie: Das Vertrauen in die handelnden Personen sei verloren gegangen. "Die vertuschen das jetzt", mutmaßt ein aktueller Mitarbeiter, der anonym bleiben will.
Dass das Uniklinikum nicht mehr mit der Öffentlichkeit spricht, ist fatal, denn permanent sickern neue Details durch. So wurde den Haupterfindern des Bluttests - Rongxi Yang, Barbara Burwinkel und Andreas Schneeweiss - von Uniklinikum und TTHD womöglich ihr finanzieller Anspruch auf einen Teil der Erlöse aus der Verwertung des Bluttests verwehrt.
Laut dem "Gesetz über Arbeitnehmererfindungen" steht den Dreien als Urheber einiger dem Bluttest zugrundliegender Patente gemeinsam ein Anteil von bis zu 30 Prozent an allen Einnahmen aus der sogenannten "Schutzrechtsverwertung" zu. Yang und Burwinkel sagten der RNZ, dass sie darüber nicht einmal informiert wurden. Weder haben sie eine Erfindervergütung erhalten, noch trat jemand an sie heran, um eine solche Vergütung für künftige Gewinne aus der Vermarktung des Bluttestes zu besprechen. Auch eine Lizenzvereinbarung wurde ihnen nicht vorgelegt, wie es normalerweise in solchen Fällen üblich ist. Lediglich Schneeweiss, der noch immer als Leitender Oberarzt an der Frauenklinik arbeitet - sein Boss ist Frauenklinik-Chef Christof Sohn, der nun überall als Erfinder des Bluttests auftritt - will sich gegenüber der RNZ nicht äußern.
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Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, reagiert das Uniklinikum gewitzt. Auf die Frage der RNZ, ob das Arbeitnehmererfindungsgesetz auch für das Uniklinikum gelte und ob "die Bluttest-Erfinder Yang, Burwinkel und Schneeweiss die ihnen zustehenden 30 Prozent an den Einnahmen ihrer Erfindung erhalten haben beziehungsweise erhalten werden", antwortet das Uniklinikum: "Nach den Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes besteht über das Universitätsklinikum die Möglichkeit, die Erfindung in Anspruch zu nehmen. Das haben wir vorliegend getan. Die Inanspruchnahme hat zur Folge, dass der Erfinder die Rechte an der Erfindung verliert. Als Ausgleich stehen dem Erfinder 30 Prozent der Verwertungserlöse, die erzielt werden, zu. So ist es auch vorliegend."
Das Uniklinikum benutzt damit einen doppelten Taschenspielertrick: Es erkennt in seiner Antwort lediglich an, dass auch im Falle des Bluttests die 30-Prozent-Regel grundsätzlich Anwendung zu finden hat, den Erfindern also tatsächlich 30 Prozent zustehen. Aber: Das Uniklinikum bestätigt damit eben nicht, dass diese gesetzliche Vorgabe in diesem Fall auch tatsächlich korrekt umgesetzt wurde und wird ("Als Ausgleich stehen ... zu. So ist es auch vorliegend.").
Zudem weigert sich das Uniklinikum, zu bestätigen, dass Yang, Burwinkel und Schneeweiss tatsächlich die Haupterfinder des Bluttests sind. Auf eine weitere Nachfrage der RNZ, die Aussagen zu konkretisieren, schreibt das Uniklinikum seine aktuelle Standardantwort: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir der Tätigkeit der Kommission, die unbeeinflusst den Gesamtkontext beurteilen soll, nicht vorgreifen möchten und insofern keine weiteren Detailauskünfte erteilen."
Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer beobachtet die Vorgänge am Universitätsklinikum inzwischen ganz genau. "Ich bin zuversichtlich, dass die Aufklärung gründlich angegangen wird", sagte sie gegenüber der RNZ. Sie habe dem Uniklinikum inzwischen selbst einige Fragen zu den Vorgängen rund um den Brustkrebs-Bluttest gestellt. "Und ich will auch wissen, wie genau die Besetzung und der Zeitplan für die externe Kommission aussehen", so Bauer. Diese Woche gebe es zu dem Thema auch eine Sondersitzung des Aufsichtsrats des Uniklinikums. Darin sitzt eine Vertreterin von Bauers Ministerium.
Ungeachtet dessen setzen Frauenklinik-Chef Christof Sohn und Projektleiterin Sarah Schott, welche die Erfindung des Bluttests für sich reklamieren, ihren PR-Feldzug - vom Uniklinikum nicht gehindert - fort: Am 23. März, also drei Tage nachdem die RNZ erstmals über die Vorwürfe wegen der Bluttest-PR-Kampagne berichtete, posierten Christof Sohn und Sarah Schott für das Magazin "Focus". Von einer "Weltsensation" ("Bild" vom 21. Februar) war nun zwar nicht mehr die Rede. Aber eine "Sensation aus Heidelberg", die sah das Magazin immer noch - und setzte sie prompt auf die Titelseite des Heftes.
Info: Die bisherigen RNZ-Recherchen zu den Vorgängen rund um den Bluttest am Uniklinikum - und die Vorwürfe im Detail - gibt es auf www.rnz.de/heiscreen.