Bluttest-Skandal Heidelberg

Schwere Vorwürfe im Kommissionsbericht gegen Prof. Sohn und Rongxi Yang (Update)

Schon die Ersterfinderin machte "fundamentale handwerkliche Fehler" - Klinik-Vorstand war in alle Vorgänge involviert - Pressekonferenz abgesagt

22.10.2019 UPDATE: 22.10.2019 10:59 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Die Pressekonferenz wurde abgesagt. Foto: Riemer

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Hat es einen erfolgreichen Bluttest zur Brustkrebsfrüherkennung nie gegeben? Diese Mutmaßung legt der Bericht der Senatskommission der Universität Heidelberg nahe. Der Hauptschuldige in dem Skandal bleibt zwar nach wie vor der vermeintliche Bluttest-Erfinder, Prof. Christof Sohn. Doch auch an dieser Erfinderschaft hegen die Experten Zweifel. Und um den Skandal die Krone aufzusetzen, war der Klinikumsvorstand stets und meist umfassend über alle wichtigen Details rund um den unfertigen Test informiert - inklusive der dann gescheiterten PR-Kampagne.

Seit Mai untersucht die "Kommission für gute wissenschaftliche Praxis" die Geschehnisse rund um die verunglückte PR-Kampagne für den nach wie vor unfertigen Bluttest. Unirektor Bernhard Eitel hatte die Experten damit beauftragt. Jetzt legte Prorektor Stephen Hashmi die Ergebnisse vor, die RNZ verfügt über die Unterlagen. Der Chemie-Professor kommt gleich zu Beginn zu dem Schluss, dass schon die Arbeitsgruppe "Mammascreen" um die junge chinesische Forscherin Rongxi Yang in den Jahren 2014 bis 2016 "fundamentale handwerkliche Fehler" gemacht habe. Die aufstrebende Wissenschaftlerin habe demnach für die Kontrollanalyse ihrer Daten dieselben Datensätze noch einmal verwendet. Da es die identischen Daten waren, musste quasi zwingend eine Trefferquote von 98 und 100 Prozent herauskommen.

Rongxi Yang. Foto: RNZ-Repro

Doch obwohl Yang es an wissenschaftlicher Sorgfalt habe fehlen lassen, sehen Hashmi und seine Kollegen darin kein wissenschaftliches Fehlverhalten. Das setzt laut Senatskommission erst ein, nachdem Yang im Frühjahr 2017 aus dem Projekt gedrängt wird und der verantwortliche Projektleiter, Professor Christof Sohn, die negativen Forschungsergebnisse des neuen Teams um Prof. Sarah Schott nicht für Konsequenzen nutzt. Dem Direktor der Unifrauenklinik, Sohn, wird in dem Bericht an neun Stellen wissenschaftliches Fehlverhalten vorgeworfen, teilweise in gravierendem Ausmaß. So wird ihm unter anderem unterstellt, Yang aus ökonomischen Gründen aus dem Mammascreen-Projekt gedrängt zu haben.

Damit geht die Senatskommission deutlich weiter, als die Unabhängige Kommission, deren 400-seitiger Bericht der RNZ ebenfalls vorliegt. Sie war vom Aufsichtsrat des Klinikums im April eingesetzt worden und wollte gemeinsam mit Hashmi ihre Ergebnisse am Dienstagmittag in Heidelberg vorstellen. Dagegen hatte jedoch Sohn erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe geklagt. Daraufhin wurde die Pressekonferenz um 11.35 Uhr abgesagt.

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Im Bericht der Unabhängigen Kommission ist  von einer "klaren Überreaktion" Sohns im Frühjahr 2017 die Rede, doch den eigentlichen Impuls zur Trennung von Yang gab demnach die Uniklinik-Tochterfirma TTH. Gleichwohl kommen beide Gutachten zu dem Schluss, Sohn sei der Hauptschuldige in dem Skandal und letztlich auch treibende Kraft bei der Trennung von Yang gewesen. Auch habe er den vorbestraften Investor Jürgen Harder mehr oder minder durchgedrückt.

Zudem unterstellt vor allem der Bericht der Unabhängigen Kommission an mehreren Stellen, Sohn sei es gewesen, der auf die frühzeitige Veröffentlichung und das "Bild"-Interview samt Video gedrängt habe. Beides wurde am 20. und 21. Februar 2019 veröffentlicht. Die Rhein-Neckar-Zeitung löste mit ihrer anschließenden kritischen Berichterstattung den Skandal um den unfertigen Bluttest aus.

Die Unabhängige Kommission geht davon aus, dass die Klinikumsvorstände, Prof. Annette Grüters-Kieslich, Irmtraut Gürkan und Prof. Andreas Draguhn, jeweils in unterschiedlichem Ausmaß stets und umfassend über die schlechten Testergebnisse und auch die PR-Kampagne informiert waren. Dass sie nicht eingriffen, wird insbesondere im Falle Draguhns und Grüters-Kieslich als Fehler gewertet. Interessant ist auch die Bewertung der anderen Beteiligten. Positiv bewertet wird die Rolle von Sohns Co.-Forscherin Schott, die mehrmals auf die unvollständige Datengrundlage hinwies und sich sogar bemühte, die Pressekonferenz zu verhindern.

Auch Investor Jürgen Harder, der an der Mammascreen GmbH und am Bluttestvermarkter Heiscreen beteiligt war, wird in seiner Rolle positiv beschrieben. An keiner Stelle habe er auf eine frühzeitige, also voreilige, Veröffentlichung des Testergebnisses gedrängt. Das treffe auch auf seine Berater, den früheren "Bild"-Chef Kai Diekmann und den österreichischen Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser zu.

Geteilter Meinung sind beide Kommissionen wiederum in der Beurteilung der Rolle des mittlerweile zurückgetretenen Dekans der Medizinischen Fakultät, Prof. Andreas Draguhn. Die Senatskommission wirft ihm vor, dass er die PR-Kampagne nur mit mangelnder Sorgfalt begleitet habe und unkritisch gegenüber dem vermeintlichen Bluttest-Erfinder Sohn gewesen sei. Beides ein "minderer Verstoß gegen gute wissenschaftliche Praxis". Im externen Kommissionsbericht finden sich ergänzend zahlreiche entlastende Erklärungen Draguhns. Noch wohlgesonnener geht die Unabhängige Kommission mit Grüters-Kieslich um, die als Einzige Korrekturen an dem "Bild"-Interview vorgenommen habe und sich dagegen aussprach die (später) nachweislich falsche Presseerklärung auf die Uni-Homepage zu setzen.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels hieß es, der Heiscreen-Investor Jürgen Harder habe diese Firma gegründet. Das ist falsch. Richtig ist, dass Harder an dieser Firma eine Beteiligung besaß. So vermerkt es der Abschlussbericht der Unabhängigen Kommission.

Update: Donnerstag, 7. November 2019, 16.15 Uhr

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