Bluttest-Skandal Heidelberg

Ministerin Bauer zollt Respekt für die Rücktritte

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zu den Rücktritten am Uniklinikum – Neues Führungsteam soll mehr kooperieren

27.08.2019 UPDATE: 28.08.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 53 Sekunden
Die baden-württembergische ​Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Foto: dpa

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Theresia Bauer ist immer im Dienst. Gut gelaunt empfängt sie die RNZ auf ihrer heimischen Terrasse. Die schwere Verletzung am Fuß während ihres Sardinienurlaubs hat die baden-württembergische Wissenschaftsministerin über Wochen lahm gelegt. Also erledigt sie die Ministeriumsarbeit daheim – inklusive dieses Interviews über die Folgen des Bluttest-Skandals am Uniklinikum.

Frau Ministerin, die drei Rücktritte von gleich drei Vorstandsmitgliedern am Heidelberger Uniklinikum wurden zunächst als Befreiungsschlag im seit März schwelenden Blutest-Skandal empfunden. Wie geht es jetzt personell weiter?

In der Tat ist durch die drei Demissionen der Weg bereitet für einen Neuanfang. Ich zolle allen Beteiligten Respekt dafür, dass sie den Weg freigemacht haben. Und es ist wichtig, dass die personelle Neubesetzung jetzt möglichst schnell vorangetrieben wird, weil große Aufgaben anstehen: für das Klinikum, aber auch für den biowissenschaftlichen Forschungsstandort insgesamt.

Bei der jüngsten Personalversammlung sagte Frau Grüters-Kieslich, sie wolle noch bis 31. Oktober drängende Reformen umsetzen. Wissen Sie, welche?

Ich möchte zwei Beispiele nennen, die wirklich dringlich sind: Zum einen das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ), bei dem es jetzt losgehen muss. Zum Zweiten die Entwicklung eines Geschäftsverteilungsplans, sodass im Universitätsklinikumsvorstand künftig mit einer klaren Zuständigkeit gearbeitet werden kann. Der Aufsichtsrat hat Frau Grüters-Kieslich beauftragt, noch im Oktober einen Vorschlag vorzulegen.

Endet der Vertrag der jetzigen Vorstandsvorsitzenden, Frau Grüters-Kieslich, wirklich zum 31. Oktober oder steht auch eine Verlängerung im Raum?

Ich sehe keinen Anlass, einen frisch abgeschlossenen Vertrag noch einmal zu verändern.

Hintergrund

Welche Maßnahmen wegen Prof. Sohn im Raum stehen

Prof. Christof Sohn ist derzeit für drei Monate von Forschung und Lehre freigestellt - just in der vorlesungsfreien Zeit.

Bis zum Abschluss dieser Frist muss der Unirektor, Prof. Bernhard Eitel,

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Welche Maßnahmen wegen Prof. Sohn im Raum stehen

Prof. Christof Sohn ist derzeit für drei Monate von Forschung und Lehre freigestellt - just in der vorlesungsfreien Zeit.

Bis zum Abschluss dieser Frist muss der Unirektor, Prof. Bernhard Eitel, entscheiden, ob und wie er weitere Maßnahmen gegen Sohn ergreift. Diese könnten sich wiederum auf den Bereich Forschung und Lehre beziehen. Es könnte aber auch auf eine Aufteilung von Sohns bisheriger Zuständigkeit hinauslaufen. Denkbar wäre eine Spaltung in Gynäkologie und Geburtshilfe - die Idee dazu ist jedoch deutlich älter als der Skandal um den Bluttest.

Sohn, der den noch lange nicht marktreifen Bluttest zur Brustkrebsfrüherkennung in einer vielfach kritisierten PR-Kampagne angepriesen hatte (und dazu das Gütesiegel der Uniklinik durch den Vorstand erhielt), praktiziert derzeit vermehrt im Krankenhaus Salem, das schon seit langen Jahren eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum lebt. Gegenüber seinen Chefarzt-Kollegen hatte er sich im März entschuldigt. (kw)

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Was erwartet Professor Sohn, den Bluttest-Erfinder?

Es gibt zwei zuständige Instanzen für die Frage, welche notwendigen Konsequenzen zu ziehen sind in Bezug auf den wissenschaftlichen Hauptverantwortlichen: Das eine ist die beamtenrechtliche Seite, die von der Universität und dem Rektorat zu prüfen ist. Das andere sind arbeitsrechtliche Fragen, die zu prüfen sind vom Universitätsklinikum.  Die Ergebnisse aus den laufenden Prüfungen stehen noch aus.

Ist die Krise nicht auch eine große Chance für einen Neuanfang am gesamten Universitätsklinikum?

Heidelberg ist ein bundesweiter Spitzenstandort für Medizin und Lebenswissenschaften. Und es ist jetzt wirklich angezeigt, dass wir diese Situation auch nutzen für einen Neuanfang. Zusammen mit den Wissenschaftlern und den Führungskräften müssen wir das Potenzial heben, das dieser Standort zu bieten hat. Wir haben großen Handlungsdruck bei der Kooperation der Spitzenforschungseinrichtungen vor Ort. Wir können hier in der weltweiten Spitzenliga mitspielen, dafür muss man dann aber auch an einem Strang ziehen.

Das beinhaltet auch eine engere Kooperation zwischen DKFZ und Universitätsklinikum?

DKFZ, Uniklinikum, EMBL, Max-Planck-Institut – wir haben hier eine Konzentration von Spitzeneinrichtungen, die hat sonst kaum ein Standort vorzuweisen. Das ist ein ganz großes Pfund.

Werden da alle mitmachen – schließlich sind die vier genannten Institutionen nicht nur eigenständig, sondern ihre Spitzenleute auch mächtig?

Schon, aber Spitzenleistung von der Grundlagenforschung über die Anwendung bis zum Patienten hervorzubringen, das ist die wirkliche Aufgabe, die zu bewältigen ist. Und da erwarte ich von einer Führungsmannschaft, dass sie mit Mut, mit Energie, mit Konzentration an diese Aufgabe herangeht. Diese grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit sehe ich bei allen vier.

Wie stellen Sie sich künftig den Bereich Ausgründungen, Verwertung von Patenten am Heidelberger Klinikum vor?

Das ist ein Thema von großer strategischer Bedeutung. Es ist wichtig, nicht nur Forschung und Lehre zu betreiben, sondern auch gute Strukturen für den Technologietransfer aufzustellen. Da sind automatisch wirtschaftliche und wissenschaftliche Akteure mit im Spiel – und es bedarf sicherer Strukturen, um hier erfolgreich zu arbeiten. Im Bereich der Technology Transfer Heidelberg sind hier jedoch Schwächen aufgetreten.

Welche Schwächen meinen Sie?

Die Frage der Investoren-Entscheidung, die Frage des Zeitpunktes, wann gehe ich mit einem Patent an den Markt, und die Frage der Vertragsgestaltung.

Wer macht Vorschläge für Reformen und entscheidet darüber?

Da sind verschiedene Akteure zu nennen: Zum einen die externe Kommission, die sich des Themas annehmen wird, nachdem sie den Sachstandsbericht zum Thema Bluttest abgeschlossen hat. Dann arbeitet auch eine Kommission der Medizinischen Fakultät an dem Thema und schließlich wird das Marsilius-Kolleg der Universität hierzu Vorschläge erarbeiten. Zuletzt hat die Universität im Rahmen der Exzellenz-Strategie erklärt, den Technologietransfer zur Chefsache im Rektorat zu machen. All die gewonnenen Erkenntnisse zu Strukturen und Standards werden wir berücksichtigen bei der Entwicklung weiterer Maßnahmen.

Der ökonomische Erfolg der TTH konnte sich ja sehen lassen. Ist das zugleich eine Messlatte für künftige Ausgründungsprozesse? Oder geht künftig Gründlichkeit vor?

Die Messlatte sollte so angelegt werden, dass erfolgreich, zuverlässig und korrekt Patente in die Verwertung gebracht werden. Es ist dabei weniger die Frage, wieviel wirtschaftlich hängenbleibt.

Bei der TTH waren es 2018 rund 1,5 Millionen Euro Gewinn und insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag an Drittmitteln.

Natürlich muss so eine Struktur schwarze Zahlen erwirtschaften, das erwarten wir schon. Aber der Zweck ist nicht viel Geld zu erwirtschaften, sondern den Transfer zu bewerkstelligen und dafür zu sorgen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die Praxis kommen und vermarktet werden können. Dies aber dann zuverlässig, korrekt und fehlerfrei.

Die Bilanz des Uniklinikums sah 2018 so aus, dass es bei einer Milliarde Euro Umsatz einen Minusabschluss von etwas über neun Millionen Euro gab. Insgesamt sollen sich die Schulden des Klinikums auf gut 100 Millionen Euro belaufen. Wie stark ist denn der politische Druck auf das Klinikum, wieder in schwarze Zahlen zu kommen?

Wir haben die Erwartung, dass unsere Klinika schwarze Zahlen schreiben und wir wissen, dass auch an anderen Standorten der Druck steigt. Die baden-württembergischen Universitätsklinika sind da im Vergleich mit anderen Bundesländern sehr erfolgreich. Und natürlich sind eigenfinanzierte investive Entscheidungen eine Belastung, die wir aber brauchen, um einen Standort für die Zukunft zu sichern. Deshalb ist eine rote Zahl, sofern das nicht zum Dauerzustand wird, auch kein großes Problem, wenn die Perspektive insgesamt steht, dass man es schafft, sein Klinikum in schwarzen Zahlen zu halten.

Wenn die Strukturen nur anders wären, wäre der Bluttest-Skandal dann zu verhindern gewesen?

Mit einem größeren Problembewusstsein, welche Verantwortung man an dieser Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft hat, und mit einer klaren Zuständigkeitsverteilung und somit wahrgenommener Verantwortung wäre ein solcher Konflikt in dieser Dimension, wie er sich dargestellt hat, so nicht passiert. Auch die Aufarbeitung hätte konsequenter und zügiger erfolgen können.

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