"Bewusst die Öffentlichkeit getäuscht"
Der deutsche PR-Rat rügt das Uniklinikum und Heiscreen - In der Belegschaft rumort es weiter

Gürkan (l.) sprach sich gegen die PR-Aktion aus, in der Mitte ihre Kollegin Grüters-Kieslich. Foto: Rothe
Von Klaus Welzel
Heidelberg. Monatelang forschte der Deutsche Rat für Public Relations in Sachen Heidelberger Bluttest-Skandal, holte Stellungnahmen ein bei Heiscreen, dem Bluttest-Vermarkter, beim Universitätsklinikum und bei der Agentur Deekeling Arndt, die die PR-Kampagne organisierte. Nach zahlreichen Gesprächen und intensiver Lektüre der RNZ-Berichterstattung über den Skandal machte der Rat sich ein Bild: Hier wurde gegen die Wahrhaftigkeit verstoßen.
Die Wahrhaftigkeit ist für die PR-Branche fast schon ein heiliger Begriff. In Paragraf 9 der Branchenkodizes heißt es: "PR- und Kommunikationsfachleute verbreiten keine falschen und irreführenden Informationen. Sie missbrauchen das Vertrauen angesprochener Öffentlichkeiten nicht."
Genau das hätten aber Heiscreen und der Vorstand des Heidelberger Universitätsklinikums getan. Das verkündet der PR-Rat in einem einstimmig gefällten Beschluss. Beide erhalten eine Rüge "wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit im Zuge der Vorstellung eines Diagnoseverfahrens zur Früherkennung von Brustkrebs". Den Vorwurf der möglichen Kursmanipulation durch Intransparenz erhebt der Rat jedoch nicht - hier ermittelt nach wie vor die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim.
In dem Beschluss des Beschwerdeausschusses findet sich aber auch sonst wenig Schmeichelhaftes. So hätten sich Klinikum, Agentur und Heiscreen gegenseitig die Schuld zugewiesen. Einzig das Klinikum habe "Versäumnisse und Fehler eingeräumt". Der PR-Rat hegt darüber hinaus keinerlei Zweifel daran, dass alle beteiligten Fachleute - von Professor Christof Sohn, dem Bluttest-Erfinder, über Heiscreen bis zum Uniklinikum - wussten, dass der Test über keine klinische Erprobung verfügte, und dass die angekündigte "Marktreife noch in diesem Jahr" völlig ausgeschlossen war.
Auch interessant
Als Motiv mutmaßt der Rat: "Es ging bei der Präsentation primär darum, den Markt zu besetzen und mögliche Wettbewerber auf Distanz zu halten." Treibende Kraft sei Heiscreen gewesen; inklusive der Gesellschafter, wozu neben der Klinikumstochter TTH und dem "branchenfremden Investor" Jürgen Harder auch die Bluttest-Erfinder Sohn und Schott gehörten. Der Klinikumsvorstand sei fest eingebunden gewesen in die Gesamtstrategie. Das "Bild"-Interview wiederum, das Sohn gab, habe der frühere Chefredakteur Kai Diekmann vermittelt, dessen Rolle aber ominös bleibe.
Dem Klinikum und der Firma Heiscreen wurde der Beschluss am Donnerstag zugestellt. Eine Reaktion erfolgte nicht. Das dürfte beim Klinikum auch damit zusammenhängen, dass man dort nach wie vor noch größere Sorgen hat: Der Rauswurf des Justiziars Markus Jones und der Rücktritt der Kaufmännischen Direktorin Irmtraut Gürkan bringen die Belegschaft auf.
Insbesondere die Aussage der Aufsichtsratsvorsitzenden Simone Schwanitz bei der Personalversammlung letzte Woche, man habe "die Rücktritte so entgegengenommen, wie sie uns angeboten wurden", empört die Mitarbeiter. Sie brachen daraufhin in höhnisches Gelächter aus. Die Kaufleute am Klinikum gehen davon aus, dass Gürkan - trotz ihrer grundsätzlichen Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen - rausgedrängt wurde. Unverständlich für sie, weshalb "die eigentlich Verantwortliche", die Ärztliche Direktorin Prof. Annette Grüters-Kieslich, noch drei Monate im Amt bleibt. Um die Empörung darüber nachzuvollziehen, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass es ausschließlich Gürkan war, die sich bei der Sitzung des Fakultätsvorstands am 30. Januar gegen die riskante PR-Strategie aussprach. Allein: Sie hatte kein Stimmrecht in dem Gremium.
Und Markus Jones? Zieht jetzt vor das Arbeitsgericht. Als der Personalrat letzten Samstag - wieder einmal aus der RNZ - erfahren hatte, dass Jones rausflog und Hausverbot erhielt, obwohl seine Kinder am Klinikum in Behandlung sind, platzte die Hutschnur: In einer "Sonderinfo Causa Bluttest" rügt der Personalrat in empörtem Tonfall das Vorgehen. Und pocht auf Antworten.