Auftakt im Kohlhof-Prozess

Die Stadt Heidelberg hat schlechte Karten (Update)

Prozessbeginn am Landgericht - Stadt und Hofbauers beharren auf Standpunkten - Dennoch Vergleich angestrebt - Rückkauf würde wohl teuer

13.12.2017 UPDATE: 13.12.2017 12:45 Uhr 3 Minuten, 12 Sekunden

Bis Oktober 2014 war der Alte Kohlhof ein Ausflugslokal. Nach monatelangem Gerangel mit der Stadt wollte die Hofbauer-Gruppe in dem Gebäude nun das Restaurant "oben2" eröffnen - samt vier Hotelzimmern. Foto: Alex

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Es war ein ernüchternder Verhandlungsauftakt für die Stadt Heidelberg: Das Grundstück der Ex-Gaststätte "Alter Kohlhof" wird wohl sobald nicht in ihren Besitz übergehen. Denn ob der Stadt jenes Rückkaufsrecht überhaupt zusteht, das sie am Landgericht einklagen will, ist offen. Das machten die Richter gestern klar - und regten beide Seiten zu einem neuen Anlauf für eine gütliche Einigung an.

Erstmals saßen sich die Streitparteien am Mittwoch öffentlich gegenüber. Michael Hofbauer hatte zwei Anwälte dabei, die Vertreterin der Stadt, Dörthe Nobili vom Liegenschaftsamt, ebenfalls. Über 30 Zuschauer waren um 10 Uhr in den Saal 13 des Landgerichts gekommen, die Stimmung war gespannt. Die wichtigsten Antworten zum Prozessauftakt:

> Worum geht es? Die Familie Hofbauer kaufte im Juni 2015 das Anwesen Kohlhof 5 von den Vorbesitzern, die dort die Gaststätte "Alter Kohlhof" betrieben hatten. Damit übernahmen Hofbauers aus städtischer Sicht die per Vertrag und im Grundbuch festgelegte Pflicht, dort bis 2022 eine Gaststätte zu betreiben. Weil kein Restaurant eröffnet wurde, beauftragte der Gemeinderat im Oktober 2016 die Stadtverwaltung, ihr Rückkaufsrecht auszuüben. Anfang September 2017 reichte die Stadt schließlich Rückkaufsklage ein - obwohl die Hofbauers nach ihrer Interpretation seit Januar 2017 ein Restaurant betreiben.

Hintergrund

Kaufvertrag und Grundbucheintrag

Im Jahr 1997 kaufte die Familie Stier das Anwesen Kohlhof 5 der Stadt ab. Im Vertrag stand: "Der Käufer verpflichtet sich zum Betrieb der Gaststätte mit Hotelbetrieb unter den Namen ,Alter Kohlhof’." Zudem wurde

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Kaufvertrag und Grundbucheintrag

Im Jahr 1997 kaufte die Familie Stier das Anwesen Kohlhof 5 der Stadt ab. Im Vertrag stand: "Der Käufer verpflichtet sich zum Betrieb der Gaststätte mit Hotelbetrieb unter den Namen ,Alter Kohlhof’." Zudem wurde festgelegt, dass "die Stadt zum Wiederkauf des Grundstücks (...) berechtigt" ist, sofern der Käufer die Verpflichtung nicht erfüllt. Die Pflicht zum Gaststätten-Betrieb wurde damals auch als "persönliche Dienstbarkeit" im Grundbuch eingetragen - und auf eine Dauer von 25 Jahren festgelegt. Jedoch lässt die Formulierung Interpretationsspielraum: Es heißt, das Grundstück dürfe "allenfalls zum Betrieb einer Gaststätte" samt Hotel und Wirtewohnung sowie Weingut genutzt werden. Auch das Wiederkaufsrecht ist im Grundbuch vermerkt.

Ob die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag auf die Hofbauers überging, als diese das Grundstück 2015 den Stiers abkauften, ist strittig. Zumindest die "persönliche Dienstbarkeit" ging jedoch nach Ansicht des Landgerichts auf die neuen Eigentümer über. rie

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> Wie argumentieren die Hofbauers? "Wir sehen zwar nicht, dass wir zum Betrieb einer Gastronomie verpflichtet sind", sagte Michael Hofbauer im Prozess. "Dennoch haben wir im Januar 2017 ein Restaurant eröffnet." Das sei Mittwoch bis Samstag ab 18.30 Uhr geöffnet, für Gruppen ab sechs Personen auch mittags oder an anderen Wochentagen. Hofbauer-Anwalt Felix Michl ergänzte: "Wenn Sie anrufen, kriegen Sie morgen einen Tisch." Die Nummer stehe auf der Internetseite des Restaurants "Oben". Man hoffe, noch dieses Jahr die Konzession zum Alkoholausschank zu bekommen, inzwischen lägen der Stadt alle nötigen Unterlagen vor. "Die Klageeinreichung ist aus unserer Sicht überstürzt", so Michl. Laut Hofbauer habe man von Januar bis heute - unterbrochen von dreimonatigen Umbauarbeiten - "einige Hundert Gäste bewirtet". Im Übrigen sieht Michl die Beweislast, dass keine "richtige" Gastronomie betrieben werde, bei der Stadt.

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> Wie argumentiert die Stadt? Stadt-Anwalt Holger Henkel sieht das anders: "Wir haben ernsthafte Zweifel, dass hier mehr als geschlossene Gesellschaften bewirtet werden." Ein Sterne-Restaurant sei ja wohl kaum ohne Alkoholausschank zu betreiben. Er sei privat öfter mit dem Rad am Kohlhof unterwegs: "Ich habe nie gesehen, dass dort ein Betrieb stattfindet." Seit dem Kauf habe sich nichts getan. "Und seit über einem Jahr führten wir Gespräche - ohne Ergebnis." Nun sei es Aufgabe der Stadt, den Gemeinderatsbeschluss umzusetzen.

> Wie sieht es das Gericht? Intensiv versuchte die Vorsitzende Richterin Andrea Großmann, auf eine einvernehmliche Lösung zu drängen. Sie und ihre Richterkollegen Friedrich Schütter und Oliver Scholz versuchten immer wieder, der Stadt aufzuzeigen, was ein bis zum Ende ausgefochtener Rechtsstreit für sie bedeuten könnte. "Wenn Sie das hier durchziehen, kann man in fünf bis sieben Jahren nach drei Instanzen sehen, wohin sich die Dinge entwickelt haben", sagte Schütter. Und Großmann ergänzte: "Die Zeit arbeitet momentan eher für die Beklagte als für die Klägerin."

Und so ist vieles, was die Richter beiden Streitparteien als "vorläufige Einschätzung" mit auf den Weg gaben, ist ein Tiefschlag für die Stadt. Zunächst machte Großmann klar, dass die Art der Gastronomie nicht vorgeschrieben, die Stadt also kein Ausflugslokal fordern könne. Zudem sei grundsätzlich fraglich, ob die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag von 1997 zwischen der Stadt und den damaligen Kohlhof-Besitzern rechtlich überhaupt auf die Hofbauers übergegangen sei.

Lediglich aus dem Grundbucheintrag sei indirekt eine Pflicht zum Betrieb einer Gaststätte abzuleiten - und daraus lasse sich auch ein Wiederkaufsrecht der Stadt begründen. Allerdings: "Es wäre dann zu prüfen, ob der Betrieb einer Gaststätte zumutbar ist", so Richterin Großmann. Im Klartext: Bestätigt ein Gutachten, dass dies unwirtschaftlich wäre - wie die Familie Hofbauer stets behauptet hatten, könnte auch das Rückkaufsrecht erlöschen.

Zudem dämpfte Richterin Großmann die Erwartungen der Stadt, im Falle eines Rückkaufs günstig davonzukommen: "Es ist fraglich, ob der von Ihnen veranschlagte Preis von 600.000 Euro realistisch ist." Es könne auch über eine Million Euro "oder deutlich mehr" werden. Denn die Hofbauers haben einiges investiert - und veranschlagen den Rückkaufpreis selbst eher im Bereich von zwei Millionen Euro.

> Was kam raus? Am Ende der 90-minütigen Verhandlung, in der beide Seiten auf ihren Standpunkten beharrten, einigte man sich auf einen letzten Anlauf zu einer einvernehmlichen Lösung. Der Ball liegt nun bei den Hofbauers: Bis 15. Januar 2018 sollen sie der Stadt ein Vergleichsangebot samt Gastro-Konzept vorlegen.

Auf RNZ-Anfrage teilte die Stadtverwaltung am Mittwoch ihre Erwartung mit: In dem Angebot sollen "wesentliche Eckpunkte eines öffentlichen Gaststättenbetriebs ebenso eindeutig benannt werden wie Strafen bei Zuwiderhandlung". Zudem solle die Pflicht zum Betrieb einer Gaststätte länger andauern als bis Juni 2022, wie es der Grundbucheintrag vorschreibt. Schließlich seien die Eigentümer seit zweieinhalb Jahren der Verpflichtung nicht nachgekommen.

Die Stadt will das Hofbauer-Angebot dann spätestens im März in den Gemeinderat einbringen. Denn der hat auf städtischer Seite das letzte Wort. Kommt keine Einigung zustande, steht am 28. März 2018 die Hauptverhandlung an - dann wohl mit Beweisaufnahme samt Zeugenbefragung.

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