Sie drängeln und mahnen für die Armen
Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung startete Aktionswoche - Organisationen fordern von der Stadt "langfristige Sozialplanung"

Der Beschwerdechor begrüßte die Gäste der Eröffnungsveranstaltung der Woche gegen Armut in der Bonifatiuskirche mit humorvollen Liedern - etwa zur Wohnungsnot in Heidelberg. Foto: Rothe
Von Fritz Quoos
Heidelberg. Mit über 30 Veranstaltungen macht das Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung in diesen Tagen auf Menschen aufmerksam, die sonst keine Lobby haben. Bei der Eröffnung der diesjährigen Aktionswoche, die mehr "Mut zum Handeln" fordert, machten die 52 sozialen Organisationen am Sonntag in der Bonifatiuskirche in der Weststadt deutlich, wo Stadt, Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft noch aktiver werden könnten, um Armut zu bekämpfen oder zu verhindern.
Das Zeitfenster für solche Forderungen sei günstig, sagte Bündnissprecher Jörg Schmidt-Rohr in seiner Eröffnungsrede, denn in Kürze kommt der Bericht zur sozialen Lage in die Gremien, die Haushaltsberatungen stehen an - und im Frühjahr gibt es Gemeinderatswahlen.
Schmidt-Rohr zufolge hat sich die absolute Zahl der armen und armutsgefährdeten Menschen in Heidelberg mit etwas über 12.000 Personen kaum verändert. Doch die Stadt sei deutlich gewachsen, und da arme Menschen hier kaum noch eine Wohnung fänden, verändere sich die Sozialstruktur. Es brauche unbedingt mehr Wohnraum auch für Menschen mit Grundsicherung und wenig Einkommen. Zudem brauche es mehr konkrete Hilfen für besondere Gruppen wie Langzeitarbeitslose und Wohnungslose, Alleinerziehende, Kinder und alte Menschen, die arm und behindert sind. Außerdem fordert man eine Weiterentwicklung der bereits guten Ansätze bei Sozialticket, Heidelberg-Pass und kostenfreier Kinderbetreuung sowie eine "kontinuierliche, langfristige, mit quantifizierbaren Zielen ausgestattete Sozialplanung die weiß, wohin es gehen soll".
Aber auch andere Dinge stehen auf dem Wunschzettel, etwa eine andere Haltung gegenüber Menschen, die am Rande stehen, weniger Bürokratie und eine "solidarische, empathische und offene Stadtgesellschaft". Die Bündnispartner wollen weiter drängeln und mahnen - und Lobby und Hilfe für jene sein, die in der zunehmenden Ungleichheit der Gesellschaft unten stehen, sagte Schmidt-Rohr.
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Was eine Kommune von sich aus tun kann, dass arme Menschen zu ihrem Recht kommen, verdeutlichte der ehemalige Generalsekretär des Caritas-Verbandes, Prof. Georg Cremer, in seinem Vortrag. Sie könnten etwa verdeckte Armut aufspüren und Menschen helfen, ihre Ansprüche geltend zu machen. Sie könnten auch mithelfen, dass möglichst alle Menschen ihre Potenziale zur Teilhabe entfalten können, dass durch Schuldnerberatung häufiger Überschuldung entgegen gewirkt und der Zugang zu sozialen Diensten niederschwelliger gestaltet wird. Cremer sieht auch die Wohlfahrtsverbände in der Pflicht, gemeinsam zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beizutragen und dafür Verbandsinteressen zurückzustecken. Benötigt werden aus seiner Sicht auch Ansätze, die Hilfsangebote für Familien besser zu koordinieren und zu vermeiden, dass sich Armut vererbt, etwa durch mangelnde Bildung.
Aufgelockert wurde die Eröffnung durch den "Beschwerdechor" mit köstlichen Beiträgen zur Wohnungsproblematik in Heidelberg und zur schwierigen Situation von Blinden im Stadtverkehr. Außerdem war der Gitarrist Jürgen Thun mit seinem dem Gesundheitsminister Jens Spahn gewidmeten Song "Wenn die Armen egal sind" zu hören. Vorausgegangen war die Vernissage von "Traumbildern", die zahlreiche Künstler zu der Aktionswoche beigesteuert haben. Viele der Exponate, die bis zum 20. Oktober von 8 bis 18 Uhr in der Bonifatiuskirche zu sehen sind, können auch für kleines Geld erworben werden.
Info: Die Termine aller Veranstaltungen der Aktionswoche gibt es unter www.das-heidelberger-buendnis.de.