Mitten im Grünen und trotzdem nah an der Altstadt
Der Kohlhof lockt Wanderer und Schlittenfahrer - Auf ein Ausflugslokal müssen sie derzeit verzichten - Kinder fahren mit der Bergbahn in die Schule

Von Werner Popanda
"Träume nicht Dein Leben - sondern lebe Deine Träume". Auf diese Aufforderung trifft man, wenn man den Weg hinunter zum Landgasthaus "Alter Kohlhof" geht. Sie ist am Rande des Anwesens Kohlhof 3 der "Akademie für Ganzheitsmedizin Heidelberg" auf einer durchsichtigen, auf einem Felsbrocken befestigten Tafel eingraviert. Und irgendwie passen diese Worte zum Kohlhof, wenn auch womöglich in einem anderen Sinne als vom Inschriften-Anbringer gemeint. Denn es war zuweilen traumhaft, im "Alten Kohlhof" einkehren zu können, besonders nach einer ausgiebigen Wanderung durch die Wälder auf den Heidelberger Höhen. Ganz und gar nicht traumhaft finden viele, die das erleben durften, die aktuelle Debatte über die Zukunft des Gasthauses. Bis feststeht, wie es weitergeht, kann man daher nur eines - sich einen Imbiss bei der Hütte des Ehepaar Villain gönnen, wenn sie offen ist, oder eben vom Essen träumen.
Heidelberger Außenposten
Geschichte: Als "Weiler zu Füßen des Königstuhls in einer Talmulde, umgeben von Weiden und Obstwiesen" beschreibt die Landesdenkmalpflege in "Kulturdenkmale in Baden-Württemberg - Stadtkreis Heidelberg" den Kohlhof. Benannt worden sei dieser "nach den ersten Ansiedlern, die teils Köhler waren". Zur landwirtschaftlichen Nutzung und Besiedlung freigegeben worden sei der einstige städtische Allmendwald im Jahr 1706 von Kurfürst Johann Wilhelm. 1718 wurde auf dem Kohlhof, der ursprünglich nach dem unterhalb der Siedlung gelegenen Busenbrunnen den Namen "Busenbrunner Hof" trug, das erste Gehöft errichtet.
1789 habe der Kohlhof mit seinen "15 verstreut liegenden Gebäuden einen Flecken mit Tor gegen Gaiberg" gebildet sowie ein eigenes Gasthaus und angeblich eine reformierte Schule besessen. Bis 1908 wurden die meisten Gebäude abgebrochen und teilweise "durch Bauten für städtische Wald- und Wiesenaufseher ersetzt". Schon ab 1890 habe das in diesem Jahr eröffnete Hotel einen Anziehungspunkt gebildet. Es habe den Kohlhof alsbald zum Luftkurort gemacht und "unter anderem viele Mannheimer zu Erholungsaufenthalten" angezogen.
Einwohner: 50.
Was gibt es zu sehen und zu tun? Wer dem Kohlhof mal nicht am Wochenende besucht, wenn dort viele Spaziergänger und Wanderer oder in einem Schneewinter Ski- und Rodelbegeisterte unterwegs sind, wird ins Staunen geraten. Und zwar wegen der immensen Stille, die dort herrscht. Unterbrochen wird diese nur von gelegentlichen Autogeräuschen sowie vom Muhen der Angus-Rinder des Zuchtbetriebes Bierhelderhof, die südlich des Kohlhofs weiden. Zu tun gibt es aktuell aufgrund des Zwistes rund um den "Alten Kohlhof" vor allem eines nicht mehr: eine Einkehr in ein normales Gasthaus.
Wie kommt man hin? Vom Bismarckplatz geht es mit der Buslinie 39 bis zur Haltestelle "Alter Kohlhof". Empfehlenswert ist aber auch eine Fahrt mit der Bergbahn hinauf zum Königstuhl und ein anschließender Spaziergang zum Kohlhof. Auch Wanderwege aus der Ebene zum Kohlhof hinauf gibt es in Hülle und Fülle.
Geübten Fahrradfahrern kann man in diesen Gefilden auch begegnen, gänzlich untrainierte Fahrer sollten sich diesen Anstieg hingegen lieber nicht zumuten. Wer mit dem Auto fährt, kann in der Altstadt in die Klingenteichstraße einbiegen. Die Zufahrt über den Steigerweg in der Weststadt ist wegen Bauarbeiten bis in den November nicht möglich. Eine weitere Möglichkeit bietet die L 600 im Süden Heidelbergs. Man fährt in Richtung Gaiberg, biegt am Kreisel vor dem Ort in den Gaiberger Weg ab und später dann in den Drei-Eichen-Weg.
Was sagt der Insider? Ekhardt Schmidt wurde 1941 in der Siedlung geboren und wuchs dort auf - sein Großvater war von 1927 bis 1951 Wirt des "Alten Kohlhof". Zur Volksschule musste Schmidt eine halbe Stunde durch den "stockdunklen Wald" laufen, erinnert er sich. Sein Ziel war die Bergbahnstation auf dem Königstuhl, damit ging es hinunter in die Altstadt. Später zog seine Familie nach Handschuhsheim, doch sein Herz habe "immer am Kohlhof gehangen".
Schmidt war Lehrer am Englischen Instituts, mit seiner Frau Kirsten leitete er fünf Jahre lang das EI-Internat. "Durch Glück und Zufall", erfuhren sie 1985, dass das Haus Kohlhof 6 zum Verkauf stand. Sie schlugen zu und erwarben damit das Anwesen, das laut Schmidt dem Heidelberger Oberbürgermeister Carl Neinhaus, der am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten war, nach Kriegsende 1945 als "Rückzugsort" gedient hatte. Schmidts beiden Kindern erging es ähnlich wie ihrem Vater, auch sie mussten "runter in die Stadt zur Schule oder zu den Sportvereinen", berichtet er. Dann sei der Kohlhof durchaus schon mal mit eher nicht druckreifen Schimpfwörtern belegt worden. Doch als dann ein Umzug in Sicht gekommen sei, habe sein Nachwuchs prompt und bestimmt reagiert: "Bloß nicht!" "Heute leben beide mit ihren Familien auf dem Kohlhof", freut sich Schmidt. Er sieht darin einen Beleg dafür, dass er seine "Liebe zum Kohlhof erfolgreich weitergegeben" hat.
Unterm Strich sei das Leben dort unübertroffen, ist Schmidt überzeugt. Es sei ein Leben in der Landschaft, der Ruhe und der guten Luft, das "alles andere völlig vergessen" lasse. Dass man zum Einkaufen schon mal etwas länger fahren müsse, sei dagegen eine "pure Frage der Organisation". Schließlich seien es mit dem Auto nur gut zehn Minuten Fahrzeit in die Stadt, und ein Ruftaxi gebe es ab dem Abend auch.