75 Jahre Rhein-Neckar-Zeitung

Der Zeitungsalltag der RNZ im Schnelldurchlauf (plus Video)

Von der Nachricht bis zum fertigen Blatt - Viele Köpfe, viele Nachrichten

28.08.2020 UPDATE: 05.09.2020 06:00 Uhr 5 Minuten, 36 Sekunden
Mehrmals täglich kommt die Redaktion in verschiedenen Besetzungen zusammen. Hier konferieren (v.l.) Benjamin Auber, Gabriele May, Klaus Welzel, Christian Altmeier und Michael Abschlag – per Tablet zugeschaltet: Matthias Kehl. Foto: joe

Von Sören Sgries

Heidelberg. In Heidelberg wird eine neue Neckarbrücke geplant, in Mosbach muss sich ein junger Raser vor Gericht verantworten, in Sinsheim gibt es einen Personalwechsel in der Kino-Chefetage, in Eberbach geht es an der Dauerbaustelle in der Bahnhofstraße endlich weiter, in Schweinberg ist das Maislabyrinth mal wieder ein voller Erfolg.

Das sind die lokalen Geschichten, die die RNZ-Leser jeden Tag in ihrer Zeitung finden. Hinzu kommen das Neueste aus Politik, Sport, Wirtschaft, Feuilleton. Und ein paar "Promi-News" und hilfreiche Service-Tipps dürfen natürlich auch nicht fehlen. Nur: Wie findet das alles den Weg ins Blatt?

Schon ab dem frühen Morgen, während die meisten RNZ-Leser noch am Frühstückstisch oder in der S-Bahn in der Zeitung stöbern, beginnt die Arbeit an der Ausgabe des nächsten Tages. Klassische "Reporterarbeit" leisten die Redakteure, Volontäre und freien Mitarbeiter der Rhein-Neckar-Zeitung am Vormittag. Menschen treffen, Fragen stellen, Fotos machen.

In Berlin und Stuttgart tauchen zeitgleich die RNZ-Korrespondenten in das politische Geschäft ein, führen erste Interviews, kontaktieren ihre Informanten in den Ministerien und recherchieren Hintergründe. Aus Regionen, in denen die RNZ keine eigenen Journalisten beschäftigt – in China, Afghanistan oder den USA – liefern die Kollegen der Nachrichtenagenturen die wichtigsten Infos.

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Was davon "ins Blatt" kommt? Darüber berät redaktionsübergreifend die 11-Uhr-Konferenz: Jedes Ressort ist hier vertreten – per Videoschalte. Nicht nur wegen Corona, sondern auch, weil es einfach praktisch ist. Die Fahrt ins Heidelberger Stammhaus in der Neugasse würden viele gar nicht in den eng getakteten Arbeitsalltag integrieren können.

Gegen Mittag planen die Ressorts detaillierter ihre Themen und Seiten. Was ist heute in der Stadt passiert?

Stets unter Druck

Welche Story vom Vortag muss dringend vertieft werden? Gab es Lesernachfragen? Welche Fotos haben wir? Wie gewichten wir die einzelnen Themen? Und: Welche Termine stehen für die kommenden Tage am Kalender?

So vorbereitet, geht es dann um 14 Uhr in die große Gesamtkonferenz. Chefredakteur Klaus Welzel beginnt mit einer kurzen Blattkritik, dann geht es schon wieder um "das Blatt von morgen": Haben die Absprachen aus der 11-Uhr-Runde Bestand? Was hat sich verändert? Muss neu gewichtet werden? Wie soll die Titelseite, das Aushängeschild der Zeitung, aussehen? Am Ende der Konferenz steht ein grober Plan der RNZ-Ausgabe – der aber bis in den späten Abend noch umgeworfen werden kann, wenn die Nachrichtenlage das erfordert.

In den Redaktionen herrscht ab jetzt Hochbetrieb. Viele Kollegen sind noch außerhalb unterwegs, die Telefonleitungen laufen heiß. Seiten werden geplant, Fotos ausgewählt, Texte geschrieben oder auf die passende Länge redigiert. In den Nachrichten-Redaktionen laufen ununterbrochen aktuelle Meldungen über den Ticker.

Bei der Blattabnahme um 18 Uhr wird ein letztes Mal gründlich nachjustiert. Passen die Überschriften? Fehlt ein Thema? Danach wird schnell weiter redigiert. Erste wichtige Zielmarke: Spätestens um 20 Uhr müssen alle Seiten für das E-Paper fertig sein – schließlich gibt es "die RNZ von Morgen" schon ab 21 Uhr zu lesen. Gelingt es ausnahmsweise einmal nicht, einen Text schon zu dieser Zeit fertigzustellen, blickt den Lesern aus dem Bildschirm die freundliche "Eule" entgegen: "An diesem Artikel wird noch geschrieben".

Abends wird die Nacht zum Tag

Sobald die Redaktion die Seiten dann auch für die Druckfassung freigibt – meist gegen 22 Uhr – beginnt die "heiße Phase" im Druckzentrum im Pfaffengrund. Zunächst werden beschichtete Aluminium-Druckplatten per Laser belichtet und entwickelt. Fast wie früher im Fotolabor. Im Farbdruck werden vier Platten pro RNZ-Seite benötigt: schwarz, rot, blau, gelb. Die belichteten Plattenteile tragen später die Farbe, über dem Rest liegt ein Wasserfilm.

Eine Besonderheit des Offset-Druckverfahrens: Die Druckplatte selbst kommt gar nicht mit dem Papier in Berührung, sondern sie überträgt ihre Farbe auf eine Gummiwalze, an der dann die Papierbahnen entlang laufen.

Die großen Druckmaschinen laufen meist gegen 22.30 Uhr an – zunächst mit langsamerer Geschwindigkeit. Ein aktuelles Fußballspiel, eine späte politische Entscheidung, vielleicht ein Wahlergebnis: Bis 23 Uhr kann der Spätdienst noch Seiten aktualisieren. Die "Newsrooms" der Nachrichtenagenturen sind schließlich rund um die Uhr besetzt. Und auch unsere Berliner Korrespondenten verharrten schon manche Nacht vor dem Kanzleramt, wenn hinter verschlossenen Türen der Koalitionsausschuss rang.

Für die neun unterschiedlichen RNZ-Ausgaben werden täglich zwölf Tonnen Papier – zu 90 Prozent recycelt – mit rund 100 Kilogramm schwarzer Farbe bedruckt. Auch gefaltet und zugeschnitten werden die Zeitungen selbstverständlich vollautomatisch. Die Auflage: 75.000 Exemplare unter der Woche, am Wochenende rund 85.000. Bei voller Auslastung könnten die beiden Druckmaschinen 40.000 Exemplare pro Stunde drucken – tatsächlich geht es etwas langsamer. Immer wieder prüfen die Drucker an den Leitständen die Qualität – und justieren bei Bedarf nach, geben mehr oder weniger Druckerfarbe auf das Papier. 

Ab 0.30 Uhr im ersten Briefkasten

Wenn alles glatt läuft, verlässt bis 2.30 Uhr die letzte Zeitung die Druckmaschine. Feierabend für die Drucker? Nein, erst heißt es noch "Putzen".

Die RNZ-Exemplare, die aus der sogenannten "Rotation" laufen, müssen jetzt noch versandfertig verpackt werden. Über 1,8 Kilometer lange "Ketten" laufen sie zunächst auf "Rolllager", wo sie kurz geparkt werden. Dann geht es weiter zu Maschinen, die zunächst Beilagen wie das RNZett oder Anzeigen beilegen. Anschließen werden Pakete zu 30 Exemplaren gebündelt, mit einem Packzettel versehen, verschweißt und auf großen Paletten in die Lieferwagen, kleine "Sprinter", verfrachtet.

So geht es ins ganze Verbreitungsgebiet der RNZ. Insgesamt sind 860 Zusteller im Einsatz, die die Zeitungen zuverlässig bei Wind und Wetter in alle Briefkästen bringen. Die ersten Abonnenten könnten ihre gedruckte RNZ schon um 0.30 Uhr lesen – da sind andere Exemplare noch längst nicht gedruckt. Die letzten Zeitungen werden bis 6 Uhr zugestellt.

Übrigens: Nicht nur 75.000 Ausgaben der RNZ bringen unsere Austräger in die Haushalte. Auch andere Zeitungen wie die FAZ, die Süddeutsche Zeitung oder das Handelsblatt werden in unserem Verbreitungsgebiet mitverteilt. Täglich 5500 Exemplare zusätzlich sind das – und am Donnerstag kommen noch rund 970 Exemplare der "Zeit" hinzu.

"Fans" der RNZ gibt es aber nicht nur zwischen Mannheim und Buchen, zwischen Sinsheim und Weinheim, sondern auch im Ausland. Seit fast 20 Jahren gibt es treue Leser im südfranzösischen Toulon. Auch über den Ärmelkanal, ins Herzen Englands, nach Macclesfield geht ein Exemplar. Den "Streckenrekord" stellt aber die RNZ auf, die regelmäßig in die USA, bis nach Kalifornien geliefert wird. So richtig aktuell dürfte die Zeitung dann allerdings nicht mehr sein, wenn sie in Long Beach auf dem Frühstückstisch landet. Dafür raschelt sie schön beim Umblättern – ein haptisches Vergnügen, das die E-Paper-Abonnenten aus New York, die es auch gibt, nicht haben.

Auf die Eule gekommen

Dafür begeistert das E-Paper schon am Abend vor dem eigentlichen Erscheinungstag. Es ist 19.30 Uhr, das Adrenalin für einen Großteil der Redaktionen schießt in die Höhe, plötzlich ploppt eine Nachricht im E-Mail-Postfach auf: Erinnerung an die E-Paper-Frühversion. In zehn Minuten müssen bis auf das Titelblatt alle Seiten in unserem Redaktionssystem abgemeldet sein, damit die Leser, die das Glück haben bereits mit unserem E-Paper vertraut zu sein, vor 21 Uhr schon wissen, was am nächsten Tag wichtig ist. Bloß nicht vergessen: die lesenswertesten Artikel markieren, damit sie direkt für alle sichtbar sind.

Das kann zwar alles Sache einer ausgeklügelten Planung sein. Doch was passiert, wenn Donald Trump kurz vor Abgabe vor die Presse tritt, ein Unfall in der Region für Chaos sorgt, sich eine spannende Lesegeschichte doch bis in den spät in den Nachmittag zieht oder gar 1899 Hoffenheim erst am Freitagabend in der Bundesliga aufläuft? Dann haben wir immer noch unser E-Paper-Maskottchen: die RNZ-Eule. Sie zeigt an, dass wir noch aktuell an einem Artikel arbeiten. Diese Beiträge werden dann bis spätestens 0.30 Uhr bereitgestellt.

Nicht nur für Redakteure oder Mitarbeiter, die sich um die Abwicklung der Seiten kümmern, kam diese Änderung, die die Rhein-Neckar-Zeitung vor einem Jahr vollzogen hat, einer kleinen Revolution gleich – sondern auch für die Leser, die bereits vor dem Druck der RNZ auf den Seiten stöbern können. Mittlerweile haben über 4900 von ihnen ein Abo für das neue Produkt – und es werden immer mehr.

"Dass sich eine gute Tageszeitung immer auszahlt, wissen viele Menschen. Durch die Online-Seiten wurden wir auch ein schnelles Medium. Seit dem Relaunch des E-Papers können unsere digitalen Abonnenten viele weitere Vorteile nutzen", sagt RNZ-Vertriebsleiter Michael Engelhardt. Mit der App könne die Ansicht verändert werden – von der klassischen Zeitungsseite zur modernen Kachelansicht. "Auch die Vorlesefunktion überzeugt, gerade bei Menschen mit Sehschwäche. Die Schrift kann natürlich auch vergrößert und das Lesevergnügen individuell optimiert werden", fügt Engelhardt hinzu.

Nach der Einführung kam es also zu spannenden Neuerungen – nicht nur für Leser. Wenn abends nach der Arbeit auf der Couch RNZ-Redakteure sich durch die App scrollen und Fehler entdecken, dann bekommt der Spätdienst nicht selten noch einen "dringenden" Anruf. Oder aber die jahrzehntelange Gewohnheit das Wort "gestern" in den Artikeln zu platzieren, weil es ja eigentlich für die morgige Ausgabe gedacht ist. Irgendwie komisch für die Leser zwischen 21 und 23.59 Uhr. Wenn es doch mal passiert, sehen das die ganz frühen bzw. späten Vögel wohl nicht ganz so eng – um Mitternacht ist dann alles wieder korrekt.

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