Mit einem Kompakt-E-Bike durch die Stadt
Für wen das Fahrrad Verkehrsmittel erster Wahl ist, entdeckt die Vorzüge eines Kompaktrades. Aber bitte mit Strom.

Von Stefan Weißenborn, dpa
Berlin. (dpa) - Wer sich schon einmal mit einem Hollandrad durch hügelige Städte wie Stuttgart, Freiburg oder Wuppertal gekämpft hat, weiß: Es gibt geeignetere Fahrräder als die niederländischen Flachlandvehikel mit den großen Laufrädern, den drei Gängen und dem aufrechten Sitz.
Kraftvoller Antritt und Wendigkeit - das sind die Anforderungen an ein Fahrverhalten, damit man an der Ampel schnell wieder in Fahrt ist, und auch so direkt lenken kann, dass man plötzlich auf den Radweg stolpernden Personen ausweichen und schnell wieder auf Spur kommen kann.
Kompakträder können das. Und ist das Kompaktrad ein Pedelec mit Elektroantrieb verlieren auch urbane Höhenmetern ihren Schrecken.
Hersteller sind etwa Tern (Modell: Vektron), Riese & Müller (Tinker), Qio (Eins) oder Cube (Hybrid 500). Ein Schnäppchen sind sie selten, die Elektrotechnik hat ihren Preis. Zumal mit Top-Ausstattung wie beim Edelmodell P12 ZR der deutschen Marke I:sy, mit dem wir uns in den urbanen Dschungel wagen.
Der Einsatzzweck: Für Genussradler, Allwetterpendler, Stadtflitzer sei ein I:sy-Kompaktrad ideal, "für kleine und große Radtouren oder die ganz große Reise", so definiert zumindest I:sy (2007 in Köln gegründet) selbst das Spektrum.
Doch für eine Radreise dürften sich Puristen in dieser Preisklasse ein reinrassiges Reiserad zusammenstellen, das dann auf großen Laufrädern rollt und mit Stahl- oder gar Titanrahmen ausgestattet ist. Und Genussradler? Die würden sich eher nach einem vollgefederten Modell umschauen.
Dass Berufspendler oder Alltagsradler das I:sy in die engere Auswahl nehmen, ist dagegen plausibel. Das Modell P12 ZR bringt zudem technische Finessen mit, die den Komfort kostenintensiv steigern.
Die Technik: Ein Rahmen für die Meisten
Der Rahmen mit den typischen Dreiecken gefällt vielen; funktional ist er zudem, da die mittlere Querstrebe als Tragegriff mitten im Schwerpunkt gut funktioniert. Das 24,2-Kilo-Bike lässt sich so gut anheben. Zudem folgt die Konstruktion einem "One Size fits Most"-Ansatz:
Da sich nicht nur der Sattel in der Höhe verstellen lässt, sondern auch der Lenker, ist das Bike schnell angepasst - und zwar an Körpergrößen zwischen 1,50 und 1,90 Metern.
Weil sich der Lenker ebenso fix auch querstellen lässt wie die Pedale anklappbar sind, kann die Breite des Modells auf rund 30 Zentimeter schrumpfen. Praktisch, wenn man das Bike in eine enge Garage schiebt oder es auf einem Pkw-Fahrradträger transportiert.
Soweit die Merkmale eines jeden I:sy-Kompaktrades, das P12 ZR hat zudem den Flaggschiff-Antrieb im I:sy-Portfolio zwischen den breiten Pedalen: die Motor-Getriebe-Einheit (MGU) E1.12 vom deutschen Zulieferer Pinion. Motor und Getriebe sind in einem Magnesium-Druckguss-Gehäuse vereint. Die zwölf Gänge wechseln je nach Einstellung vollautomatisch oder händisch.
Und Wumms hat die MGU - 85 Newtonmeter Drehmoment: Nicht sehr lang ist es her, dass dies das Maximum bei E-MTBs war. Ordentlich dimensioniert sind auch die hydraulischen Bremsen: Kommen hinten noch zwei Kolben bei 160 Millimetern Scheibendurchmesser zum Zuge, sind vorn vier Kolben und 180-mm-Discs ein ziemliches Ausrufezeichen.
Was fehlt, sind Federelemente. Am Testrad müssen die aufgezogenen Ballonreifen genügen, deren Stellschraube im Spannungsfeld zwischen Dämpfung und Lenkpräzision der Luftdruck ist: Lasch aufgepumpt machen sie Kopfsteinpflaster erträglich, prall zirkelt es sich umso besser umher. An einem Bike, das sich durch Wendigkeit auszeichnen soll, ist dieser Ansatz zumindest fragwürdig.
Besser ins Konzept passen die Steckachsen. So sind die Laufräder nicht nur im Handumdrehen montiert bzw. demontiert, sondern durch die starre Verbindung mit den Ausfallenden wird die Steifigkeit verbessert - und damit das Handling präziser.
Der Fahreindruck: Wird es noch ein Blitzstart oder ein Wheelie?
Wer sich erstmals im Sattel des potenten I:sy durch den Stadtverkehr kämpft, muss zunächst Gefühl für die Maschine entwickeln, um die im Zaum zu halten. Kraftvoll am Hang angefahren - und schon bäumt sich das Vorderrad auf.
Doch nach kurzer Eingewöhnungszeit passiert dies nicht mehr, der ungestüme Charakter des Kompaktmodells ist schnell im Griff. Nicht in der höchsten Unterstützungsstufe lospreschen hilft schon mal viel. Der Drang, sich an der Ampel in die Pole-Position zu mogeln, ist aber da. Einfach zu gut beschleunigt das I:sy, zu gewandt kann man es durch enge Lücken schlüpfen lassen.
Dabei ist es ausdauernd: Einmal Vollladen heißt, 800 Wattstunden in den Zellen zu haben. 169 Kilometer stehen dann im entnehmbaren Display des Testrades als Maximalreichweite, im Fly-Modus, der höchsten der vier Unterstützungsstufen sind es noch 81 Kilometer. Genug, um auch längere Pendlerstrecken ins Büro hin und zurückzuschaffen, ohne dass das Ladegerät mitfahren müsste.
Jedoch mehr als 25 km/h in Kombination von Motor- und Muskelkraft sind wie bei jedem Pedelec auch mit dem I:sy nicht drin, und höhere Durchschnittswerte sind ebenfalls kaum möglich, da es sich jenseits dieser Grenze mühsam tritt, auch das ist für E-Bikes typisch. In Innenstädten mit frequentierten Radwegen fühlen sich 25 Sachen in vielen Situationen aber schon zu schnell an; anders als auf leeren Radwegen am Stadtrand.
Komfort: Wer die Automatik walten lässt, fährt bequemer
Über das Cockpit-Display oder per App stellt man eine bevorzugte Trittfrequenz ein, die das Stirnradgetriebe dann recht konstant hält. Sensoren werten dazu fortlaufend Daten zu Trittfrequenz, Trittkraft, Geschwindigkeit sowie Steigungen und Gefälle aus.
Die Gangwechsel geschehen treffsicher, wenngleich das zirpende Schalten deutlich hörbar ist. Nach 10.000 Kilometer geht der Wartungswecker: Ein Ölwechsel steht an, den man Experten in der Werkstatt überlassen sollte.
Weitere Bauteile, Zubehör, Peripherie
Bei 150 Kilo liegt das zulässige Gesamtgewicht, laut I:sy-Angaben. Der Gepäckträger darf mit 27 Kilo davon belastet werden. Beladene Fahrradtaschen sind damit ebenso wenig ein Problem wie ein Kindersitz samt Nachwuchs, die ambitionierte Radtour ebenso wenig wie das Elterntaxi.
Frontträger, die zusätzlich zwischen neun und zwölf Kilo aufnehmen können, kosten ab 90 Euro, eine Federsattelstütze ab 200 Euro extra.
Serienmäßig ist ein Standard-Ladegerät mit 3 Ampere. Beim Hersteller Fit ist für 30 Euro ein Upgrade erhältlich, nach dem das Gerät mit dann 4,8-A-Ladestrom zugange geht.
Der Preis: Ohne Automatik günstiger - aber nicht billig
5.999 Euro, so viel verlangt I:sy für das Modell P12 ZR. So es die Adventure-Variante sein, die Federgabel, breite Reifen und eine absenkbare Sattelstütze verbaut hat, werden noch 200 weitere Euro fällig.
Wem aber das I:sy-Konzept genügt und statt Pinion-Automatik mit der Nexus 8-Gang-Nabenschaltung von Shimano zufrieden ist, kann auch mit 2.100 Euro weniger kalkulieren und zahlt dann 3.899 Euro für das Einstiegsmodell.
Das Fazit: Aus einem Guss, Preis steht unter High-End-Verdacht
Die Komponenten sind edel, das Bike führt sich wie aus einem Guss. Und die Automatik? Ein wahrer Komfort-Zugewinn. Unter High-End-Verdacht steht allerdings auch der Preis. Wem der zu hoch ist, der gradet down oder schaut sich bei der Konkurrenz um, denn die ist oft billiger.
Noch günstigere Option: ein Kompaktrad ohne Hilfsmotor - gibt es aber zumindest von I:sy nicht mehr neu. Wer in Stuttgart, Freiburg oder Wuppertal radelt, überlegt sich dies aber wohl zweimal.