Plus Smartphones

"Zeig mal"

Über die Bedeutung von Smartphones bei der Interaktion diskutierten Forscher am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim

04.04.2017 UPDATE: 09.04.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 40 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Harald Berlinghof

Mannheim. Gutenacht-Geschichten vorlesen, Trost spenden, Grüße ausrichten oder nur Informationen weiter geben. Vom wissenschaftlichen Dialog bis zum nichtssagenden Small Talk reicht die Palette dessen, was Menschen im Gespräch zustande bringen. Es wird erklärt, belehrt, belogen. Die menschliche Kommunikation hat zahlreiche Facetten und die technologischen Medien, allen voran das Smartphone, erweitern die Kommunikation über räumliche Grenzen hinweg. Mit diesem Thema haben sich jetzt Gesprächsforscher bei einer Tagung am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim beschäftigt.

Die menschliche Sprache ist mit ihrer jeweils eigenen Grammatik das Komplexeste, was das menschliche Gehirn hervor gebracht hat. Doch Sprache ist nur ein Teil der menschlichen Kommunikation. Auch Bilder tragen zum gegenseitigen Verstehen bei. Das war schon bei den Höhlenmalereien so. Doch an diesem Punkt bietet das noch relativ junge technische Medium des Smartphones ganz neue Möglichkeiten, auch durch die permanente Abrufbarkeit einer riesigen Menge von Bildern. Und es verändert die menschliche Kommunikation. Das Zeigen der Bilder wird zu einem Bestandteil der Kommunikation.

Hierzu ein Beispiel: Zwei junge Frauen sitzen sich im Zug gegenüber und zeigen sich gegenseitig ihre Fotos, die sie auf dem Handy gemacht haben. Sie sagen zwar "Zeig mal", aber sie zeigen ihr Smartphone-Display nicht der Freundin, indem sie es ihr vor das Gesicht halten, vielmehr schicken sie ihre Bilder hin und her, von S-Bahnsitz zu S-Bahnsitz, ohne den Blick vom Handy zu nehmen. Nur das gemeinsame Gelächter zeigt dem Beobachter, wann wieder ein Foto die Seite gewechselt hat.

"Zeig mal". "Ich such’s kurz". "Hier ist es". "Guck mal", geht die verkürzte Konversation. Die Mannheimer Konversationsanalytikerin Prof. Angela Keppler konnte in ihrem Vortrag die gegenseitige Abhängigkeit von Sprache, Fotos und sozialer Interaktion aufzeigen. "Zeig mal", so die Aufforderung im Gespräch und dem Handy in der Hand der Angesprochenen. "Guck mal", so der umgekehrte Weg.

Durch die Einbindung von Fotos in das Gespräch erfolgt eine Verbindung von Zeigen und Sagen. Aber Keppler widerspricht vehement der Aussage: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Vielmehr sagt ein Bild überhaupt nichts, wie die Wissenschaftlerin betont. Davon allerdings nimmt sie später wieder ein wenig Abstand. "Bilder haben keine spezifische Aussage", konstatiert sie. Aber sie bleibt dabei: Ein Bild oder Foto ist immer erklärungsbedürftig, bedarf einer Kommentierung und kommt ohne Sprache nicht aus.

Jeder Zeitungsmacher weiß das ganz genau. Denn wozu sonst sollten die Bildunterschriften dann nützlich sein, wenn jedes Bild selbsterklärend wäre? Aber Bilder können Worte im Gespräch ersetzen und das Verstehen erleichtern. "Komm, ich zeichne es Dir mal kurz auf", so das Angebot eines Erklärenden, der nicht verstanden wird. Dazu braucht es kein Smartphone. Nur ein Blatt Papier und einen Stift. Hübsch altmodisch, aber immer noch wirksam.