Zurück in die Vergangenheit
Vor 70 Jahren wurde die Polaroid-Kamera präsentiert – Momentan erleben Sofortbild-Kamaras eine überraschende Renaissance

Eine Polaroid Image-Kamer "spuckt" ein Foto aus. Foto: dpa
Von Michael Ossenkopp
Viele Hobbyfotografen dürfte bei diesem mechanischen Klicken dem Rattern und Surren des kleinen Motors ein nostalgisches Gefühl überkommen. Und dann kommt aus dem kleinen Schlitz an der Polaroid-Kamera ein etwa 10 auf 8 Zentimeter großes Foto, das möglichst innig gewedelt wird, bis sich wie von Geisterhand die ersten Konturen zu einem Bild entwickeln. Nach einer herben Flaute im Zuge der Digitalisierung erleben Sofortbildkameras und Filme für noch funktionstüchtige alte Modelle derzeit ein unerwartetes Comeback.
Vor 70 Jahren, am 21. Februar 1947, präsentierte Edwin Herbert Land in New York erstmals der Öffentlichkeit seine "Polaroid". Von der Aufnahme bis zum fertigen Bild dauerte es nur eine Minute. In der Fotografie damals gleichermaßen Sensation wie Revolution.
Land hatte Wissenschaftler der "Optical Society of America" in den Vortragssaal des Hotels Pennsylvania eingeladen. Hier demonstrierte er den verblüfften Experten seine "Land camera", gebaut auf Basis einer Balgenkamera. Die eigentliche Neuerung von Lands Apparat lag im dazugehörigen Film. Das Schnellentwicklungsverfahren übertrug das belichtete Negativ auf ein Positiv. Und das in der außergewöhnlichen Größe von 20 auf 30 Zentimeter.
Schon 1933 hatte der Physiker Polarisationsfolien entwickelt, die er sich patentieren ließ. Mit den Filtern wurde grelles Licht gedämpft, sie kamen in Fenstern und Sonnenbrillen zum Einsatz. 1937 machte er sich in Boston mit seiner Firma Polaroid selbstständig und verdiente gutes Geld.
Die Idee war ihm 1943 gekommen. Beim weihnachtlichen Familienurlaub in Santa Fe hatte er seine dreijährige Tochter Jennifer fotografiert, als sie ihn fragte: "Papa, warum kann ich das Bild nicht sofort sehen?" Dadurch wurde Lands Erfindergeist geweckt und er begann, an einer Lösung zu tüfteln. "Ich hatte genau vor Augen, wie eine Polaroid-Sofortbildkamera sein sollte. Sie war für mich total real, schon bevor ich sie gebaut hatte", erinnerte er sich später.
Doch bis er das fertige Produkt vorstellen konnte, bedurfte es noch intensiver Forschung. Mit der Chemikerin Eudoxia Woodward und dem Ingenieur Maxfield Parrish jr. zog sich Land ins Labor zurück. Heute würde er wohl als "workoholic" bezeichnet, häufig arbeitete er ohne Pausen, manchmal nahm er sich nicht einmal Zeit zum Essen oder Umziehen.
1944 präsentierte das Team eine Walzentechnik, die einen chemischen Prozess in Gang setzte. Kernstücke waren sogenannte Pods, diese kleinen Papiertaschen enthielten Entwicklerpaste und mussten am "Peel Shot" ("Abziehbild") präzise zum Zerplatzen gebracht werden, damit sich die Flüssigkeit zwischen Positiv und Negativ verteilen konnte. Dieses "Trennbildverfahren" dauerte 30 bis 90 Sekunden. Danach wurde das Foto aus der Kamera gezogen. Die erste Belichtung eines Polaroid-Bildes gelang am 7. August 1944.
Weitere Experimente folgten, bis aus dem Prototypen ein serienreifes Modell entstand. Das Trennbildverfahren war sehr aufwendig, Schwachstelle blieb die hohe Temperaturempfindlichkeit, zudem waren die Filme im Vergleich zu herkömmlichen teurer. Im Gegenzug wurde das Fotolabor eingespart. Schließlich erschien 1947 das erste Polaroid-Foto im Life Magazine als "Bild der Woche". Es begann ein Siegeszug um die ganze Welt.
Die ersten Exemplare der "Land Camera Model 95" verkaufte am 26. November 1948 die Jorden Marsh Company in Boston. Preis: 89,50 Dollar. Die Kamera ging danach millionenfach über die Ladentische, obwohl sie lediglich schwarz-weiße Bilder mit leichtem Braunstich lieferte. Innerhalb kurzer Zeit wurde "Polaroid" zum Synonym für Sofortbildkameras.
Und die Firma blieb weiterhin innovativ: 1957 stellte sie einen Dia-Film vor, der in zwei Minuten projektionsfähige Diapositive produzierte, 1959 erschien der hochempfindliche Film "Typ 3000", der Innenaufnahmen ohne Blitz ermöglichte. 1963 brachte Lands Firma den ersten "Ein-Minuten-Farbfilm" Polacolor auf den Markt.
Der nächste große Coup gelang Polaroid 1973 mit dem Modell SX-70. Bei dem neuen Integralfilm-Verfahren konnten innerhalb von zehn Sekunden fünf Bilder geschossen werden. Die Belichtung erfolgte über einen Spiegel durch das durchsichtige Positiv, alle Filmbestandteile waren im ausgeworfenen Bildpapier integriert und es musste nicht mehr vom Negativ getrennt werden. Jeder konnte beobachten, wie das Bild langsam sichtbar wurde.
Auch die Hersteller Fuji und Kodak verkauften Sofortbildkameras. In den 80ern klagte Polaroid gegen Kodak wegen Patentverletzung. Kodak verlor den Rechtsstreit und stellte 1985 Herstellung und Vertrieb ein. In den 90ern verschlief Polaroid den Fortschritt der elektronischen Speicherung auf Videobändern ebenso wie den Start der Digitalfotografie.
2001 hatte Polaroid 900 Millionen Dollar Schulden. Das Unternehmen strengte ein Betrugsverfahren gegen die frühere Muttergesellschaft Petters Group Worldwide an. Der ehemalige Eigentümer Tom Petters hatte mit einem kriminellen "Schneeballsystem" einen Schaden von mehr als 3,5 Milliarden Dollar angerichtet, 2010 wurde er zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Polaroid war bereits Ende 2008 insolvent und musste die Produktion von Sofortbildkameras und Filmen einstellen. Mittlerweile ist die PLR IP Holdings Rechteinhaber des ehemaligen Unternehmens Polaroid Inc. und lizensiert Produkte unter dem Namen Polaroid.
Doch seit einigen Jahren erlebt das Sofortbild eine Renaissance. Fuji vermarktet in der Instax-Reihe wieder erfolgreich Sofortbildkameras, daneben erobert auch die Polaroid Z 2300 die Geschäfte. 2010 übernahmen zwei Jungunternehmer den letzten Produktionsstandort im niederländischen Enschede und verkaufen heute unter dem Firmennamen "Impossible" wieder Filme für Polaroid-Kameras, die auf ein stetig wachsendes Interesse stoßen. Nostalgiker bemängeln allerdings, die Qualität der "alten" Filme sei wesentlich besser gewesen. Zudem gründeten einige ehemalige Polaroid-Techniker mit Investoren das Startup-Unternehmen Zink (für Zero Ink). Der von ihnen vertriebene Fotodrucker bringt statt Tinte winzige Farbkristalle aufs Papier.
Der Hauptgrund für das Revival liegt mit Sicherheit darin, dass man im Gegensatz zu digitalen Fotos die Abzüge sinnlich "be-greifen" kann - auch wenn sich digitale Fotos längst mit Filtern zu polaroid-lookalike verfremden lassen. Sofortbildkameras werden in Vergnügungsparks, auf Familienfesten, Festivals und anderen Feiern eingesetzt, ebenso finden besonders Jugendliche in Tokio Gefallen an den Kameras und Fotos mit Retrocharakter. Auch Künstler wissen die etwas andere Art der Fotografie zu schätzen. Nachteile gegenüber digitalen Handyfotos sind der hohe Preis (etwa ein Euro pro Foto) sowie der anfallende Plastikabfall und der stattliche Batterieverbrauch. Und momentan weiß niemand, wie haltbar die Abzüge tatsächlich sind.
Übrigens: Polaroid-Fotos heftig durch die Luft zu wirbeln, damit sie "schneller trocknen", bringt nichts. Laut Hersteller entwickeln sie sich optimal, wenn sie flach und ungestört auf dem Tisch liegen.



