"Zu viel Schwere"

Motivationskicks gegen den Homeoffice-Trott

Ab ins Homeoffice - das dürfte nun für noch mehr Arbeitnehmer gelten. Andere haben das Büro schon seit Monaten nicht mehr gesehen - und stecken in der Motivationskrise. Wie finden sie wieder Schwung?

26.01.2021 UPDATE: 26.01.2021 08:28 Uhr 3 Minuten, 6 Sekunden
Jeden Tag die gleichen vier Wände: Nach mehreren Monaten Arbeit im Homeoffice, haben nicht wenige etwas von ihrer Arbeitsmotivation eingebüßt. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn

Von Elena Zelle

Winterblues statt Neujahrseuphorie, Lockdown, Schmuddelwetter, Alltagstrott. All das geht an den meisten Menschen nicht spurlos vorbei. Doch statt sich einzukuscheln und noch einen Gang runterzuschalten, bis der Spuk vorüber ist, müssen viele trotzdem Leistung bringen - von zu Hause aus.

Wer im Homeoffice arbeitet, hat nicht selten mit seinem inneren Schweinehund zu kämpfen. Die Motivation lässt leider oft zu wünschen übrig. Doch woran liegt das? Und vor allem: Was kann man dagegen tun?

Eine Frage der Persönlichkeit

Wie gut und motiviert jemand im Homeoffice klarkommt, hängt von den Umständen zu Hause, vor allem aber von der Persönlichkeit ab, wie Prof. Florian Becker weiß. Er ist Diplom-Psychologe und beschäftigt sich als Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft mit Mitarbeiterpsychologie.

Ein Faktor sei die emotionale Stabilität: Wer nicht so stabil ist, lasse sich von der Arbeit zu Hause stärker aus dem Gleichgewicht bringen und habe es schwerer, den Fokus auf die Arbeit zu richten. Außerdem spiele die Gewissenhaftigkeit eine entscheidende Rolle: Wer gut planen und strukturieren kann und sich dann auch daran hält, dem fällt es auch leichter, im Homeoffice motiviert zu bleiben.

Als drittes Persönlichkeitsmerkmal nennt Becker die Selbstregulation: "Wie gut ist jemand in der Lage, augenblicklichen Impulsen auch ohne soziale Kontrolle zu widerstehen?" Im Klartext: Wie sehr lässt man sich vom Handy oder vom Fernseher ablenken?

Gegen die Ablenkung

Becker rät, so gut es geht gegenzusteuern. Am besten sucht man sich einen festen Ort, an dem man zu Hause arbeitet. Dieser Platz werde dann auch gedanklich mit der Arbeit verknüpft.

Und die Infrastruktur daheim muss passen. "Das sollte am besten nicht der wackelige Klappstuhl am Küchentisch vor dem fünf Jahre alten Notebook sein." Denn wenn die Technik nicht funktioniert, ist das zusätzlich demotivierend.

Verbindlichkeit schafft neue Gewohnheiten

Unbedingt sollte man für sich einen Plan aufstellen: Wann stehe ich auf? Wann arbeite ich, wann mache ich eine Pause? Wann kümmere ich mich um das Essen? Wann gehe ich raus? Wann treibe ich Sport?

All diese Dinge sollte man so verbindlich und detailliert wie möglich festlegen. Nur so werden sie zu Gewohnheiten, und man bekommt eine feste Arbeitsstruktur.

Zum Thema Impulskontrolle rät Becker: "Wenn du Dinge hast, die dich ablenken und du kriegst es nicht in den Griff, dann kann es Sinn machen, zum Beispiel das jeweilige Gerät zu beseitigen." Er selbst habe zum Beispiel keinen Fernseher mehr. Leicht ist all das nicht, räumt Becker ein. "Es ist derzeit sehr viel intrinsische Motivation und Disziplin nötig, um weiter mit Vollgas zu arbeiten."

Wo ist die Herausforderung?

Hinzu kommt: Die Online-Meetings ist inzwischen fast jeder leid, viele langweilen sich am heimischen Schreibtisch ohne neue Herausforderungen, und die Bindung zum Team und zum Unternehmen geht durch die Distanz nach und nach auch verloren. "Bei vielen läuft die Arbeit im Homeoffice wie ein Grundrauschen nebenher", sagt der Coach und Autor Bernd Slaghuis. "Was erledigt werden muss, das wird erledigt. Mehr aber auch nicht."

Da hilft dem Coach zufolge nur: aktiv werden, Probleme ansprechen und selbst etwas ändern. Zuerst sollte jeder, der im Homeoffice arbeitet, sich überlegen: Was gibt mir Kraft? Was tut mir gut? Das können verschiedene Sachen sein: "Morgens eine Sporteinheit, spazieren gehen, mit der Familie gemeinsam essen, einen Mittagsschlaf machen oder mit Freunden telefonieren."

Zu viel Schwere bremst

Zwar gebe Struktur Sicherheit und Halt, sie enge aber auch ein und führe zur Routine, die so viele gerade demotiviert. Gerade deshalb sollte man sich bewusst machen, welche positiven Seiten das Homeoffice hat und was man daraus machen kann: "Viele sitzen da mit zu viel Schwere. Dabei könnte man das Homeoffice total genießen, aber viele haben die positiven Seiten vergessen."

Auch was die Arbeit direkt angeht, rät Slaghuis dazu, das Heft selber in die Hand zu nehmen - und zum Beispiel nur noch an Online-Meetings teilzunehmen, wenn es eine Agenda gibt. Oder anzusprechen, was einen an den Meetings stört und gemeinsam zu überlegen, was man ändern könnte. Führungskräfte sollten ebenfalls möglichst für Abwechslung sorgen: Zum Beispiel methodisch mehr Schwung in die Meetings bringen und mal andere Techniken oder Präsentationsformen nutzen.

Ein "Abendblitzlicht" frischt die Gruppendynamik auf

Florian Becker schlägt ein "Abendblitzlicht" vor - das ist eine Videokonferenz kurz vor Feierabend, in der alle Teammitglieder sich kurz austauschen. Jeder erzählt etwas zu den Fragen "Wie geht es mir gerade? Was habe ich heute gemacht? Was lief gut? Was lief nicht so gut? Was will ich morgen anders machen?" Dies gleiche den fehlenden Kontakt vor Ort zumindest ein wenig aus. Vorgesetzte sollten dabei Interesse zeigen, Fragen stellen und loben.

Außerdem schaffen solche Meetings wieder eine Gruppendynamik, indem sie das Gefühl vermitteln: Zu Hause zu arbeiten ist normal, alle arbeiten, alle schaffen etwas. Es könne sogar ein kleiner Wettbewerb daraus entstehen, der die Motivation fördert - "weil keiner am wenigsten gemacht haben will", sagt Becker.