Von Ingeborg Salomon
Afrika ist eine Wundertüte. "You never know what you see", lacht Maud, die aussieht, wie sich ein Mitteleuropäer Mama Afrika vorstellt, und uns heute in Botswana durch den Chobe Nationalpark fährt. Ja, man weiß nie, ob ein Hyänenrudel gerade frühstückt, eine Giraffe Blätter vom Baum zupft oder Warzenschweine die Piste queren. Sicher ist nur eins: Wir werden viele Elefanten sehen, denn in Botswana lebt die größte Elefantenpopulation der Welt. Allein im nördlichen Teil des Chobe, an der Grenze zu Namibia und Simbabwe, sind es nach Schätzungen über 60.000 Tiere. Klar ist: Elefanten haben immer Vorfahrt. Wenn sie die Piste blockieren, heißt es abwarten. Gefährlich sind die Dickhäuter nicht und an Menschen in Safarijeeps durchaus gewöhnt, aber wenn sie mit den Ohren flattern und lautstark trompeten, sind sie ganz schlecht gelaunt. Besonders Elefanten mit Jungen regen sich leicht auf, wenn sie ihren Nachwuchs bedroht sehen. "Sitzen bleiben, nur leise reden und auf keinen Fall das Auto verlassen", schärft Maud uns ein.
Der Chobe Nationalpark zeigt am letzten Tag unserer zweiwöchigen Drei-Länder-Reise durch Botswana, Namibia und Simbabwe noch einmal ganz großes, wirklich tierisches Theater. Ein Gepard hat sich lässig über einem Ast abgehängt und blinzelt in die Sonne. Zwei Honigdachse trotten über den Weg, Impalas, Kudus, Litschi- und Orynx-Antilopen springen elegant durch die Büsche. Perlhühner tippeln durch den Sand, Seeadler kreisen und der Waffenkiebitz lässt seinen hohen, metallischen "tink-tink"-Ruf hören. Der erinnert an den Klang von Waffen, daher der etwas ungewöhnliche Name. Unsere Tour hat bei Sonnenaufgang um 6 Uhr begonnen. Safaris sind nichts für Langschläfer, denn am frühen Morgen und am späten Nachmittag, etwa ab 16 Uhr, sind viele Tiere aktiv und in der Trockenzeit gut zu beobachten, da Bäume und Sträucher kaum noch Laub tragen. Zwischen April und Oktober ist die Landschaft braun und ausgedörrt und die Pisten sehr staubig, aber da die Tiere dann dringend Wasser brauchen, ist ziemlich klar, wo man sie sieht: an den großen Flüssen und an Wasserlöchern.
Deshalb erforschen wir Botswana und den Caprivistreifen im nördlichen Namibia nicht nur zu Land, sondern auch zu Wasser und aus der Luft. Nachdem wir im Caprivi in einer wunderschönen Lodge direkt am Fluss Kwando die Nacht verbracht haben, besteigen wir ein Boot, um Krokodilen und Flusspferden näher zu kommen. Näher, aber nicht zu nah, denn beide sind blitzschnell und nicht ganz ungefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Bei Tag sieht man von den massigen Hippos meist nur kleine Augen, winzige Ohren und große Nasenlöcher aus dem Wasser ragen. Kaum haben wir sie mit der Kamera fixiert, sind sie abgetaucht, und da sie über einen langen Atem verfügen, kann es bis zu sechs Minuten dauern, bis das Objekt unserer Fotobegierde wieder auftaucht. Inzwischen freuen wir uns über eine farbenprächtige Vogelwelt, die an Artenreichtum und Schönheit ihresgleichen sucht. Diese Kleinen sind hier ganz groß.
Zu einem besonderen Erlebnis wird die Nacht, die wir auf einem geräumigen Hausboot auf dem Okavango verbringen. In bequemen Kabinen nächtigen wir nach einem köstlichen Abendessen und dem schon traditionellen Gin Tonic unterm Moskitonetz, während uns der Fluss sacht in den Schlaf wiegt. Wer hier einmal beim ersten Kaffee die Sonne hat aufgehen sehen, wird das nie vergessen, ebenso wie die spektakulären Sonnenuntergänge, die unsere Tage abschließen. Vom Vollmond über dem Moremi gar nicht zu reden. Moremi bedeutet: Wo Delta und Land sich treffen und dieses Gebiet aus Baumsavanne, Mopanewald, weiten Grasflächen und saisonalen Überflutungsmarschen ist unwirklich schön und ein Paradies für Tiere.
Beeindruckend ist diese Landschaft auch aus der Luft: Von Seronga aus überfliegen wir in einem Kleinflugzeug das Okavango-Delta bis ins Khwai Gebiet. Aus nur 200 bis 500 Metern Höhe entdecken wir nicht nur Elefantenherden, sondern sparen uns auch die anstrengende ganztägige Fahrt nach Osten über staubige Holperpisten bis zur O Bona Moremi Safari Lodge, wo wir die nächsten drei Nächte in großzügigen, auf Holzdecks errichteten Hauszelten mit privatem Bad verbringen. Mitten in der Wildnis! Welch ein Luxus! Die Herzlichkeit unserer Gastgeber und die Künste des Kochs lassen keine Wünsche offen, so dass wir abends ebenso müde wie glücklich am Lagerfeuer unsere Eindrücke austauschen.
Unsere Reise endet, wo sie begonnen hat: in Victoria Falls. Natürlich wollen wir uns die weltberühmten Wasserfälle nicht entgehen lassen. Schon die nackten Zahlen beeindrucken: Hier stürzt der Sambesi, der im Norden Sambias entspringt und mit einer Gesamtlänge von 2700 Kilometern Afrikas viertlängster Fluss ist, auf einer Breite von 1700 m in eine 108 m tiefe Schlucht. In der Regenzeit fallen fast 550 Millionen Liter Wasser pro Minute hinab, aber auch in der Trockenzeit ist dieses Weltnaturwunder noch ein grandioser Anblick. Erstmals beschrieben hat die Fälle am 16. November 1855 der schottische Abenteurer und Missionar David Livingstone, der ihnen zu Ehren seiner Königin den Namen Victoria Falls gab. In der Sprache der lokalen Kololo heißen sie Mosi-oa-tunya, "der Donner, der raucht" – was die Szenerie treffend beschreibt. Doch der Rauch donnert nicht nur, er spritzt auch. Deshalb schweben Millionen Tröpfchen in der Luft, lassen einen dichten Regenwald aus Farnen und Lilien wachsen und oft farbenprächtige Regenbogen entstehen, die Sambia und Simbabwe über den Fluss hinweg verbinden.
Die Victoria Falls waren und sind in Simbabwe die Touristenattraktion, und die rund 20.000 Einwohner des gleichnamigen Städtchens leben einigermaßen ordentlich davon. Gerade für ein Land, das durch Korruption und Misswirtschaft politisch und wirtschaftlich am Boden liegt, wo jeder Grenzübergang ein Abenteuer ist und teilweise nur mit Schmiergeld zu bewerkstelligen, wo die Arbeitslosigkeit bei 95 Prozent liegt und jeder vierte Erwachsene zwischen 15 und 50 Jahren mit HIV infiziert ist, ist das schon viel. Ganz vergessen können wir das nicht, aber in Afrika muss man Widersprüche aushalten können. Deshalb gönnen wir uns im Städtchen noch ein weiteres Highlight: Auf der Terrasse des legendären Victoria Hotels nehmen wir den High Tea – stilecht mit Lachs- und Gurkensandwichs, Muffins, Clotted Cream und Marmelade. Britischer geht’s nicht. Dabei streift unser Blick über den manikürten Rasen dieses Luxushotels bis zur Livingstone Bridge, die Simbabwe und Sambia verbindet. Welch ein Kontrast!
Aber: "Hakuna Matata" haben wir auf dieser Reise oft gehört. Das ist Swahili und bedeutet: Es gibt keine Probleme oder freier übersetzt: alles in bester Ordnung. Zumindest für unsere Safari-Erfahrungen gilt das. Darauf stoßen wir mit einem letzten Gin Tonic an: auf Afrika, auf seine wunderbare Tierwelt, seine fantastischen Landschaften und seine herzlichen Menschen.