Seltenes Naturspektakel: Am Strand von Cape Hillsborough tummeln sich am frühen Morgen die Kängurus. Foto: Heinke
Von Carsten Heinke
Wie Burgen und Türme ragen die Glass House Mountains aus der Ebene der Sunshine Coast, nicht weit von Queenslands Hauptstadt Brisbane. In Form und Größe sehr verschieden, steht jeder der 13 Lavafelsen für sich allein. Von der Aussichtsplattform des Mary-Cairncross-Reservats sieht man sie alle. "Das ist Beerwah, die Mutter", sagt Beverly und zeigt auf den größten Berg. Mit 556 Metern überragt er die komplette Gruppe. Ein kleinerer ähnelt einem Affen, der aufs Meer schaut. Ihn nennt die Touristenführerin "Vater Tibrogargan", einen dritten "Sohn Coonowrin". Alle anderen seien dessen jüngere Geschwister.
Die Namen der bizarr geformten Felsenriesen spricht die Einheimische mit Achtung und Vertrautheit aus. Fast klingt es so, als stelle sie die eigenen Verwandten vor. Der Eindruck täuscht nicht. Denn Beverly ist Aborigine, eine Angehörige des Volks der Kabi Kabi. Und wie alle Ureinwohner von Australien betrachtet sie auch Berge, Steine oder Flüsse als lebendige Geschöpfe – interessanter und persönlicher könnte eine Reise auf den fünften Kontinent wohl nicht beginnen.
Touristenführerin Beverly zeigt uns das Mary-Cairncross-Reservat. Foto: HeinkeNach einer aufregenden, doch zugleich sehr entspannten Nacht im komfortablen Dschungel-Chalet des Narrows Escape Retreat bei Montville geht es sehr früh nach Noosa, wo im angesagten "Bistro C" direkt am Strand ein famoses Frühstück wartet – und auf dem Parkplatz vor der Tür ein Allrad-Jeep mit breiten, sanderprobten Reifen. Die braucht er auch, denn diese Tagestour führt über eine sehr spezielle Autobahn zwischen Dünen, Felsen, Küstenwald und den Wellen des Korallenmeeres zum 40-Miles-Beach. Vorbei am Roten Canyon, der Freshwater Picknick Zone und einem Leuchtturmhügel, um den Australiens längste Surferwellen tosen, saust man mit bis zu 80 Sachen durch den Great Sandy Nationalpark. Highlight sind die Coloured Sands – von Pflanzensaft und Eisenerz gefärbte Dünen in über 40 bunten Tönen.
Gefiederte Wegbegleiter. Foto: HeinkeZiel ist Rainbow Beach, auf das man von den stylishen Suiten des Rainbow Ocean Palms Resort den perfekten Blick hat – inklusive stimmgewaltiger Gesellschaft in Gestalt von neugierigen Kakadus. Mit der größten Selbstverständlichkeit setzen sich die frechen Vögel zuerst auf die Balkongeländer, dann auf Stuhl- und Sessellehnen. "Wer alles, was er hat, behalten will, sollte Tür und Fenster besser schließen, wenn er ins Bad geht oder aus dem Haus", rät Manager Mark Beech, der die Apartment-Anlage mit seiner Frau Tanya vor Ort betreut.
Nur 15 Gehminuten sind es bis zu Carlo Sand Blow, einem Riesensandgebirge, das vor langer Zeit Gewitterblitze schufen. Hier wird man Zeuge der wohl spektakulärsten Sonnenauf- oder -untergänge Queenslands. Gleich in der Nachbarschaft liegt Fraser Island, größte Sandinsel der Erde und mit rund 300 Dingos eines der letzten Rückzugsgebiete der australischen Wildhunde. Begegnungen mit ihnen, wie etwa am Lake McKenzie, ist eher Zufall. Ein Rendezvous mit Buckelwalen lässt sich dagegen beinahe planen – so auch bei diesem Trip.
Am frühen Morgen sticht das Schiff vom Kingfisher Bay Resort in See. Kaum hat es die Hervey Bay erreicht, ist der erste Blas, die Atemluftfontäne eines Wals, zu sehen. Bald sind es mehrere. In der blauen Ferne ragen die eine oder andere Flosse oder ein Stück Rücken aus dem Wasser. Nicht lange, und die neugierigen Meeressäuger nähern sich, um das Boot zu inspizieren. Aus den flinken Schatten werden drei gut zehn Meter lange Buckelwale, denen das menschliche Interesse scheinbar schmeichelt. Zum Greifen nah werfen sich die Giganten prahlerisch in Pose. Was für ein Schauspiel!
Entspannte Nacht im komfortablen Dschungel-Chalet des Narrows Escape Retreat. Foto: HeinkeKurz nach fünf am Morgen ist es selbst im licht- und wärmeverwöhnten Queensland noch recht frisch und finster. Doch in den Campern, Bungalows und Zelten des Nature Tourist Parks von Cape Hillsborough brennt bereits Licht. Als sich die ersten Gäste am Strand der Halbinsel einfinden, hat ihn die Dämmerung schon blau gefärbt – genauso wie den Regenwald, das Meer und zwei Dutzend Beuteltiere.
"Bitte Abstand halten und die Tiere nicht berühren", warnt Campingplatzbesitzer Ben Atherton das Publikum. Neben frisch angespültem Seetang und Mangrovensamen fressen die Kängurus und die verwandten Wallabys das Gemisch aus Haferflocken und Melasse, das ihnen Ben und seine Frau Renae servieren. Sowohl bei der zusätzlichen Fütterung als auch beim Kontakt hat das naturverliebte Ehepaar das Wohlbefinden von Mensch und Tier im Auge. "Früher starben Kängurus und Wallabys an den Chips und Süßigkeiten mancher Unvernünftiger. Auch kam es zu Unfällen, etwa wenn ein Kind mit Essen in der Hand von einem Tier attackiert wurde", berichtet Renae. Seit sie und Ben das Ganze kontrollieren, ist der Bestand stabil und recht wohlauf. Auch Boxverletzungen gab es schon lange nicht mehr – zumindest nicht bei Gästen.
Hinter Wedge Island geht die Sonne auf und lässt Cape Hillsborough samt Strand und Kängurus im warmen Morgenlicht erstrahlen. Der letzte Tag auf Queenslands Festland könnte kaum schöner starten. Am Abend wird man schon im tropischen Nordosten sein, wo Great Barrier Reef und Whitsunday-Inseln mit neuen Reiseabenteuern warten.
Die Reise unseres Autors fand noch vor der Corona-Pandemie statt. Derzeit besteht für Australien eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.