Kroatien

Auf den Spuren der Glockenträger

In der Region um Rijeka bestimmen die Zvoncari den kroatischen Karneval

31.01.2019 UPDATE: 03.02.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 25 Sekunden
Der kroatische Karneval hat mit dem deutschen einige Gemeinsamkeiten. Auch hier gibt es einen bunten Umzug, an dem hunderte Kostümierte teilnehmen.​ Foto: Udo Haafke​

Von Udo Haafke

Der Pust ist an allem schuld", erklärt Marina Juric, Leiterin des kleinen Tourismusbüros von Viškovo, und deutet lächelnd auf die bunt gekleidete Strohpuppe, die an einem hohen Pfahl unmittelbar am Dorfplatz hängt und sanft im Wind schwingt. "Traditionell am St. Antons Tag, dem 17. Januar, wird er hier aufgeknüpft. Der Pust steht symbolisch für all das Böse und Schlechte, was uns hier in der Gegend während des vergangenen Jahres widerfahren ist." Die Figur beschreibt niemanden persönlich, bekommt höchstens einmal einen Spitznamen verpasst, und hat erst ganz am Ende der Feierlichkeiten einen flammenden Auftritt. "Gerade in den letzten Tagen vor Faschingsdienstag, dem letzten Tag unseres Karnevals, herrscht hier bei uns eine sehr intensive, festliche Stimmung. Ganz im Sinne unseres Mottos: Zivio Pust! Es lebe der Fasching!"

Hintergrund

INFORMATIONEN

Termine: Die Karnevalssaison 2019 in Rijeka endet am 6. März. Bis zum großen Umzug am Karnevalssonntag (3. März 2019) finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Die Gemeinde Viškovo hat eigens einen Wanderpfad

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INFORMATIONEN

Termine: Die Karnevalssaison 2019 in Rijeka endet am 6. März. Bis zum großen Umzug am Karnevalssonntag (3. März 2019) finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Die Gemeinde Viškovo hat eigens einen Wanderpfad ausgearbeitet, der den Spuren der Glockenträger folgt. Es sind drei verschiedene Strecken, denen man auch folgen kann, wenn gerade nicht Karneval ist. Infotafeln informieren an wichtigen Punkten der Strecke über die Zvoncari. Eine in den Touristenbüros erhältliche Karte zeigt die jeweilige Routenführung.

Anreise: Die schnellste Anreise in den Norden Kroatiens erfolgt ganzjährig mit Eurowings von Düsseldorf mehrmals in der Woche direkt nach Rijeka, Croatia Airlines fliegt die Route von München aus. Der Flughafen ist 30 km von der Stadtmitte entfernt und liegt auf der Insel Krk. Lufthansa/Austrian Airlines/StarAlliance fliegt von vielen deutschen Städten nach Zagreb, von hier aus sind es etwa zwei Stunden Fahrt bis Rijeka.

Mietwagen: Alle großen internationalen Anbieter sind mit Büros am Flughafen Zagreb vertreten, günstiger lokaler Anbieter ist UniRent (www.uni-rent.net). Ein Bus-Shuttle verbindet den Flughafen mit den größeren Orten der Region.

Unterkunft: Komfortabel und zentral gelegen ist das Grand Hotel Bonavia, das auch über ein ausgezeichnetes Restaurant verfügt. Preise für das Doppelzimmer ab EUR 124. www.bonavia.hr

Essen und Trinken: Nettes Fischlokal direkt am Fischmarkt ist die Konoba Fiume, Ul. Vatroslava Lisinskog 12, 51000 Rijeka. Tolle Atmosphäre herrscht in den rustikalen Räumlichkeiten der Taverne Konoba Maretina in Viškovo, täglich frische Fischgerichte zu moderaten Preisen, www.maretina.com

Währung: In Kroatien bezahlt man mit der Kuna, 1 HRK entspricht etwa 0,13 EUR bzw. 1 EUR gleich 7,43 HRK (Stand Januar 2019).

Aktivitäten: Empfehlenswert ist ein Ausflug an die "österreichische Riviera" in den ehemaligen k+k-Kurort Opatija mit seiner beeindruckenden Bäderarchitektur und der gut 12 km langen Uferpromenade Lungomare. Die Stadt Rijeka bereitet sich auf das Kulturhauptstadtjahr 2020 vor.

Information: Kroatische Zentrale für Tourismus, www.croatia.hr/de-DE;

Tourismusverband Kvarner HR, www.kvarner.hr eka;

Karneval von Rijeka www.rijecki-karneval.hr

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In der Region Kvarner nordwestlich von Rijeka, der europäischen Kulturhauptstadt 2020, bestimmen die Glockenträger, die Zvoncari, den karnevalistischen Takt. Diese besondere Tradition, die noch heute in acht Dörfern und bereits seit mehr als 500 Jahren gepflegt wird, gehört seit 2009 zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Organisierte Umzüge in heutiger Form gibt es erst seit 1949. Dabei hat jedes Dorf zwar seine eigene, unverwechselbare Kostümierung, der eigentliche Brauch selbst jedoch bleibt immer gleich. Beginnend zum ersten Faschingssonntag machen sich die Zvoncari - übrigens sind dies immer nur Männer aus dem jeweiligen Ort - auf den Weg, folgen einer bestimmten Route durch die Dörfer und zelebrieren dort ihr Ritual, dessen heidnischer Sinn darin besteht, die Geister der Kälte und Finsternis des Winters zu vertreiben.

Gekleidet in weißen Hosen und blau-weiß gestreiften Hemden, wie man sie von Matrosen kennt, wärmt sie darüber ein dickes, zotteliges Schaffell. Unterschiedlich sind die Kopfbedeckungen. "Während unsere Zvoncari eine mächtige, oft gruselig-groteske und mit Hörnern versehene Tiermaske tragen, ziert andere ein mit Blumen besetzter Hut, von dem lange, farbige Bänder bis zum Boden herunterflattern." Und jede Gruppe der Halubajski Zvoncari trägt auch voneinander verschiedene Glocken auf dem verlängerten Rücken. "So kannst Du gleich erkennen, welche Glockenträger sich dem Dorf nähern", erklärt Juric. Der Legende nach sollen einstmals maskentragende, unmäßig lärmende Schafhirten einen Überfall der Tataren vereitelt und damit die Grundlage für die heutigen Karnevalsriten gelegt haben.

Alte Tradition: Zvoncari in Rijeka​. Foto: Udo Haafke​

In langer Reihe geht es für die Zvoncari an den letzten drei Karnevalstagen in aller Frühe los. Ihre Masken tragen sie zunächst unter dem Arm, einige führen Knochen und Hörner als rustikale Schlagwerkzeuge mit sich. Scheinbar querfeldein führt die Route dann zum nächsten Dorf. Das Geläut der Glocken hallt wie beim Almabtrieb durch die hügelige Mittelgebirgslandschaft, bis das erste Ziel erreicht ist. Kurz vor der ersten Station ihres Weges auf dem Dorfplatz setzen sie die Masken auf und zelebrieren ihren Einmarsch im Rhythmus der Glocken, deren Lärmpegel stetig anschwillt. Ihr Gang wirkt durch das Gewicht der urtümlichen Klangkörper ausgesprochen staksig, die Bewegungen tollpatschig und unbändig. Takt und Bewegungen werden nun immer schneller, intensiver, eindringlicher.

Die Reihe der Zvoncari, angeführt von einem Fahnenträger, der auch das organisatorische Kommando hat, verdichtet sich zu einem enger werdenden Kreis um ihn herum. Während das innere Rund ihn abschirmt, drängen die nachfolgenden Glockenträger von außen heftig nach, wobei sie der Mitte den Rücken zuwenden. Die Geräuschkulisse wird durch die rituellen Tanzbewegungen immer stärker, der Untergrund scheint zu vibrieren. Schließlich ertönt eine Trillerpfeife und der lärmende Spuk findet ein Ende.

Schaulustige aus aller Welt kommen jedes Jahr nach Rijeka, um die liebevoll wie einfallsreich kostümierten Gruppen zu bestaunen. Foto: Udo Haafke​

Nach der schweißtreibenden Angelegenheit sind die Männer erst einmal hungrig. Im Dorf haben fleißige Helfer traditionelle Gerichte wie Erbsensuppe, grobe Würste, Sauerkraut oder Kasseler vorbereitet. Dazu wird Wein gereicht. Der berühmte Presnac-Kuchen, der aus Zimt, Grieß, Äpfeln und Milch besteht, darf nicht fehlen, ebenso frittierte Krapfen, Fritole genannt.

Ausgeruht und gestärkt geht es anschließend weiter ins nächste Dorf. Gut und gerne 40 Kilometer anstrengenden Marsches kommen da täglich zusammen. Vor allem im Bergdorf Kastav gleicht das Eintreffen der etwa 120 Glockenträger dem Einmarsch von Gladiatoren.

Am Abend des Faschingsdienstags wird die Rückkehr der Zvoncari nach Viškovo zu einem fulminanten, infernalischen Fest. In dem Moment, in dem ihr Tanz seinen Höhepunkt erreicht, verwandeln bengalische Feuer das Szenario in ein rotes, mystisches Farbspektakel, das dem Pust letztlich den feurigen Garaus bereitet. Vom Sündenbock bleibt nur ein Häuflein Asche, die Dämonen sind vertrieben, der Frühling kann kommen.

Ohne die Glockenträger wäre der farbenprächtige Karneval von Rijeka wohl lange nicht so populär, wie er es heute ist. Schaulustige aus aller Welt folgen seit 1982 dem endlosen, bunten Zug am Karnevalssonntag mit zahlreichen ausgelassen feiernden und liebevoll wie einfallsreich kostümierten Gruppen, die sich immer wieder mit den regionalen Glockenträgergruppen, abwechseln.

Schon mittags setzt sich der Zug in Bewegung, der sich von der Hafenpromenade gemächlich durch die Stadt schlängelt und vor dem Rathaus endet. Der Bürgermeister übergibt zu Anfang der tollen Tage, der fünften Jahreszeit für Rijeka, symbolisch den Schlüssel der Stadt an den Faschingsbürgermeister, den Maestro Meštar Toni. Gemeinsam mit ihm und der Karnevalskönigin führt er den großen Umzug an und stellt an verschiedenen Stationen auf dem Zugweg die einzelnen Gruppen vor - üblicherweise sind bis zu 110 beteiligt.

Lange nach Einbruch der Dunkelheit beenden die Halubajski Zvoncari die tolle Show. Während als traditioneller Schlusspunkt des Umzugs der Pust am Hafen in Flammen aufgeht, wird in den umliegenden Lokalen Rijekas noch lange und ausgelassen gefeiert.