Werft Papenburg - Dagmar Gehm
Von Dagmar Gehm
Kanäle wie Grachten, weiße Ziehbrücken, Häuser mit geschwungenen Giebeln und rundum plattes Land. Das nahe Holland lässt grüßen im nördlichen Emsland. Und ein bisschen auch Venedig. Beschaulich geht es hier zu, weit weg von Hektik und Großstadttrubel. Dass in der Stadt ohne Stadtmitte gigantische Ozeanriesen gebaut werden, lässt Papenburg auf den ersten Blick nicht ahnen. Namhafte Reedereien ordern in der Meyer Werft, vom Flussschiff bis zum Luxusliner - alle "made in Papenburg".
Drei Schiffe pro Jahr verlassen im Schnitt die Mayer Werft; von tausenden Schaulustigen bewundert, gleiten sie rückwärts in die Ems. Gerade lässt die Rostocker Reederei AIDA Cruises die beiden ersten Kreuzfahrtschiffe weltweit bauen, die ausschließlich mit dem umweltfreundlichen Flüssiggas (LNG) angetrieben werden. Ende 2018 wird die Aida Nova in See stechen, 2021 ihre baugleiche Schwester. Ein extra Ausstellungsbereich im Besucherzentrum informiert über den Fortschritt.
Eingestimmt werden Gäste auf dem Wahrzeichen der Stadt, der Brigg "Friederike von Papenburg", die als Teil des schwimmenden Schifffahrts-Museums direkt vor dem Rathaus dümpelt, wie andere historische Segelschiffen in den Kanälen, die einst zum Torftransport dienten. Ganz aus Holz gebaut, wie zur Blütezeit der Hochseeschifffahrt im 18. Jahrhundert, als es in Papenburg noch 29 Werften gab. Überlebt hat nur die Meyer Werft. Weil 1860 hatte Josef Lambert Meyer den Mut besaß zu sagen: "Auch Eisen kann schwimmen". Gegen die Überzeugung seines Vaters baute er fortan dampfbetriebene Eisenschiffe. Die Erfolgsstory der Meyer Werft, die sich inzwischen in siebter Generation befindet, hatte begonnen.
Die Meyer Werft ist der Ort, an dem Pioniergeist täglich gelebt wird, sagt Papenburgs Marketingchef Kai-Olaf Nehe. Wie viele andere ist auch er von seiner Geburtsstadt ausgezogen, um anderswo Erfahrungen zu sammeln. Erst mal. Um dann zurückzukehren und seine Erfahrungen einzubringen. Es sind die aufgeschlossenen Menschen, die Papenburg ausmachen. Vielleicht mag es auch daran liegen, dass die Stadt es den Fremden so einfach macht. "Wer in Papenburg einen über den Durst getrunken hat", heißt es, "muss einfach immer nur am Kanal entlang gehen. Dann findet er schon nach Hause." Oder in sein Hotel.
Werft Papenburg - Dagmar GehmLebendige Geschichte zum Anfassen überall. Im Papenburger Zeitspeicher erleben die Gäste auf interaktive Art die Entstehung der Stadt und des Schiffbaus. Eine Hauptrolle spielt die "Graf Götzen" von Götzen, die in dem Hollywoodklassiker "African Queen", an der Seite von Humphrey Bogart, Weltruhm erlangte.
Und wieder ein paar Superlative: Deutschlands älteste und längste Fehnkolonie, in deren Ursprünge das "wandelnde Geschichtsbuch", Ludger Stukenborg - ein ehemaliger Schulleiter - führt. Angetan im blau-weiß-gestreiften Fischerhemd und Helmut-Schmidt-Gedächtnismütze balanciert er im Freilichtmuseum Van Velen zwischen Hochdeutsch und Platt seine Zuhörer zurück in eine Zeit, als die Menschen hier noch bettelarm waren und die Kussmundflotte noch Lichtjahre entfernt.
Als die Menschen in grasgedeckten Katen - winzigen Erdhügeln - lebten und im Moor nach Torf gruben, dem Gold des Emslands. 1631 hatte Drost (Landrat) Dietrich von Velen begonnen, das Moor zu entwässern, das er als Lehen erhalten hatte. Historisch wertvolle Häuser wurden für das Freilichtmuseum abgetragen und dort wieder aufgebaut. Das Wort "Fehn" soll übrigens vom holländischen Venn, dem Moor stammen.
Werft Papenburg - Dagmar GehmVon Irrlichtern berichtet Ludger Stukenborg und von Moorleichen wie dem "roten Franz". Der sei allerdings nicht hier gefunden worden sondern in Husbeke. Trotzdem - eines leichten Schauderns kann sich niemand erwehren. Gut, dass der Trägerverein mit Stukenborg als Vorsitzendem auch das gegenüberliegende Papenbörger Hus erworben hat. Im bäuerlichen Ambiente hockt man dort warm und gemütlich beisammen und lässt sich mit einem Schnäpschen und Buchweizenpfannkuchen mit Preiselbeeren verwöhnen. Ob Rainer Calmund wirklich 19 Stück geschafft hat, ist allerdings nicht schriftlich überliefert. Dokumentiert ist hingegen die Wissenschaft des Teetrinkens im Emsland: "Auf keinen Fall Sahne und Kandiszucker umrühren!" lautet die Ansage.
Und dann wartet schon das nächste Superlativ: Deutschlands größter Kräuter-Umschlagplatz befindet sich ebenfalls in Papenburg. "Wir produzieren 80 Prozent aller frischen Kücherkräuter in Deutschland", erklärt Andreas Brinker von der Gartenbauzentrale GBZ. "In den Papenburger Gärtnereien werden insgesamt auf 88 Hektar Zierpflanzen, Salatgurken oder Kräuter angebaut."
Die GBZ beliefert alle großen Supermarktketten der Republik, darunter auch mit kuriosen Kräutern wie Apfelminze und Ananassalbei.
"Kiek mol weer in!", sagt Ludger Stukenborg zum Abschied. "Schau mal wieder vorbei!" Und man verspürt wirklich große Lust wiederzukommen, an diesen Ort im platten Land, von dem man nichts erwartet hat, aber der ganz unerwartet vielseitig ist.